14.07.2000

Marokko wartet

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Marokko wartet

Von IGNACIO RAMONET

IN Marokko heißt regieren Regen bringen“, soll Marschall Lyautey gesagt haben. Wie wahr dieser Satz ist, wird auch in diesem Jahr wieder auf drastische Weise deutlich: Eine schlimme Trockenheit plagt die Landwirtschaft, beunruhigt die Städter und beschäftigt die Behörden.

Marokko bleibt ein Agrarland, fast die Hälfte der Erwerbsbevölkerung arbeitet auf den Feldern, und jedes Mal, wenn der Regen ausbleibt, bedeutet das eine echte Katastrophe. Die Folge ist eine massenhafte Abwanderung der Landbevölkerung. Hunderttausende drängen in die ohnehin überfüllten Elendsvierteln am Rande (oder gar im Zentrum) der großen Städte Tanger, Rabat, Casablanca oder Marrakesch. Dort leben sie unter oft unerträglichen Bedingungen, zu acht oder zu zehnt in winzigen Räumen, ohne Wasseranschluss, ohne Kanalisation – häufig auch ohne Strom.

Ein Jahr ist vergangen seit dem plötzlichen Tod von König Hassan II. am 23. Juli 1999 und der Thronbesteigung seines Sohnes Mohammed VI. Was hat sich seither für die Bewohner der Slums geändert, die durch hohe „Schandmauern“ vor den Blicken der Touristen abgeschirmt sind? „Nichts“, meint Zohra. Die 32-jährige Frau, Mutter von fünf Kindern, sitzt an der Tür ihrer ärmlichen Hütte, nicht weit von der Uferpromenade in Casablanca. „Wir warten. Der neue König ist freundlich, er will etwas ändern. Er will sich um uns kümmern, den Armen helfen. Aber andere in seiner Umgebung wollen keine Veränderung, sondern weiterhin nur Profit machen. Also, es ist nicht einfach, aber wir haben Hoffnung.“

Wie Zohra wartet das ganze Land. Und die Hoffnungen, die der neue König geweckt hat, sind groß. „Man muss schon blind sein, um nicht zu merken, dass die Marokkaner wieder Mut gefasst haben“, meint etwa der Schriftsteller Abdellatif Laabi. „Sie sind innerlich freier geworden und streifen langsam die Fesseln der Angst und des Fatalismus ab. Auch wenn sich an den materiellen Lebensbedingungen der Ärmsten nichts geändert hat und ihr Alltag eine Hölle ist, spüren sie, dass es wieder eine Zukunft geben könnte.“1

Vieles im Land liegt im Argen: Marokko kämpft mit der Arbeitslosigkeit (25 Prozent der Erwerbsbevölkerung), mehr als die Hälfte der Bevölkerung von 29 Millionen kann nicht lesen und schreiben (bei den Frauen sind es 70 Prozent), auf dem Lande haben zwei Drittel der Menschen noch immer keinen direkten Zugang zu Trinkwasser, in 87 Prozent der Haushalte gibt es keinen Strom, 93 Prozent sind ohne jede medizinische Versorgung.

Mohammed VI. scheint zu wissen, welche Hoffnungen er geweckt hat. Und er will die Aufgaben in Angriff nehmen: „In erster Linie die Arbeitslosigkeit und die Wasserknappheit in den ländlichen Gebieten, aber auch die Bekämpfung der Armut. Ich könnte Ihnen mehrere Stunden lang die katastrophale Lage schildern: die Armut, das Elend, den Analphabetismus.“2

DASS er dem Unglück seiner Landsleute so viel Aufmerksamkeit schenkt, unterscheidet den neuen König erkennbar von seinem Vater – was ihm bereits den Beinamen „König der Armen“ eingebracht hat. Er sitzt im Vorstand der Stiftung Mohammed V., einer Einrichtung, die wie eine humanitäre Nichtregierungsorganisation (NGO) arbeitet. In dieser Funktion begibt er sich ab und zu auch persönlich in entlegene Dörfer, lässt Wassertanks für die Opfer der Trockenheit aufstellen und unterstützt lokale Entwicklungsprojekte oder Solidaritätsaktionen. Mohammed VI. besucht Kranke und kümmert sich um die Bedürftigen – mit dem Effekt, dass inzwischen Tausende von Geschichten über seine Güte, sein Mitleid und seine Freigiebigkeit kursieren. In manchen Schichten wird der König wie ein Heiliger verehrt.

