11.08.2000

Lernen von Las Vegas

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Lernen von Las Vegas

IN seinen Anfängen war Las Vegas, die Vergnügungsoase in der Wüste Nevadas, vor allem als Heiratsparadies bekannt. Heute ist es eine unablässig wachsende Metropole mit drei Millionen Hotelbetten. Eine Stadt, die sich ständig neu erfindet, wo man Hotels, die noch gar nicht lange stehen, in die Luft sprengt, um neue und größere hinzustellen. Angekurbelt wird die Vergnügungsindustrie durch Steuerfreiheit und radikale Deregulierung, durch Abzockerei und großzügige Trinkgelder, durch Militärbasen und, nicht zuletzt, durch die Mafia.

Von IBRAHIM WARDE *

„Welcome to FABULOUS Las Vegas“ heißt es auf der Leuchtschrift, mit der die „fabelhafte“ Stadt ihre Besucher begrüßt. 33 Millionen sind es jedes Jahr. Las Vegas wächst in atemberaubendem Tempo: In den letzten zehn Jahren ist die Einwohnerzahl um 50 Prozent auf 1,3 Millionen angestiegen. Der jüngste Wandel, den die Welthauptstadt der Unterhaltung durchlaufen hat, brachte einen beispiellosen Zuwachs an Arbeitsplätzen.

1829 war ein Reisender namens Rafael Rivera in der endlos weiten Wüste von Nevada auf eine Oase gestoßen, die er Las Vegas („die Wiesen“) taufte. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Ort zum Stützpunkt von Prospektoren, die nach Bodenschätzen suchten. Außerdem ließen sich hier viele Mormonen nieder.1 Wenn nicht am Ende des 19. Jahrhunderts die Eisenbahnstrecke von der Ost- zur Westküste durch die neue Ansiedlung geführt worden wäre, hätte Las Vegas ohne weiteres zu einer der vielen Geisterstädte in der Gegend werden können.

Seinen Ruf als „Stadt der Sünde“ verdankt Las Vegas den ungewöhnlich freizügigen Gesetzen, die im Staate Nevada für Glücksspiel, Prostitution und Ehescheidung eingeführt wurden. Schon 1931, als im puritanischen Amerika noch die Prohibition herrschte, war in Nevada das Kartenspielen um Geld zugelassen. Und in dreizehn seiner siebzehn Countys warteten Freudenhäuser auf die Besucher.2

Zum Anziehungspunkt wurde Las Vegas auch dadurch, dass man sich so einfach scheiden lassen konnte. Das lockte alle an, die auf die Schnelle eine Ehe schließen oder wieder auflösen wollten. Eine der 250 „Trauungskapellen“ hat immer einen Termin frei. Dazu gehören auch die Drive-in-Etablissements, wo man nicht einmal aus dem Auto steigen muss, um sich das Jawort zu geben. Das Serviceangebot ist umfassend: der Geistliche, die Trauzeugen, die Musiker, alles vorhanden, und als regionale Spezialität kann sogar ein Elvis-Presley-Doppelgänger angeheuert werden. Im Schnitt findet alle fünf Minuten eine Hochzeit und alle 45 Minuten eine Scheidung statt.

Das moderne Las Vegas hat seinen Ursprung im Jahre 1946, als der Gangster Benjamin „Bugsy“ Siegel das Hotel Flamingo bauen ließ.3 Seitdem entwickelte sich die von der Unterwelt kontrollierte Stadt zur Legende (an der dann auch Hollywood mitgestrickt hat): als Inbegriff des amerikanischen Glamour, als Ort der großen Auftritte (und Skandale) von Stars wie Elvis Presley und Frank Sinatra.

In den Sechzigerjahren versuchte Nevada, durch eine Kampfansage an die Mafia sein Image aufzubessern. Auf dem Gipfelpunkt dieser Kampagne wurde Frank Sinatra – dem man Verbindungen zur Unterwelt nachsagte – von der Kontrollbehörde für Glücksspiele untersagt, ein Casino zu kaufen. Andere Investoren wie der Hotelkonzern Hilton und der exzentrische Milliardär Howard Hughes konnten sich mit Brachialmethoden etablieren. