ISRAEL UND SYRIEN
Von ALAIN GRESH
SEIT dem Sieg Ehud Baraks bei den israelischen Wahlen im Mai 1999 hieß es, die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Syrien und Israel stehe unmittelbar bevor. Trotz der vorbereitenden Missionen von US-Sonderbeauftragten und der Mittlerdienste von Präsident Clinton prognostizierten einige Beobachter, es werde nicht zu solchen Gesprächen kommen, denn der syrische Präsident Hafis al-Assad sei an einem Frieden gar nicht interessiert. Der tatsächliche Beginn der Verhandlungen könnte demnach einen Wendepunkt in der Geschichte des Nahen Ostens bedeuten, und zumal im Konflikt zwischen dem jüdischen Staat und seinen Nachbarn.
Das heißt nicht, dass schon alles unter Dach und Fach wäre. In dieser krisengeschüttelten Region kann jederzeit etwas Unvorhergesehenes eintreten: ein Anschlag in Israel, eine neue Eskalation im Südlibanon, eine gesundheitliche Krise von Präsident Assad, die Blockierung der Barak-Regierung in der Knesset oder ein Referendum. Und auch die Diplomaten haben noch alle Hände voll zu tun, um die zahlreichen Hindernisse zu überwinden. Bei der letzten syrisch-israelischen Gesprächsrunde um die Jahreswende 1995/1996 in Wye River Plantation in den USA wurde der Weg allerdings bereits markiert, wie Uri Savir, der damalige Leiter der israelischen Delegation, bezeugt: „Im März 1996 hatten wir den Durchbruch geschafft, ein Abkommen schien in greifbarer Nähe.“
Seit am 30. Oktober 1991 die Nahost-Friedenskonferenz von Madrid eröffnet wurde, geht es zwischen Israel und Syrien um vier Fragenkomplexe: um den israelischen Rückzug von den Golanhöhen, um Vereinbarungen über die beiderseitige Sicherheit, um die Normalisierung der Beziehungen und um einen Zeitplan für die Umsetzung des Ganzen. Hinzu kommt noch das Problem der Wasserrechte, das sich aber auch auf die anderen genannten Fragen auswirkt.
Das entscheidende Hindernis war natürlich lange die Frage nach der Zukunft der Golanhöhen. Jede israelische Regierung verwies auf die „entscheidende Bedeutung“ der Hochebene für die Sicherheit des Landes - dasselbe hatte man allerdings in den siebziger Jahren auch vom Sinai behauptet. Kompliziert wurde das Problem eines israelischen Rückzugs durch den Umstand, dass es auf dem Golan nicht nur eine, sondern drei Grenzlinien zwischen Syrien und Israel gibt: die 1923 zwischen Frankreich und Großbritannien vereinbarte Grenze, die offizielle Waffenstillstandslinie von 1949 und den tatsächlichen Frontverlauf am 4. Juni 1967, also zu Beginn des Sechstagekrieges1 . Syrien hat stets auf einen Rückzug Israels hinter die Linien vom 4. Juni 1967 bestanden, während sich Tel Aviv auf die Grenze von 1923 berief. Die Differenz macht zwar nur zwanzig Quadratkilometer aus, doch geht es dabei um den Zugang zum See Genezareth und zum oberen Jordantal.
Im August 1993, ein Jahr nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten, hatte Jitzhak Rabin erklärt, Israel sei grundsätzlich zur Rückgabe der Golanhöhen bereit. Über dieses Einlenken wurden die Syrer damals von US-Außenminister Warren Christopher informiert. Aber Präsident Assad wollte es genauer wissen: Bis zu welcher Linie sollte der Truppenrückzug gehen? Wie Uri Savir berichtet, wurden Assad im Mai 1994 die Details übermittelt: „Nach Gesprächen mit Rabin teilte Christopher den Syrern mit, nach Einschätzung der USA sei Israel, sofern seinen Bedürfnissen Rechnung getragen werde, zu einem ,vollständigen Rückzug‘ bereit - also bis auf die Linien vom 4. Juni 1967.“2 Dass eine derartige Zusicherung - natürlich geheim und unter Vorbehalt - gegeben wurde (nur nach Unterzeichnung eines Friedensvertrags, also nach Regelung aller übrigen Probleme hätte der Abzug der Truppen beginnen können), kam 1996 ans Licht, nachdem Benjamin Netanjahu Ministerpräsident geworden war. Seither wurde die Zusicherung von verschiedenen israelischen Regierungsvertretern kritisiert3 , aber dass sie gemacht wurde, steht außer Zweifel.