„Seine Haltung gegenüber den einfachen Leuten ist ohne Zweifel aufrichtig“, versichert Professor Mohamed Tozy, Verfasser eines Standardwerks über Monarchie und Islam in Marokko.3 „Aber außerdem ist sie politisch klug, da sie den Islamisten das Wasser abgräbt, die ja bislang gewissermaßen das Monopol auf karitative Aktivitäten in den Armenvierteln besaßen und deshalb äußerst beliebt waren. Inzwischen tritt der König nicht nur auf der Ebene der religiösen Legitimität gegen sie an – schließlich ist er ein Nachfahre des Propheten und „Führer der Gläubigen“ –, er konkurriert mit ihnen auch hinsichtlich der Solidarität mit den Armen und Ausgestoßenen.“

Auch im Umgang mit den bürgerlichen Freiheiten und den Menschenrechten hat der neue König schon bald eine andere Haltung erkennen lassen als sein Vorgänger. Bereits am 20. August 1999, kaum einen Monat nach dem Tod seines Vaters, rührte Mohamed VI. an ein Tabu: In einer Rede erwähnte er die „Verschwundenen“ und die „Opfer willkürlicher Verhaftungen“. Zwei Monate später machte er in Casablanca seine neuen Vorstellungen von der königlichen Macht deutlich und stellte dabei klar, dass der Staat die „Menschenrechte und die persönliche Freiheit“ zu respektieren habe.

Bald darauf folgte die spektakulärste Anwendung der neuen Grundsätze: Am 9. November 1999 entließ er Innenminister Driss Basri, der zwanzig Jahre lang im System der politischen Repression die Fäden gezogen hatte. Bereits zuvor hatten einige berühmte Oppositionspolitiker die Genehmigung zur Rückkehr ins Land erhalten – darunter die Familie von Mehdi Ben Barka, dem algerischen Sozialistenführer, der 1965 in Paris von Agenten des Generals Oufkir entführt und ermordet worden war. Und am 30. September 1999 war auch Abraham Serfaty zurückgekehrt, ein führender Politiker der extremen Linken, der nach seiner Verhaftung 1974 fünfzehn Monate lang in einem geheimen Haftlager gefoltert worden war und siebzehn Jahre im Gefängnis verbracht hatte, bevor man ihn 1991 in die Verbannung geschickt hatte.4

Abraham Serfaty lebt derzeit in Mohammedia bei Casablanca in einer vom Staat zur Verfügung gestellten Villa in Blau und Weiß, mit Blick auf den Ozean. Er äußert sich in aller Klarheit: „Mohammed VI. will ein modernes und demokratisches Marokko aufbauen, und er setzt dabei auf eine Zivilgesellschaft, die derzeit einen bemerkenswerten Neuanfang durchläuft: Überall im Lande entstehen Bürgervereinigungen, die erstaunlich aktiv sind. Außerdem besteht die Regierung, auf die sich der neue König stützt, zu wesentlichen Teilen aus Sozialisten und früheren Kommunisten, aus Vertretern der demokratischen Kräfte des Landes also, die sich für das allgemeine Wahlrecht einsetzen. Doch dieser Übergang zu Demokratie und Modernität kann nicht so funktionieren wie in Spanien 1975 bis 1978 – das zu glauben wäre ein schwerer Irrtum.

Marokko ist nach wie vor eine sehr komplexe und uneinheitliche Gesellschaft. So kann sich zum Beispiel der Islamismus mit beeindruckender Kraft ausbreiten, weil Armut und Elend immer noch endemisch sind. Um den Wandel voranzubringen, ist ein Zusammenschluss aller Kräfte der Linken und die Formulierung glaubhafter Reformprojekte nötig – sonst wird der machsen wieder die Oberhand gewinnen.“

Der machsen, das ist die Bezeichnung für die alten politisch-administrativen Strukturen der Macht. Ein System aus Unterwerfung, Ritualen, Zeremonien und Tradition, gestützt auf eine besondere Auffassung von der Regierungsgewalt, die von allen Mitgliedern der politischen Klasse geteilt wird und in deren Zentrum der König steht: „Die Schlüsselrolle im System des machsen spielt der Sultan“, heißt es in einem geschichtswissenschaftlichen Werk. „Bei der Thronbesteigung dieses autokratischen Herrschers, der als Spross einer Dynastie antritt, wird eine Art Treuegelöbnis inszeniert, bei dem alle Würdenträger eine vollkommen unterwürfige Haltung einnehmen. Die absolute Macht stützt sich überdies auf das angebliche Amt des Herrschers als Vertreter Gottes auf Erden – eine Tradition, die durch Generationen orientalischer Despoten hervorgebracht und gefestigt wurde, aber letztlich keinerlei religiöse oder rechtliche Grundlage besitzt. Dieser Herrschaft stehen zwei Machtmittel zu Gebote: 1. die mehalla, eine Art Söldnertruppe, die dem Sultan verpflichtet ist – entweder weil es sich um Sklaven handelt, oder weil ihr bestimmte Privilegien zuerkannt wurden. 2. der machsen im engeren Sinne, ein Netz von Agenten, die sich im Allgemeinen aus der Schicht der städtischen und ländlichen Notabeln rekrutieren und die vor allem eines gemeinsam haben – ihre Bestechlichkeit.“5

Als Abderrahmane Youssoufi diese Zeilen verfasste, konnte er nicht ahnen, dass er 22 Jahre später selbst im Zentrum des machsen und an der Spitze einer marokkanischen Regierung stehen würde. Der Rechtsanwalt Youssoufi, 1924 in Tanger geboren, war zum Führer der bedeutendsten marokkanischen Partei der Linken, der Union socialiste des forces populaires (USFP) aufgestiegen, als er im Februar 1998 von König Hassan II. zum Ministerpräsidenten ernannt wurde.

Um die Armen kümmern sich die Islamisten

DIESE Berufung – nach vierzig Jahren autoritärer Herrschaft – weckte große Hoffnungen. Man sah darin den Beginn eines politischen Umschwungs, der zu tief greifenden Veränderungen führen würde. Youssoufi trat mit weit gesteckten Zielen an: Überwindung der Wirtschaftskrise, Dezentralisierung der Verwaltung, Stärkung der Moral im öffentlichen Leben, Bekämpfung der Korruption, Justizreform, Kampf gegen die Armut, sozialer Wohnungsbau für die ärmsten Schichten, ein nationales Bündnis für Arbeit und vor allem auch die Lösung der Saharafrage.

Doch Hassan II. verfolgte eine andere Strategie: Im April 1998 sah sich Youssoufi an der Spitze einer aufgeblähten und heterogenen Regierungsmannschaft von 41 Ministern, die sieben Parteien angehörten. Überdies hatte der Palast eine Reihe von Ressorts der „nationalen Souveränität“ selbst besetzt: die Ministerien der Justiz, des Inneren, der auswärtigen Angelegenheiten, der Religionsangelegenheiten und der Verteidigung.

Youssoufi blieb damit nicht mehr viel Handlungsspielraum, und entsprechend dürftig sieht seine Bilanz nach zwei Jahren aus.6 Sozialpolitisch hat er nichts erreicht, in den wichtigsten Problembereichen – Analphabetismus, Armut, Gesundheitswesen – sind die statistischen Zahlen in etwa unverändert. Viele Reformvorhaben bleiben unvollendet, darunter einige, die für den Wandel von entscheidender Bedeutung sind, wie die Reform des Wahlrechts, der Strafprozessordnung, des Arbeitsrechts, des Gesetzes über die bürgerlichen Freiheiten etc. Nichts geändert hat sich auch an der hohen Arbeitslosenquote, der Diskriminierung der Frauen, der Korruption, dem feudalen Machtmissbrauch und den immer wieder auftretenden Menschenrechtsverletzungen.

Im Empfangszimmer seines bescheidenen Amtssitzes erläutert der Ministerpräsident, flankiert von seinem Wirtschaftsminister Fatallah Oualalou, mit milder Nachsicht: „Man wirft uns vor, wir täten nichts, aber man übersieht dabei unter anderem, dass wir eine neue Atmosphäre geschaffen haben, in der sich die Chancen für die Festigung des Rechtsstaats und den Schutz der Rechte des Einzelnen und der Bürgerrechte verbessern. Wir haben die sozialen Fragen und die Grundbedürfnisse der ärmsten Schichten zu einem wichtigen Thema gemacht, wir haben eine tief greifende Reform der Verwaltung eingeleitet, mit dem Ziel eine neue Moral einzuführen, wir haben einen Aktionsplan für die Integration der Frauen vorgelegt. Das sind vielleicht keine spektakulären, aber wichtige Ergebnisse – wir arbeiten. Zum andern heißt es, wir seien ja selbst machsenisiert, schließlich sei auch meine Regierung im Palast gebildet worden. Dabei hat der König doch seit der Unabhängigkeit 1956 ausnahmslos alle Minister ernannt. Dass Hassan II. 1998 erstmals unsere Vorschläge akzeptiert hat, war doch ein historisches Ereignis! Schon immer hat der Palast Positionen mit seinen Leuten besetzt, das ist normal. Tatsächlich sind die Machtbereiche verteilt: Wir bestimmen über die entscheidenden Ministerien, vor allem die Ressorts, die mit der Wirtschaft und den sozialen Fragen zu tun haben und ein praktisches Eingreifen ermöglichen.“

Ob er nicht bemerke, wie die Enttäuschung in der Bevölkerung wächst? „Ich spüre die allgemeine Ungeduld. Doch die Umfragen zeigen, dass meine Regierung nach wie vor mehr Popularität genießt als jede andere in der Geschichte des Landes. Die Menschen wissen, dass wir erst allmählich den Raum schaffen können, den wir für einen soliden Neuaufbau brauchen. Es hat keinen Zweck, so rasch vorzugehen, dass am Ende alles zusammenbricht. Wir haben heute mehr Freiheiten als je zuvor, und dennoch verlangen manche, ich solle im Namen des Staates die Opfer der Repression um Verzeihung bitten – ich, der ich in den dunkelsten Zeiten des früheren Regimes selbst zu den Opfern gehört habe!“

Welche Erklärung er, als Führer einer bedeutenden Partei der Linken, dafür habe, dass sich in den ärmsten Vierteln die Menschen nicht den Sozialisten, sondern den Islamisten zuwenden? „Wir sind verbürgerlicht“, räumt Youssoufi ein. „Wir haben den Kontakt zum Volk verloren. Es wird unsere Aufgabe sein, die Armenviertel zurückzuerobern. Das ist unsere klassische Wählerbasis, die uns von den Islamisten abgeworben wurde. Die Islamisten verheißen den Menschen den Himmel auf Erden.“

Und nicht nur das. „Wir bieten den Menschen ganz konkrete Hilfe“, erklärt die zwanzigjährige Fatiha, die Rechtswissenschaften in Rabat studiert und in Salé im „Plateau“-Viertel wohnt. Dort arbeitet sie für die Vereinigung Al Adl wa l Ihsan (Gerechtigkeit und Wohlfahrt), die 1985 von Scheich Abdessalam Yassine gegründet wurde. Yassine selbst stand bis zu seiner Freilassung am 19. Mai 2000 zehn Jahre lang unter Hausarrest . „Wir machen Krankenbesuche und helfen bei der Beschaffung von Medikamenten, wir beteiligen uns an Begräbniskosten, wir bieten Nachhilfe für die Schüler, wir unterstützen allein stehende Frauen, Witwen oder geschiedene Frauen, wir geben Geld, um Pilgerfahrten zu ermöglichen, und wir bieten den Opfern von Gewalttaten rechtlichen Beistand. Uns geht es nicht nur um geistlichen Einfluss, sondern wir leisten praktische Hilfe, um den Menschen ein paar Probleme abzunehmen. Ihre Lebensbedingungen sind grausam, doch der Staat bleibt untätig, bei uns hingegen finden sieSolidarität, gegenseitige Hilfe und Brüderlichkeit. Und sie stellen fest, dass der Islam ein Humanismus ist. Wir wollen friedlich an die Macht kommen, durch Überzeugung und Erziehung – Gewalt lehnen wir ab.“

Wer sind die Anhänger der Islamisten in Marokko, und wie viele sind es? Bei der großen Kundgebung gegen die von der Regierung geplante Änderung der rechtlichen Stellung der Frau, die am 12. März in Casablanca stattfand, wollen manche Beobachter fast 100.000 gezählt haben. Sie waren sehr gut organisiert, Männer und Frauen, überwiegend jung, marschierten getrennt. Das machte Eindruck, aber es handelte sich nicht nur um Anhänger von Al Adl wa l Ihsan, der nicht zugelassenen Organisation von Scheich Yassine. Wie bei den großen Demonstrationen gegen den Golfkrieg im Februar 1991 und gegen die britisch-amerikanische Bombardierung des Irak, die zwischen 300.000 und 700.000 Menschen mobilisierten, waren auch diesmal die Sympathisanten der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) dabei, einer gemäßigten islamistischen Bewegung, die von den Machthabern geduldet wird und im Parlament vertreten ist. 7

Offenbar versuchen die Islamisten, sich als die letzte Rettung darzustellen. Scheich Yassine hat Anfang Februar einen 18-seitigen offenen Brief an Mohamed VI. gerichtet. Unter dem Titel „Memorandum an die Zuständigen“ zieht er eine vernichtende (von antisemitischen Ausfällen durchzogene) Bilanz der Herrschaftszeit von Hassan II. Yassine empfiehlt, das persönliche Vermögen des verstorbenen Königs (das er auf 40 Mrd. Dollar schätzt) zur Begleichung der marokkanischen Auslandsschulden (etwa 17 Mrd. Dollar) zu verwenden. Und er schließt mit den Worten: „Ich wünsche dem jungen König viel Mut und sage ihm als Abschiedsgruß noch einmal: Retten Sie Ihren armen Vater aus den Höllenqualen, indem Sie dem Volk zurückgeben, was ihm rechtmäßig gehört. Retten Sie sich! Tuen Sie Buße! Fürchten Sie den König der Könige!“8

Die soziale Mobilität bleibt gedämpft

YASSINE lässt durchblicken, dass die Stunde der Islamisten gekommen sei, falls der Wandel unter Ministerpräsident Youssoufi und die Erneuerung, die der neue König verkörpert, scheitern sollten. „Es ist tatsächlich denkbar, dass es zu einer Welle des Islamismus kommt“, meint ein enger Berater von Mohammed VI. in seiner bescheidenen Wohnung am Stadtrand von Rabat. „In den Städten, den Vorstadtsiedlungen und zunehmend auch auf dem Lande sind sie sehr gut verankert. Sie halten engen Kontakt zu den Leuten, sie helfen den Armen, den Kranken, den Studenten, knüpfen ein Netz von Beziehungen in den Armenvierteln. Und sie sind im sozialen Bereich aktiv, was die Linke, selbst die extreme Linke, nicht mehr tut – die Linke hat den Kontakt zum Volk verloren.“

Professor Mohamed Tozy ist anderer Meinung: „Die Islamisten dienen den Machthabern als willkommenes Schreckgespenst. Damit können sie die eigene Rückschrittlichkeit und Reformfeindlichkeit rechtfertigen und den Kritikern vorwerfen, sie begünstigten das Verbrechen. Keine Reform der Rechtsstellung der Frau, weil das den Islamisten Zulauf bringen würde; keine vorgezogenen und wahrhaft demokratischen Wahlen, weil davon die Islamisten profitieren würden; keine ernsthafte Modernisierung des Sittengesetzes, weil sich die Islamisten das zunutze machen könnten. Dabei sind die Islamisten gar nicht so so bedeutend, und seit der Thronbesteigung von Mohammed VI. sind sie durch seine Beliebtheit bei den Armen sogar politisch in die Defensive geraten. Das berühmte ‚Memorandum‘ von Scheich Yassine ist selbst unter seinen Anhängern nicht unumstritten: Viele halten es für vorschnell, und die Gläubigen des Mittelstands sehen darin eine Majestätsbeleidigung. Sogar das Argument, das Vermögen von König Hassan II. müsse renationalisiert werden, wirkte abgestanden, weil es lediglich ein Gerücht aufgriff, das schon seit Monaten kursierte. Letztlich hat das Memorandum wenig Eindruck gemacht. Die Islamisten sind derzeit vor allem mit der Frage beschäftigt, was aus ihrer Bewegung wird, falls der Scheich stirbt – wer tritt dann seine Nachfolge an?“

„Das Aufkommen des Islamismus verdanken wir zum einen der fehlenden Demokratie und zum anderen den unausrottbaren wirtschaftlichen, sozialen und bevölkerungspolitischen Problemen Marokkos“, meint Fouad Abdelmoumni, ein langjähriger Aktivist der Linken, der Anfang der achtziger Jahre sechs Monate lang „verschwunden“ war und dann zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Heute ist er Vorsitzender der Vereinigung Al Amana9 , einer Organisation die nach dem Vorbild der Grameen Bank in Bangladesch Kleinprojekte und Kleinunternehmen in den Armenvierteln finanziert. „Von 1960 bis heute ist die Bevölkerung von 11,5 Mio. auf fast 30 Mio. angewachsen. Die Hälfte dieser Menschen ist unter 25. Und in den Städten, die jedes Jahr – und vor allem in Jahren der Trockenheit – etwa 450.000 Zuwanderer aus den ländlichen Gebieten aufnehmen, hat sich die Einwohnerzahl vervierfacht. Inzwischen leben mehr als 55 Prozent der Bevölkerung in den Städten.“

„Fast 65 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze“, erklärt Abdelmoumni weiter. „Und die Situation spitzt sich zu. Es gibt eine tiefe Kluft zwischen den Menschen, die in den Slumsiedlungen leben, und den Eliten, die in den Augen des Volkes geradezu wie eine Schicht von Fremden sind, die sich die Arbeitsstellen und die Reichtümer des Landes aufteilt. Vor der Unabhängigkeit hieß es, die Franzosen saugten Marokko das Blut aus, um ihre Profitgier zu befriedigen. Inzwischen behaupten die Armen von der Mittelschicht und den Reichen dasselbe. Der machsen müsste eigentlich im eigenen Interesse die soziale Mobilität fördern und neue Kräfte zum Zug kommen lassen, müsste den jungen Leute aus den unteren Schichten, die eine Ausbildung genossen haben, ihre Chance geben.“

Das meint auch Latifa, 45, Mathematiklehrerin an einem Gymnasium am Stadtrand von Casablanca: „Die Mittelschicht macht bei uns weniger als fünf Prozent der Bevölkerung aus, in Tunesien sind es über 35 Prozent. Hier herrscht nach wie vor ein System von Beziehungen und Begünstigungen, und die Clans, die untereinander verschwägerten Familien, vergeben einen Posten eher an einen unfähigen und inkompetenten Verwandten als an einen jungen Menschen aus einfachen Verhältnissen, der ausgezeichnete Zeugnisse hat. Es funktioniert genauso wie im machsen: Was zählt, ist nicht die Kompetenz, sondern vor allem Loyalität und Unterordnung. Deshalb haben die meisten jungen Leute die Hoffnung verloren; sie glauben nicht mehr an ihr Land, an den Machtwechsel oder an die Erneuerung, die der junge König verkörpern soll – dem sie im übrigen mit Sympathie gegenüberstehen. Sie träumen alle vom Auswandern, die Mädchen noch mehr als die Jungen. Eine neuere Umfrage hat ergeben, dass 72 Prozent der Marokkaner gerne auswandern würden, bei den jungen Leuten zwischen 21 und 29 Jahren waren es sogar 89 Prozent.“

Trotz aller rechtlichen Schwierigkeiten und anderer Risiken (jedes Jahr ertrinken Dutzende bei dem Versuch, die Meerenge von Gibraltar zu überqueren) emigrieren jährlich etwa 40.000 Marokkaner. Mehr als zwei Millionen leben heute im Ausland, vor allem in Frankreich, aber auch in Belgien, Italien, Spanien, Kanada und den USA. Sie bleiben ihrem Land und ihrer Kultur eng verbunden und schicken einen Teil ihrer Ersparnisse nach Hause – jährlich etwa zwei Milliarden Dollar. Das ist mehr, als Marokko aus dem gesamten Export von Phosphaten und landwirtschaftlichen Produkten erlöst.

Die volkswirtschaftlichen Daten des Landes sind zufriedenstellend – eine Folge der vom Internationalen Währungsfonds erzwungenen Bemühungen um strukturelle Anpassung: Die Inflation liegt bei 2,6 Prozent, das Haushaltsdefizit unter drei Prozent. Doch die sozialen Kosten einer solchen Politik sind hoch. Da das Wirtschaftswachstum unzureichend ist (zwischen 1990 und 1998 durchschnittlich 2,1 Prozent), kann der Arbeitskräfteüberschuss nicht aufgefangen werden. Nicht einmal Bewerber mit Hochschulabschluss (Lehrer, Techniker, Ingenieure, Ärzte) finden eine Anstellung. Regelmäßig protestieren Zehntausende gegen die staatliche Politik, die ihnen keine Arbeitsplätze bietet.

„Es ist wirklich ein Skandal“, sagt Zouher Bentaïbi, Leiter des „Forum des communications“ in Rabat und Professor für neue Technologien an der Universität Sophia-Antipolis in Nizza. „Insbesondere weil das Land im Bereich der Telekommunikation gerade einen großen Schritt nach vorn macht und jeden Spezialisten braucht, vor allem Wissenschaftler. Außer Südafrika besitzt kein Land in Afrika soviele Internetanschlüsse wie Marokko. Es gibt inzwischen in allen großen Städten Cybercafés, die großen Zulauf haben. Überall, selbst in der tiefsten Provinz, findet man „Teleboutiqen“, wo man nicht nur telephonieren, sondern auch Faxgeräte und einen E-Mail-Anschluss benutzen kann häufig inklusive der Möglichkeit, im Internet zu surfen. Wie in Europa waren auch hier die Mobiltelephone in der Mittelschicht ein Riesenerfolg, es sind schon fast 350 000 in Gebrauch, und man schätzt, dass es bis 2003 über zwei Millionen sein werden. Außerdem gibt es mehr als 200 000 Computer in Marokko, und über drei Millionen Satellitenantennen – ein sehr großes Publikum sieht vor allem Programme aus verschiedenen europäischen Ländern.“

„Wenn es nicht so viel Korruption gäbe, hätten wir einen großartigen Wirtschaftsaufschwung“, meint Driss El Atlassi, ein 55-jähriger Unternehmensleiter in Kenitra. „Aber die staatlichen Stellen betrachten die Investoren, ob inländische oder ausländische, nur als Kühe, die man melken kann. Und das tun sie bis zum letzten Tropfen. Deshalb halten sich die Investoren sehr zurück, nur einige Privilegierte setzen ihr Kapital ein – mit Erfolgsgarantie. Daneben besteht eine bedeutende Schattenwirtschaft, die mit dem Drogenhandel zusammenhängt – Marokko ist das wichtigste Haschischexportland der Welt – und mit dem Schmuggel, der über Mellilla oder an der algerischen Grenze abgewickelt wird. Daran verdienen viele Staatsbeamte, und die Machthaber drücken beide Augen zu. Wie wäre sonst zu erklären, dass unter den hundert reichsten Männern Marokkos fünfzig der Polizei oder dem Militär angehören? Das Privatvermögen der zwanzig reichsten Militärs würde ausreichen, unsere zwanzig Milliarden Dollar Auslandsschulden zu begleichen.“

„Das Land ist geradezu zerfressen von der Korruption, und die Regierung geht dagegen nicht entschlossen genug vor“, meint auch der Soziologe Abdelkebir Khatibi, der das wissenschaftliche Forschungsinstitut in Rabat leitet. „Dabei wird sie den Islamismus nur aufhalten können, wenn sie sich mit der Korruption, der Armut und den sozialen Problemen auseinandersetzt. Youssoufi wird einen Gang zulegen müssen, man spürt förmlich, wie die Ungeduld im Land wächst. Und die Regierung kann es sich nicht leisten, alles auf die lange Bank zu schieben. Marokko hat lange genug gewartet, jetzt muss gehandelt werden. Es ist vielleicht unsere letzte Chance.“

Aboubakr Jamaï, Chefredakteur der in Casablanca erscheinenden Wochenzeitung Le Journal10 , glaubt, dass „die Regierung sich allmählich machsenisiert. Sie spielt mit dem Feuer, indem sie Regelungen verabschieden lässt, etwa bezüglich der Zensur11 , die nie durchgegangen wären, wenn die Vertreter der Regierung nicht als Linke gelten würden. Youssoufi ist jetzt am Zug, wenn er nichts tut, sind die Chancen vertan.“

„Man darf die Lage nicht dramatisieren“, meint dagegen ein westlicher Botschafter, der das Land gut kennt. „Das Regime ist stabil. Von wo soll die Gefahr drohen? Von den Islamisten? Ausgeschlossen. Dass die Bevölkerung Mangel leidet, kann vielleicht zum einen oder anderen lokal begrenzten Aufstand führen, es kann Tote geben. Aber das Regime wird überdauern. Hier hängen doch letztlich alle an der Monarchie.“

Auch Abraham Serfaty schließt vereinzelte Unruhen nicht aus, meint aber sofort: „Ich glaube nicht an einen Volksaufstand. Die Bedingungen dafür sind nicht gegeben. Und trotz aller Enttäuschungen ist die Hoffnung immer noch da.“

