17.03.2000

Für Männer, die sich selber suchen

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Für Männer, die sich selber suchen

Von ELISABETH LEQUERET *

Man hatte ihnen beigebracht, nicht zu weinen. Nicht klagen, nicht jammern, niemals die eigenen Schwächen eingestehen, alles unter Kontrolle behalten: das waren lange Zeit die Merkmale der Männlichkeit. Nachdem die siebziger Jahre den Männern eine (gewisse) Lockerung des erdrückenden gesellschaftlichen „Über-Ichs“ gestatteten, übten die achtziger Jahre neuen Druck aus: Kult der Selbstdarstellung, der Tüchtigkeit und des beruflichen Erfolgs.

Mittlerweile haben die Frauen in den meisten der früheren Männerdomänen Einlass gefunden; nun, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, machen sich die Männer Gedanken über ihre Identität. „Die Devise unserer Leser könnte lauten: Ich bin nicht perfekt, und ich stehe dazu“, erklärt Bruno Gosset, Chefredakteur des For Him Magazine. „Die Männer legen Wert auf ihr Wohlbefinden, auf Umweltfragen, Liebe, Freundschaft. In den Achtzigern ging es nur um die eine Frage: Wie viel Geltung besitze ich? Heute dagegen heißt es: Wie fühle ich mich wohl, mit mir selbst“, bestätigt Christian Moguérou, sein Kollege bei Men's Health.

Men's Health und For Him Magazine (FHM) sind zwei der Dutzende Männermagazine, die in den letzten Monaten die Kioske erobert haben. Obwohl sie meist zwischen einem Stapel Pornozeitschriften und der letzten Nummer einer Autoillustrierten zu finden sind, stehen sie für eine neuartige Männerpresse. Unkomplizierter, näher am Leser, intimer. Und weniger sexfixiert. Zwar zieren auch das Titelblatt von FHM immer mehr oder weniger leicht bekleidete Geschöpfe, doch der Chefredakteur verwahrt sich gegen jeglichen Machismus und betont, dass die Seiten mit den Nacktfotos nicht im Mittelpunkt stehen. Bei aller Heuchelei enthält diese Antwort ein Körnchen Wahrheit, wie man beim Lesen der verschiedenen Rubriken feststellen kann: Die alten Rezepte der Männerpresse (kurz: Kurven und Kabrios) sind passee. Lui hat stillschweigend dicht gemacht. Selbst Leute-Magazine wie Max, wo der internationale Jetset Monat für Monat das gleiche starre Lächeln auf Hochglanzpapier präsentiert, haben ihre bedeutende Marktrolle eingebüßt.

Denn die Wünsche der Männer haben sich geändert. Men's Health hat seine Leser befragt, welche Themen sie am meisten interessieren. An der Spitze stehen Gesundheit (62 Prozent), Sexualität (53 Prozent) und Ernährung (32 Prozent); die Rubrik „Leute“ rangiert mit nur 15 Prozent weit hinten. „Vor zehn Jahren wären die Zahlenverhältnisse umgekehrt gewesen“, erklärt Christian Moguérou. „Damals wäre ein Magazin ohne schicke Autos und nackte Mädchen undenkbar gewesen.“ Resultat: mit reißerischen Aufmachern wie „Superkörper leicht gemacht“ oder „Wie werde ich eine Sexbombe?“ verkauft Men's Health monatlich zwischen 100 000 und 120 000 Exemplaren. Sein unmittelbarer Konkurrent, M Magazine (der im April 1998 gegründete Pionier der französischen Männerpresse) segelt in den gleichen Gewässern. Von der ersten Nummer von FHM im Juni 1999 wurden 240 000 Stück verkauft. Seitdem hat sich die verkaufte monatliche Auflage bei 120 000 eingependelt. Viel versprechende Zahlen, auch wenn sie zumindest im Moment noch weit hinter den Auflagen der Frauenpresse zurückliegen (so verkauft sich Marie Claire mit monatlich 560 000 Exemplaren, und die Wochenzeitschrift Femme Actuelle, bringt es auf 1,8 Millionen).

