Tödliche Preispolitik
WERDEN all die hunderttausende von Kranken, die in den kommenden Jahren an Aids sterben werden, geopfert, um die Zukunft der pharmazeutischen Forschung zu sichern? So brutal und unannehmbar diese Schlussfolgerung klingt, so begründet scheint sie angesichts der hartnäckigen Bemühungen, Medikamente patentrechtlich schützen zu lassen. Patente sollen den Erfindern ein Einkommen und Gewinne sichern und damit die Forschung beleben, heißt es.
Ist ein Medikament erst einmal entwickelt, sind seine industriellen Herstellungskosten nämlich äußerst gering. In Indien, das keine Patente auf pharmazeutische Produkte anerkennt, sind die Arzneimittel beispielsweise drastisch billiger als im benachbarten Pakistan.1 „Bei antiviralen Substanzen dürfte die Preisdifferenz bei 1 zu 20 liegen“, erklärt ein Arzt eines Pariser Krankenhauses, in dem zahlreiche Aids-Patienten aus Afrika behandelt werden.
“Die Pharmaindustrie leugnet, was offenkundig ist. Ihre Preispolitik ist tödlich“, heißt es in einer von Act-Up Paris herausgegebenen Kritik am Programm „Die Zukunft sichern“ des Pharmalabors Bristol-Myers Squibb. “Die Arzneimittelpreise sind heute das größte Hindernis bei dem Versuch, mehr Menschen den Zugang zu Therapien zu ermöglichen“, betont die im Kampf gegen Aids engagierte Organisation,2 „das beweisen die wenigen Programme, in denen versucht wird, südlichen Ländern (Elfenbeinküste, Senegal, Uganda und anderen) Medikamente zur Behandlung von Aids zugänglich zu machen.“
Falls Patente die Zukunft sichern, dann vielleicht diejenige der privaten Forschung und zweifellos diejenige der Aktionäre von Pharamunternehmen, mit Sicherheit aber nicht die Zukunft der Betroffenen.
PH. R.