Bleibt die Westsaharafrage, ein Problem, das großen Einfluss auf die Zukunft des neuen Marokko haben wird. Die endgültige Entscheidung darüber, ob die Westsahara marokkanisches Territorium bleibt oder sich für die Unabhängigkeit entscheidet, wie es die von Algerien unterstützte Frente Polisario fordert, soll eine Volksabstimmung bringen. Das 1991 beschlossene Referendum wird unter Aufsicht der UNO organisiert, die zu diesem Zweck eine Beobachtermission (Minurso) vor Ort unterhält. Die Durchführung wurde allerdings, mit Zustimmung aller Beteiligen, unzählige Male verschoben, angeblich aufgrund der Schwierigkeiten, sich auf die genaue Wählerliste zu einigen. Inzwischen ist die Abstimmung für 2001 angesetzt, die vorbereitenden Verhandlungen führt ein Sonderbeauftragter von UN-Generalsekretär Kofi Annan, der ehemalige US-Außenminister James Baker. Doch es wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher, dass dieses Referendum stattfindet.

Zwei von Baker geleitete Treffen aller Beteiligten fanden am 14. Mai und 28. Juni in London statt. Am 31. Juli endet das Mandat der Minurso, und Generalsekretär Annan hat bereits angedeutet, dass man den Plan eines Referendums aufgebe könnte. Kürzlich erklärte er, man müsse „sich darauf einrichten, auch andere Formen zu erwägen und zu diskutieren, in denen eine dauerhafte und einvernehmliche Lösung der Streitfragen erzielt werden kann“.12

Der größte Teil der marokkanischen Armee, etwa 200.000 Mann, ist in der Sahara stationiert. Die Kosten dafür machen mehr als 20 Prozent des Staatshaushalts aus. Es wäre weit vernünftiger, diese Gelder für eine anspruchsvolle Sozialpolitik und die Ankurbelung der Wirtschaft zu verwenden. Zudem belastet die Saharafrage seit Jahrzehnten das Verhältnis zu Algerien, verhindert die notwendige Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern und behindert die vordringliche Aufgabe, einen Vereinten Maghreb aufzubauen.

Niemand in Marokko zweifelt daran, dass der Erfolg der von König Mohammed VI. eingeleiteten neuen Ansätze von der Lösung der Saharafrage abhängt. „Alle Konfliktparteien sollten sich auf die Gewährung einer weitgehenden Autonomie einigen“, glaubt Abraham Serfaty. „Dann könnten wir uns endlich um die Einheit des Maghreb kümmern. Aber die Generäle in Algerien blockieren das.“

Die Hoffnung hat zu warten

INZWISCHEN muss man einsehen, dass eine Volksabstimmung nicht die Lösung bringt“, erklärt der bereits zitierte westliche Botschafter. „Das hat sich auch im vergangenen Jahr in Osttimor gezeigt. Niemand wird sich darauf einlassen. Wenn Marokko bei einem Referendum unterliegen würde, wäre das eine nationale Katastrophe, denn die marokkanischen Truppen würden niemals abziehen. Und dann befände sich Marokko unter dem Aspekt des internationalen Rechts in einer unhaltbaren Situation. Einen Sieg Marokkos bei der Abstimmung würden die Algerier niemals akzeptieren. Dann wäre eine neuerliche direkte Konfrontation zu befürchten. Die internationale Gemeinschaft müsste sich einschalten, was sie aber nicht will. Inzwischen scheinen Frankreich und die USA überzeugt, dass die Volksabstimmung keine gute Lösung ist. Was Paris nun den Marokkanern und Washington den Algeriern nahebringen muss. Vielleicht könnte man auf eine Zwischenlösung hinarbeiten, die der Sahara möglichst weitgehende Autonomie gewährt. Die Frage ist, ob die algerischen Generäle damit einverstanden wären.“

„Algeriens Haltung ist unverständlich“, meint Ministerpräsident Youssoufi. „Offenbar wollen die Militärs den Konflikt um die Sahara wieder anheizen, Dabei dachten alle, man stehe kurz vor einer Einigung. Jetzt droht erneut ein Wettrüsten, die doch alle Anstrengungen auf die Entwicklung richten müssten. Und das Projekt der Einheit des Maghreb wird weiter aufgeschoben.“

Bei einem Gespräch in Paris, am 16. Juni, während seines Staatsbesuchs in Frankreich, fand der algerische Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika deutliche Worte: „Unsere Position in der Saharafrage hat sich nie geändert. Wir halten uns an ein einfaches Prinzip: das Recht auf Selbstbestimmung. Übrigens sind wir das erste Land gewesen, dass die Unabhängigkeit Osttimors anerkannt hat. Die Saharafrage liegt jetzt in den Händen der Vereinten Nationen, die das Referendum über die Selbstbestimmung durchführen müssen. Das gleiche Prinzip hat übrigens ehedem zur Unabhängigkeit meines Landes geführt. Davon werde ich nicht abrücken. Es gefällt mir nicht, wenn der Stärkere den Schwächeren erniedrigt, aber ich erkläre in aller Form: Algerien wird das Ergebnis der Befragung der Sahrauis akzeptieren, wie immer es ausfällt.