Während die Franzosen sich an den Anblick von Männermagazinen neben den traditionellen Motor- und Segelzeitschriften in ihren Kiosken erst langsam gewöhnen, sind diese in den angelsächsischen Ländern schon lange Teil der Presselandschaft. FHM erblickte in Großbritannien in den achtziger Jahren das Licht der Pressewelt. „Damals war es ein klassisches Magazin: schöne rote Autos, Zigarren und viel Mode“, erklärt Bruno Gosset. Bis 1994 stagnierte der Umsatz. Dann übernahm der britische Gigant EMAP die Zeitschrift und beauftragte ein Team dynamischer junger Leute, es zu einem Blatt für ein „jüngeres, breiteres Publikum“ zu machen (Bruno Gosset). Die Verkaufsziffern stiegen explosionartig: in einem Jahr von 50 000 auf 800 000 Stück. Im selben Jahr startete die IPC-Gruppe Loaded (das Wort hat gleich mehrere Bedeutungen: aufgeladen, vollgestopft, zugedröhnt ...). „Das war nicht nur ein Presseerfolg, sondern ein wahrhaftiges gesellschaftliches Phänomen“, behauptet Bruno Gosset.

Großbritannien gilt als das Eldorado der Männerpresse. Das US-amerikanische Magazin Men's Health hat nach durchschnittlichen Anfängen seine Auflage innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt: von 120 000 bei seiner Einführung in London 1995 auf 300 000 im Jahr 1996. Auf der anderen Seite des Kanals werden monatlich über 4 Millionen Magazine verkauft, so viel wie Frauenzeitschriften in Frankreich. „In den Jahren 1995 und 96 gab es einen Wirtschaftsaufschwung. Für die Engländer war damals alles möglich“, erklärt Christian Moguérou. „Etwa so wie in den letzten Monaten in Frankreich.“ Denn auch in Frankreich fällt der Boom der Männerpresse zusammen mit steigendem Konsum. Besonders der Markt für Männerkosmetik wächst langsam, aber stetig.

„Den Macho zu spielen ist lächerlich geworden“, erklärt Robert Ebguty, Forschungsleiter am Centre de communication avancée1 . „Heute muss man glänzend aussehen und Vitalität ausstrahlen, dabei den Eindruck vermitteln, dass die eigene Gesundheit von innen kommt. (...) Die hedonistische Wiederentdeckung des Körpers ist umso stärker, als der Einzelne weniger vom Blick des anderen abhängig ist als in den fünziger, sechziger und siebziger Jahren. Ökonomisch gesehen ist diese Wiederentdeckung die Basis für einen riesigen Markt, den wir den Ego-Markt nennen. Diese Art des Konsums zeigt sich auch in der Zurschaustellung eines gesundheitsbewussten Lebensstils, wie er beim Mountainbiking oder bei Gleitsportarten zum Ausdruck kommt.“

Mit Aufmachern wie „Mehr essen, besser leben!“ (Men's Health), „Kosmetische Chirurgie, jetzt auch für Männer“ (M Magazine) oder „Der große Führer zum guten Aussehen“ (FHM) scheinen die Männermagazine in der Tat den Anbruch eines neuen Ich-Kults einzuläuten.

Christine Castelain-Meunier, Soziologin am CNRS, arbeitet seit über zehn Jahren über männliche Identität2 : „In der neuen Presse ist nicht oder nur sehr selten von Vätern die Rede. Mit den Bewegungen, die die Vaterschaft verfechten, will man hier nichts zu tun haben. Es werden keinerlei Ansprüche gestellt. Die Themen werden immer sehr oberflächlich behandelt, verglichen mit der Frauenpresse, die seit vierzig Jahren die Frauen in ihrem Emanzipationsprozess begleitet. Viele Ratschläge, damit es mit den Mädchen gut läuft, Persönlichkeitstests, die den Männern helfen sollen, zurechtzukommen. Alles ist nur auf die unmittelbare Gegenwart bezogen, im Gegensatz zur Frauenpresse, wo es immer den Blick auf die Zukunft gibt.“

Der krisenbewegte Mann

DIE Männerpresse sei oberflächlich? Bruno Gosset bestreitet das. „In den Frauenzeitschriften geht es darum, wie man verschiedene Lebensbereiche, also Familie, Soziales, Beruf, gleichzeitig meistert, also um Fragen der Lebensführung. Das hat sehr viel Methode. Wir wollen das nicht. Uns liegt daran, persönliche, sehr praktische Informationen zu geben. Unsere Leser sind so zwischen 15 und 45 Jahre alt. Wir interessieren uns für eine ganze Generation zwischen diesen beiden Polen. Die Achtzehnjährigen möchten sich verwirklichen, die Älteren, bereits Etablierten, möchten sich noch etwas ausleben. Wir wollen die Männer nicht auf ein Stereotyp festlegen. Männer wollen heute mit weniger Problemen leben, sich von den gesellschaftlichen Festlegungen und von den Erwartungen der Frauen befreien.“

Es wäre voreilig, daraus zu schließen, dass die Stunde der Rückkehr des Machos geschlagen hat. Eher künden die reißerischen Aufmacher der Magazine von dem Unbehagen einer ganze Generation von Männern, die nach neuen Männlichkeitskriterien sucht. „Ich denke, das Auftauchen dieser Presse zeigt, dass die Männer eine gemeinsame Plattform suchen, einen Ort, an dem ihre Sorgen nicht für nebensächlich angesehen werden und wo sie spüren, dass andere Männer die gleichen Probleme haben wie sie selbst“, erklärt Christine Castelain-Meunier.

Woher aber rührt dieses Bedürfnis, sich auf eine kollektive Identität zu beziehen? Die Männer stecken in der Klemme: zwischen den mütterlichen Mahnungen (keine Gefühle zeigen, Körper und Geist panzern, Ehrgeiz für zwei und Durchsetzungskraft für drei entwickeln) und den Forderungen ihrer Gefährtinnen (zärtlich sein, Schwächen zugeben können, zu den eigenen weiblichen Anteilen stehen ...). Sie wissen nicht mehr, an welches Modell sie sich anschmiegen sollen. Im Beruf kommen ihnen die Frauen zunehmend ins Gehege, und auch die Frauen zu Hause sind anspruchsvoller, autonom und finanziell unabhängig.

In „The Decline of Males“3 zeichnet der Amerikaner Lionel Tiger ein pathetisches Bild von der Lebenssituation des modernen Mannes, der gegenüber einer „immer stärkeren und selbstbewussteren Frau“ zunehmend unsicher wird.

Alles sieht danach aus, als ob die Männer unter dem Konkurrenzdruck der Frauen aus ihrem ehemals bevorzugten Bereich, der öffentlichen Sphäre, den großen Rückzug ins Private angetreten hätten. „In den achtziger Jahren betonten Männermagazine wie Il oder Vogue Hommes den Gegensatz zwischen Mann und Frau“, erzählt Christine Castelain-Meunier. „Die neuen Magazine wenden sich an den Mann als autonome Person mit Privatsphäre. Auffällig in diesen Zeitschriften ist, dass dort nach Anleitungen und Ratschlägen gesucht wird, nach Selbstverwirklichungsmodellen, und dass der arbeitende Mann gar nicht mehr darin vorkommt. Es geht um Freizeitgestaltung und um Kochrezepte. Diese Zeitschriften unterscheiden sich völlig von den bisherigen Magazinen und auch von der allgemeinen Presse, wo immer Unternehmer oder arbeitende Männer im Vordergrund standen.“

Das monolithische Männlichkeitsideal der Vergangenheit hat heute ein vielfältiges Gesicht. Die alten Merkmale, die traditionell „maskulinen“ Werte (Mut, Ausdauer, Kühnheit, Dominanz) zählen nicht mehr. Die neunziger Jahre brachten den langsamen Niedergang der Werte des Scheins zugunsten der Werte des Seins (Introspektion, Einfachheit, Wertschätzung von Beziehungen). „Wir leben in einer Zeit, die für die Männer sehr verunsichernd ist“, bestätigt die Soziologin Dominique Pasquier.4 „Früher konnte man die männliche Identität leicht festmachen: Es gab speziell männliche Verhaltensmerkmale, eine besondere Beziehung zum Geld, den beruflichen Erfolg und die Anziehungskraft auf Frauen. Bis zu dem Tag, als die Frauen anfingen, das Haus zu verlassen. Heute ist es sehr schwierig für die Männer, einen Bereich zu finden, in dem es keine Frauen gibt.“

Diesen Bereich, diese Sphäre zwischen verspielt und informativ versuchen die Magazine neu zu schaffen, schuljungenmäßig bei FHM, im Stil netter Kerle bei M Magazine und Men's Health. Daran mag es liegen, dass nach allgemeiner Ansicht kein Männermagazin ein Pendant in der Frauenpresse besitzt. Marie Claire und Elle, seinerzeit am Puls der Frauenbewegung, sind immer noch zu politisch. Zeitschriften wie Cosmopolitain, Marie-France oder Figaro Madame legen den Akzent auf die Mode und stehen mit ihrer Ernsthaftigkeit deutlich im Gegensatz zum spielerischen Charakter ihrer Kollegen.

Charakteristisch für die Männerzeitschriften ist auch, welche Aufmerksamkeit sie den Leserbriefen widmen (mehrere Dutzend Seiten in jeder Nummer). Dabei geht es oft um medizinische Fragen, zuallererst um solche der Sexualität, aber auch um alle möglichen anderen mehr oder weniger gewichtigen Probleme. Hartnäckige Ekzeme, Mundgeruch, drohende Glatze: eine Reihe von Spezialisten beantwortet gewissenhaft die Fragen der Leser. In einer der letzten Nummern von Men's Health erzählt der Schriftsteller Patrick Besson vom Auf und Ab seiner Beziehungen zu seinen Verflossenen, während der Psychiater von FHM auf die Sorgen eines Zwillingsvaters in spe eingeht.

„In der Hälfte der Briefe geht es um Sexualität. Viele Leute, die in der Provinz leben, schreiben uns: ,Wir trauen uns nicht, den Arzt danach zu fragen.‘ So übernehmen wir die Rolle des großen Bruders“, erklärt Christian Moguérou. „Wir reden über ihre intimen Probleme, geben ihnen psychologische Ratschläge. Kurz gesagt: wir tun, was die Frauenpresse seit dreißig Jahren tut!“ – „Auch wenn wir humorvoll sind, beantworten wir alle Fragen gewissenhaft“, bestätigt Bruno Gosset, der behauptet, täglich an die zwanzig Briefe zu bekommen. „Männer haben keinen Diskussionsraum. Bei ihnen bleibt vieles unausgesprochen. Sie vergehen vor Wissbegier, wollen alles über Sexualität wissen, über Beziehungen zu Mädchen, Gesundheit, aber sie haben niemanden, den sie fragen können.“

Zerstreuen und dabei informieren: auf dieser geschickt dosierten Mischung beruht der Erfolg der Männerpresse. Das Leserprofil macht deutlich, warum: jung – zwei von drei FHM-Lesern sind zwischen 15 und 34, und das gleiche gilt für 70 Prozent der Leser von Mens's Health –, aktiv, urban (nach der FHM-Umfrage von Dezember 1999 lebt jeder zweite Leser in Paris oder Umgebung) und – relativ – kaufkräftig. „Anfangs hatten wir Männer zwischen 28 und 35 Jahren im Auge, die ins Berufsleben eintreten“, erklärt Christian Moguérou. „Tatsächlich aber teilt sich unsere Leserschaft in zwei Gruppen. Die Jugendlichen bis 25 sagen uns: Wir kaufen euer Magazin zum Zeitvertreib, es ist wie ein guter Kumpel. Die eher Vierzigjährigen interessieren sich für Sport und Ernährung, sie bevorzugen den informativen Aspekt. Also versuchen wir, Ratschläge für den Alltag zu geben, ohne daraus strenge Lebensregeln abzuleiten. Unsere Leser sagen eigentlich: Wir wollen schon gesund leben, vorausgesetzt, man redet mit uns wie unter Freunden. Das unterscheidet uns von der traditionellen Männerpresse, die immer schrecklich ernst ist.“

Für den Werbefachmann Nicolas Riou verdeutlicht die Männerpresse die beiden neuen Ausrichtungen der Männlichkeit, zumindest bei diesem Leserprofil. „FHM steht für das Auftauchen einer positiven Männlichkeit, wie sein Werbeslogan belegt: ,Männer haben wieder schlechte Manieren.‘ Dazu sieht man ein paar Freunde auf einer Café-Terrasse sitzen und einem hübschen Mädchen nachschauen. Das soll heißen: ,Wir Männer sind nun mal so, wir werden uns keine Mühe geben, höflich, feinfühlig, feminin zu werden.‘ “

Am anderen Pol der männlichen Sphäre steht der krisengeschüttelte Mann, wie man ihn im französischen Kino geboten bekommt. Von Melvil Poupaud bis Jackie Berroyer, über Fabrice Luchini, Mathieu Amalric, Vincent Lindon – die Liste dieser manchmal zerquälten, häufig zerbrechlichen, fast immer zwischen Nervenzusammenbruch und Lebenskrise schwebenden Antihelden ist lang. Nicolas Riou: „Das ist der auf den Körper reduzierte Objekt-Mann der Coca-Cola-light-Werbung. In dieser Marktlücke positionieren sich Magazine wie Men's Health oder M Magazine, eine Presse, der es um praktische Dinge geht und die Sicherheit verschaffen will. Während sich die traditionellen Magazine an den männlichen Mann richteten, der sich in seiner Haut wohl fühlte, sprechen diese Magazine den Mann in der Krise an. Sie sagen ihm: Doch, doch, du kannst es schaffen.“

dt. Sigrid Vagt

* Journalistin bei Radio France Internationale.

Fußnoten: 1 In einem Gespräch mit Le Monde, erschienen am 19. November 1999. 2 Christine Castelain-Meunier, „Pères, mères enfants“, Paris (Flammarion) 1998. 3 Golden Books 1999. 4 Dominique Pasquier, „La Culture des sentiments“, Paris (éditions du CNRS) 1999.

Le Monde diplomatique vom 17.03.2000, von ELISABETH LEQUERET