16.06.2000

Weltmarsch der Frauen

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Weltmarsch der Frauen

IM Jahr 1995 rief die Frauenföderation von Quebec (Fédération des Femmes du Québec, FFQ) unter dem Motto „du pain et des roses“ (Brot und Rosen) zu einem 200 Kilometer langen Marsch auf, um gegen die Armut zu demonstrieren. Der damit erzielte Erfolg ermutigte sie nun, weltweit allen feministischen Bewegungen einen Marsch gegen Armut und Gewalt gegen Frauen vorzuschlagen. Inzwischen sind über viertausend Frauengruppen aus 153 Ländern an dem für den kommenden Herbst geplanten Ereignis beteiligt.

Die Organisatorinnen sprechen von einer breit angelegten Bildungsoffensive für mehr Staatsbürgerlichkeit, von einem neuartigen Raum für Kreativität und dem Beginn einer weltweiten Vernetzung. Die meisten der beteiligten Feministinnen kommen aus praxisnahen Gruppen, die sich im Menschenrechts- oder Gewerkschaftsbereich und in der internationalen Zusammenarbeit engagieren. Es sind Frauen aus der Stadt und vom Land dabei, jüngere und ältere, und sie gehören den verschiedensten Kulturen und Glaubensrichtungen an. Gemeinsam ist ihnen die Hoffnung, zu einer gerechteren Welt beizutragen.

Die Frauen wissen, dass die völlig ungezügelte Globalisierung der Märkte im Zusammenspiel mit dem patriarchalen Gedankengut, das in allen Ländern in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden ist, Millionen von Frauen weltweit in die Armut und in eine verschärfte Unterwerfungssituation getrieben hat. Exemplarisch sei hier nur der ständig zunehmende Frauenhandel erwähnt, von dem eine milliardenschwere Sexindustrie profitiert, oder das Festhalten an so barbarischen Praktiken wie der Beschneidung von Frauen. Oder der soziale Kahlschlag in den Ländern des Nordens, der das Schicksal all derer, für die der Staat künftig nicht mehr aufkommen will, den Frauen aufbürdet.

Es gibt zahlreiche Gründe, zu demonstrieren – die Frauen haben die Parole ausgegeben, dass es mindestens zweitausend sind. Der Weltmarsch der Frauen 2000 wendet sich mit seinem Protest sowie mit präzisen Forderungen für das neue Jahrtausend an alle Entscheidungsträger des Planeten. Die Frauen haben eine Plattform erarbeitet, die sich an die Vereinten Nationen, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank richtet.1 In ihren Forderungen stimmen sie mit der Bewegung gegen die zerstörerischen Auswirkungen der Globalisierung überein, mit der Menschenrechtsbewegung und mit all jenen, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen.

DIE Frauen haben auch auf nationaler Ebene Plattformen erarbeitet, sodass sie ihren jeweiligen Regierungen sehr konkrete Forderungen unterbreiten werden. In Frankreich beispielsweise wird am 17. Juni eine große landesweite Demonstration stattfinden. Hier wird eines der Hauptthemen die Forderung nach gesicherten Arbeitsplätzen mit angemessener Bezahlung sein, ferner die strikte Anwendung der bestehenden Rechtsnormen gegen Gewalt gegen Frauen und Minderjährige sowie die Einführung gleicher Rechte für ausländische Frauen. Schließlich werden die Französinnen sich den Frauen der Welt anschließen, um die Besteuerung von internationalen Finanztransaktionen und einen Schuldenerlass für die armen Länder zu fordern.

Im Herbst werden sich dann in anderen Ländern tausende Frauen und auch Männer zu nationalen und teilweise auch regionalen Demonstrationen zusammenfinden. In Europa beispielsweise werden sie sich am 14. Oktober in Brüssel treffen. Am 15. Oktober wird eine internationale Delegation die Demonstration in den Vereinigten Staaten anführen, die am ständigen Sitz der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds in Washington vorbeiziehen wird. Am 17. schließlich wird in New York ein weltweites Frauentreffen stattfinden, um den Vereinten Nationen Millionen unterschriebener Postkarten zu übergeben, die zuvor von den Aktivistinnen in allen beteiligten Ländern zur Unterstützung der Hauptforderungen eingesammelt wurden. Zweihundert ausgewählte Frauen, die die Vielfalt der Beteiligten repräsentieren, sollen mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan zusammentreffen.

Am 18. Oktober 2000 werden all diese engagierten Feministinnen so schwerwiegende Probleme wie Armut und Gewalt gegen Frauen zwar sicher nicht gelöst haben. Aber sie werden sowohl der Bevölkerung als auch den Entscheidungsträgern deutlich gezeigt haben, dass die Zeit der Häuslichkeit vorbei ist. Dass Frauen sich nie wieder mit einem Platz in der zweiten Reihe zufrieden geben werden, die unverhohlene Missachtung von Institutionen einfach hinnehmen oder die tausendundeine Ausdrucksformen des alltäglichen Machismo akzeptieren werden.

FRANÇOISE DAVIDVorsitzende der Frauenföderation von Québec

Fußnote: 1 World March of Women Fédération des femmes du Québec 110 rue Ste-Thérèse, #307 Montréal, Québec CANADA H2Y 1E6 Tel: (00 15 14) 3 95 11 96, Fax: (00 15 14) 3 95 12 24 E-Mail: marche2000@ffq.qc.ca www.ffq.qc.ca/marche2000/. Auf dieser Website sind auch die Plattformen der einzelnen Länder verzeichnet.

Le Monde diplomatique vom 16.06.2000, von FRANÇOISE DAVID