Was die Beziehungen zwischen Marokko und Algerien angeht, so darf ich daran erinnern, dass ich in Marokko geboren und aufgewachsen bin. Ich kenne dieses Land sehr gut und bin ihm tief verbunden. Doch das hindert mich nicht daran, die Dinge nüchtern zu betrachten. Und ich muss feststellen, dass in den schwierigen vergangenen Jahren die Grenzen unserer beiden Länder keineswegs so hermetisch geschlossen waren, wie man es sich gewünscht hätte: Waffen und Versorgungsgüter sind immer wieder nach Algerien eingeschleust worden.

Zu Zeiten von Hassan II. wusste man, mit wem man es in der marokkanischen Politik zu tun hatte, damals gab es sogar ein gewisses Einverständnis. Die neue Mannschaft kennen wir nicht, und zur Zeit misstraut einer dem anderen, wir bringen nur Anschuldigungen gegeneinander vor. Wir müssen miteinander reden. Es gibt bereits fünf oder sechs Kommissionen, in denen alle unsere Streitfragen auf der Tagesordnung stehen.

Doch vorerst werde ich die Grenze zwischen den beiden Ländern nicht öffnen, wenn ich es täte, würden sofort drei Millionen Algerier losziehen, um alles Mögliche einzukaufen. Zweifellos würde eine solche Maßnahme bei der Bevölkerung in beiden Ländern Zustimmung finden. Aber ich werde es nicht tun – zuerst müssen wir vernünftige Regelungen für unsere Probleme finden, dann ist die Zeit gekommen für die Liebe und die Begeisterung der Menschen. Das Wohl Algeriens ist das Wichtigste.“

Im Maghreb ist es Tradition, nichts zu überstürzen – man muss den Dingen Zeit geben, sich zu entwickeln. Selbst in Zeiten des Übergangs und der Erneuerung, wie Marokko sie heute erlebt, sind die politischen Führer überzeugt, dass man scheitert, wenn man zu hastig vorgeht – wenn zuviel bewegt wird, wenn zuviel Widerstand entsteht.

Diejenigen, die an einen Wandel nach spanischem Vorbild denken, an eine baldige movida, hoffen daher vergebens. Marokko wird es gewiss langsamer angehen lassen, wie es der Tradition des machsen entspricht. Die geht davon aus, dass man die Bremsen nur nach und nach lösen darf, wenn man gut und sicher vorankommen will.

Und dass, damit bei allem Wandel die Dinge an ihrem Platz bleiben, das Wesentliche nicht angetastet werden darf: das Gebäude der Macht und der Tradition sowie die monarchische Ordnung. Ganz im Sinne der alten sizilianischen Maxime, dass alles sich ändern muss, damit alles beim Alten bleibt. Die Hoffnung hat zu warten.

dt. Edgar Peinelt

Fußnoten: 1 Le Journal (Casablanca), 8. April 2000. 2 Time, 26. Juni 2000. 3 Mohamed Tozy, „Monarchie et islam politique au Maroc“, Paris (Presses de Sciences-Po) 1999. 4 Zur Rückkehr von Abraham Serfaty, siehe Christine Daure-Serfaty, „Lettre du Maroc“, Paris (Stock) 2000. 5 Abderrahmane Youssoufi, „Abd-el-Krim et la République du Rif“, Paris (François Maspéro) 1976, S. 8. 6 Siehe Zakya Daoud, „Die neue Regierung hat Angst vor dem Bruch“, Le Monde diplomatique, April 1999. 7 Siehe Mohamed Tozy, „Qui sont les Islamistes au Maroc?“, Le Monde diplomatique, August 1999. 8 Der vollständige Text des Memorandums ist im Internet zugänglich unter http://www.yassine.net/lettres/ind_memorandum.htm. 9 Adresse: 9, rue Taza, Tour Hassan, 10 000 Rabat, Marokko. Alamana@alamana.org 10 Kürzlich ist die Auflage von Le Journal, einer französischsprachigen Wochenzeitung von hohem journalistischem Niveau, beschlagnahmt worden, weil das Blatt ein kurzes Interview mit Mohamed Abdelaziz abgedruckt hatte. Abdelaziz ist der Führer der Frente Polisario und Präsident der Demokratischen Arabischen Republik Sahara, die weder von Marokko noch von den Vereinten Nationen anerkannt wird. 11 Neben Le Journal waren in jüngster Zeit auch andere Publikationen von Zensurmaßnahmen betroffen, insbesondere die arabische Wochenzeitung Assahifa und das französischsprachige Wochenblatt Demain. Drei leitende Mitarbeiter des zweiten Fernsehprogramms (2 M), sind entlassen worden. Und das Buch von Christine Daure-Serfaty, Lettre du Maroc (s. o.) darf bislang in Marokko nicht verkauft werden. 12 El País (Madrid), 21. Mai 2000.

Le Monde diplomatique vom 14.07.2000, von IGNACIO RAMONET