Seitdem die Verhandlungen im März 1996 ausgesetzt wurden, beharrte Damaskus auf seiner Position: Israel müsse sich zum Rückzug auf die Linien vom 4. Juni 1967 verpflichten. Anfang November 1999 gab es die ersten Hinweise, dass Ministerpräsident Barak zu diesem Zugeständnis bereit sei, unter der Bedingung „sehr geringfügiger Grenzkorrekturen“4 , die im Hinblick auf Israels Sicherheit und Wasserversorgung nötig seien.
Präsident Assad war der Überzeugung, damit biete sich eine historische Chance zur Beendigung des Konflikts. Man müsse die Zeit nutzen (weil in den USA im Sommer 2000 der Wahlkampf beginnt), erklärte Präsident Assad gegenüber Madeleine Albright am 7. Dezember in Damaskus, sein Land werde „die Verhandlungen da wieder aufnehmen, wo sie aufgehört haben“. Diese Formulierung griff Präsident Clinton am 8. Dezember auf, als er die Rückkehr der Kontrahenten an den Verhandlungstisch bekannt gab. Assad verzichtete darauf, die Forderung nach Rückzug auf die Linien vom 4. Juni 1967 öffentlich zu erwähnen, ihm reichte der Hinweis auf die früheren Verhandlungen, mit denen die Amerikaner auf Grund ihrer aktiven Beteiligung bis ins Detail vertraut waren.
Doch an diesem Punkt ist ein zähes Ringen zu erwarten. Israel geht es vor allem um die Kontrolle über das gesamte Ufer des Sees Genezareth, dafür wäre man bereit, den Syrern das Gebiet von Hamat Greder (Al Hamma) zu überlassen. Der britische Journalist Patrick Seale, Biograph und Vertrauter des syrischen Präsidenten, meint allerdings, Israel fordere auch die Kontrolle über die Quellen des Flusses Banyas, die auf syrischem Territorium liegen.5
Alles, was mit dem Wasser zu tun hat, wird ein Problem bleiben, zumal die geringen Niederschläge der letzten beiden Jahre den Wassermangel im gesamten Nahen Osten verschärft haben. Im Rahmen einer Friedensregelung scheint diese Frage jedoch nicht unlösbar. Damaskus ist bereit zu garantieren, dass der Zufluss aus dem Golan in den See Genezareth und in den Jordan nicht unterbunden wird. Denkbar wären in diesem Falle auch zahlreiche Projekte unter Beteiligung der wasserreichen Türkei.6
Dass die Verhandlungen an besagten zwanzig Quadratkilometern scheitern, ist kaum anzunehmen. Am 15. Dezember 1999 erklärte der syrische Außenminister Faruk al-Schareh in Washington, wer eine Rückgabe der besetzten Gebiete ablehne, mache aus der Konfrontation zwischen Arabern und Israelis „einen existentiellen Konflikt (...) statt eines Grenzkonflikts, der beigelegt werden kann, wenn beide Seiten ihre legitimen Rechte erlangt haben.“
Ein weiteres heißes Eisen sind die Sicherheitsfragen. Jitzhak Rabin hatte zwischen 1993 und 1995 zwei Hauptforderungen erhoben: die Verlegung und Umstrukturierung der syrischen Streitkräfte (verringerte Truppenstärke, Rüstungskontrolle usw.) sowie die Beibehaltung der israelischen Frühwarn- und Abhöranlagen auf dem Berg Hermon, die sogar das Mithören im Telefonnetz von Damaskus erlauben. Syrien sah in diesen Forderungen einen Angriff auf seine Souveränität; ein Nachgeben hätte zum Beispiel bedeutet, zwischen Damaskus und der Grenze zu Israel keine Truppen zu stationieren.
So wurde erst am 22. Mai 1995 ein gemeinsames Dokument über die Ziele und Grundsätze von Sicherheitsvereinbarungen (Aims and Principles of Security Arrangements) fertiggestellt - der einzige Text, auf den die Delegationen sich einigen konnten. Das durch Indiskretion bekannt gewordene Papier nennt als Hauptziel die Verhinderung von Überraschungsangriffen. Es hält aber auch fest, dass „die Sicherheitsregelungen auf beiden Seiten gleichermaßen und im gegenseitigen Einvernehmen“ umzusetzen seien und dass keine Seite „ihre legitimen Bedürfnisse auf Kosten der anderen durchsetzen“ dürfe. Allerdings ist auch die Rede davon, man könne den unterschiedlichen geographischen Bedingungen durch besondere Regelungen Rechnung tragen.7 Auch sollten die Maßnahmen „die Souveränität beider Parteien und ihre territoriale Integrität“ nicht beeinträchtigen und „auf die in Frage stehenden Gebietsstreifen auf beiden Seiten der Grenze beschränkt“ bleiben.
Dieses Dokument, das die syrischen Vorstellungen von „ausgewogenen“ Abrüstungsschritten weitgehend berücksichtigt, dürfte den Weg zu einem Sicherheitsvertrag ebnen. Der wird auch deshalb möglich, weil die syrische Armee seit rund zehn Jahren keine konventionellen Waffen mehr erworben hat und der israelischen im Hinblick auf Waffensysteme, Ausbildung und Kampfbereitschaft klar unterlegen ist.
Was die Abhöranlagen am Berg Hermon betrifft, so hatte Präsident Assad stets darauf bestanden, dass kein einziger israelischer Soldat auf dem Golan stationiert bleiben dürfe. Auch Rabins Angebot, Syrien dafür einen Stützpunkt in der israelischen Stadt Safed einzuräumen, wurde zurückgewiesen: Die Satellitenüberwachung reiche völlig aus, um Überraschungsangriffe auszuschließen. Im Verlauf des indirekten Meinungsaustauschs zwischen beiden Staaten, der 1997 über den Geschäftsmann Ron Lauder lief, könnte Assad in diesem Punkt jedoch nachgegeben haben. Glaubt man Uzi Arad, einem Berater von Netanjahu, wurde Israel der „ungehinderte Zugang zu dieser Station“ zugesichert.8
Aber bereits die Formulierung ist zweideutig. Ist damit Zugang zu den Informationen oder direkte Kontrolle über die Anlagen gemeint? In jedem Fall will der syrische Präsident aber die Anwesenheit von US-Experten in der Station tolerieren. Damit hätte Israel dank seiner Beziehungen zu den USA Zugriff auf die Informationen, ohne auf einer israelischen Präsenz bestehen zu müssen. Die Stationierung US-amerikanischer und europäischer Truppenkontingente auf dem Golan und vielleicht auch im Südlibanon könnte ebenfalls zur Lösung der Sicherheitsprobleme beitragen.
Bei den Fragen der Normalisierung der Beziehungen und der zeitlichen Umsetzung sind keine besonderen Probleme zu erwarten. Anders als die Regierung Peres macht sich die gegenwärtige Führung keine Illusionen über einen „Neuen Nahen Osten“. Man weiß, dass man den „heißen Frieden“ nicht durch Beschlüsse herbeiführen und die Normalisierung nicht erzwingen kann. Zwanzig Jahre nach dem Friedensvertrag ist der Handelsverkehr zwischen Israel und Ägypten noch immer schwach entwickelt, und die Mehrheit der ägyptischen (wie auch der jordanischen) Intellektuellen boykottiert den jüdischen Staat. In den Verhandlungen zwischen Syrien und Israel dagegen steht zunächst nur der Austausch von Botschaftern sowie ein erleichterter Grenzverkehr zur Debatte. Alles Weitere wird seine Zeit brauchen.
Das abschreckende Beispiel der Oslo-Verträge
BLEIBT die Frage, innerhalb welcher Übergangsfrist nach Unterzeichnung eines Abkommens die Vereinbarungen - insbesondere für die Räumung des Golan - realisiert werden sollen. Die israelische Regierung verlangte zunächst eine Frist von fünf Jahren und eine Gleitklausel. Aber Präsident Assad lehnte diesen zeitlichen Aufschub ab, und erst recht den Vorbehalt, dass die einzelnen Schritte jeweils vom guten Willen der anderen Seite abhängen sollten. Er hatte das höchst ungute Beispiel der Oslo-Verträge vor Augen: Sechs Jahre nach Unterzeichnung waren zahlreiche Vereinbarungen noch immer nicht umgesetzt, und Jitzhak Rabin konnte erklären: „Kein Termin ist unantastbar.“ Nachdem Assad zuerst den Rückzug Israels (und die Auflösung der Siedlungen) binnen sechs Monaten gefordert hatte, stimmte er im Oktober 1994 beim Besuch von Präsident Clinton in Damaskus einer Verlängerung auf sechzehn Monate zu. Und er akzeptierte sogar, dass drei Monate vor Abschluss des Rückzugs eine israelische Vertretung in Damaskus eröffnet werden solle.
1994 hatten Israel und Syrien zudem beschlossen, dass Israel innerhalb von neun Monaten nach einem syrisch-israelischen Abkommen einen Friedensvertrag auch mit dem Libanon schließen würde. Dabei sollte es keine größeren Probleme geben, zu klären wäre allerdings, was aus der proisraelischen Miliz des Südlibanon werden soll und ob Beirut auch das Problem der 400 000 palästinensischen Flüchtlinge zum Thema machen will. Die Hisbollah ist dabei, sich in eine politische Partei zu verwandeln, und wird sich den strategischen Vorgaben Syriens nicht widersetzen. Barak hat sich verpflichtet, das Abkommen mit Syrien einem Referendum zu unterwerfen, und wird deshalb darauf bestehen, Fortschritte in Sachen Libanon an den Verlauf der Verhandlungen mit Syrien zu koppeln - zumal er nach seiner Wahl versichert hat, die Armee werde bis zum 7. Juli 2000 aus dem Südlibanon abgezogen sein. In diesem Falle würden die Israelis über den Frieden mit beiden Nachbarn im Norden abstimmen.
Die 17 000 Bewohner der 33 israelischen Siedlungen auf dem Golan haben in Erwartung dieser Abstimmung bereits eine „Nein“-Kampagne gestartet, doch ihre Chancen stehen nicht besonders gut. Schließlich liegen die Vorteile, die Israel von einem Frieden mit Syrien und dem Libanon hätte, klar auf der Hand: Der Kleinkrieg im Libanon wäre vorbei, und Israel hätte den Ring des Friedens um Israel vollendet, mit diplomatischen Beziehungen zu allen Anrainerstaaten. Damit würde auch die Normalisierung der Beziehungen mit der übrigen arabischen Welt vorankommen, denn es könnte nicht lange dauern, bis Algerien, Saudi-Arabien oder Katar Botschaften in Tel Aviv eröffnen. Nicht zuletzt käme ein solcher Frieden auch den Beziehungen zur Europäischen Union zugute, und auch die amerikanische Wirtschafts- und Militärhilfe könnte noch reichlicher fließen.
Auch für Präsident Assad wäre ein Abkommen äußerst vorteilhaft. Mit der Rückgabe des Golan hätte er sein wichtigstes politisches Ziel erreicht, zugleich wäre die politische Vormachtstellung Syriens im Libanon abgesegnet. Die USA könnten Syrien von der Liste der „Helferstaaten des Terrorismus“ streichen. Das würde endlich den Zufluss US-amerikanischer und europäischer Hilfsgelder ermöglichen. Die sind dringend erforderlich, um das Land zu modernisieren und die schwere Wirtschaftskrise zu überwinden, aber auch für die Wiederansiedlung von 500 000 Syrern im Golangebiet. Außerdem könnte sich der syrische Führer endlich um die Regelung seiner Nachfolge kümmern, was für Syriens künftige Rolle im Nahen Osten höchst bedeutsam ist.
Offenbar wird nun ein Kapitel abgeschlossen, das mit dem ersten israelisch-arabischen Krieg von 1948 bis 1949 begonnen hat. Am 15. Dezember 1999 erklärte der syrische Außenminister Schareh, der Frieden werde „das Ende einer Geschichte der Kriege und Konflikte bedeuten“ und den möglichen Beginn “eines Dialogs der Kulturen und des friedlichen Wettstreits auf politischer, kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene“. An derart rosigen Aussichten mag man zweifeln, unzweifelhaft ist jedoch, dass der israelisch-arabische Konflikt fünfzig Jahre lang die Region und ihre Bündnispolitik geprägt, Identitäten und Loyalitäten bestimmt und die Länder in Freund und Feind geschieden hat. Im Rückblick, so der syrische Außenminister, müssen sich die Araber fragen, „ob der israelisch-arabische Konflikt zur Herausbildung der arabischen Einheit beigetragen oder ob er sie eher verhindert hat“.
Würde dieser Konflikt beendet, zumindest als Konfrontation von Staaten, wären die übrigen Konflikte der Region (das Problem Irak, die Kurdenfrage) nicht automatisch beseitigt. Das gilt auch für die Begehrlichkeiten äußerer Mächte - etwa nach „freiem Zugang“ zu billigem Erdöl. Längst zeichnen sich strategische Neuorientierungen ab: einerseits die Achse Israel - Türkei, andererseits das Dreieck Ägypten - Syrien - Saudi-Arabien.9 Wird die Allianz zwischen Damaskus und Teheran, die zwanzig Jahre lang alle Belastungsproben ausgehalten hat, auch den Frieden mit Israel überstehen?
Entscheidend für die künftige Entwicklung wird sein, ob die innenpolitischen Verhältnisse stabil bleiben. Mit dem Amtsantritt von König Abdallah II. in Jordanien hat eine Ära der politischen Wachablösung begonnen. In Saudi-Arabien, in Palästina, in Syrien und in Ägypten drängt eine neue Generation an die Macht. Sie steht vor gewaltigen Herausforderungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, aber auch hinsichtlich einer Demokratisierung: Der arabische Nahe Osten ist die einzige Region der Welt, die seit dreißig Jahren ihre politischen Führungsschichten nicht ausgewechselt hat. Aber auch für Israel stellt sich die Frage, wie es seine Identität zwischen religiösem Fundamentalismus und jüdischem Nationalismus neu bestimmen wird, wenn es keinen äußeren Feind mehr hat und von einem palästinensischen Staatsgebilde umgeben ist.
Die großen Verlierer in dem langen Ringen zwischen Israelis und Arabern sind die Palästinenser. Am Vorabend der israelisch-syrischen Verhandlungen versuchte die US-Außenministerin Albright sie mit der Erklärung zu beruhigen, dass „die Probleme Palästinas zentrale Bedeutung haben, wenn man einen umfassenden Frieden erreichen will“. Ministerpräsident Barak scheint entschlossen, möglichst rasch ein Abkommen mit der palästinensischen Führung über den endgültigen Status der Gebiete zu unterzeichnen. Mit einem “halben Staat in der Hälfte des Westjordanlands“, wie es der palästinensische Journalist Marwan Bischara formuliert, wird sich das weit verstreute palästinensische Volk allerdings kaum zufrieden geben. So besteht die Gefahr, dass sich auf dem Gebiet des palästinensischen Staatswesens die Auseinandersetzungen der dreißiger Jahre wiederholen, als zwei Gemeinschaften um die Vorherrschaft stritten. Und außerhalb dieses Staatswesens gibt es noch immer Millionen Flüchtlinge, von denen viele seit fünfzig Jahren in Lagern leben. Ihr Schicksal mag das Gewissen des Westens nicht mehr belasten, doch die israelische wie die arabischen Regierungen wird es noch lange beschäftigen. Eine künftige Revolte dieser palästinensischen Diaspora könnte die fragilen Staaten des Nahen Ostens ins Wanken bringen.
dt. Edgar Peinelt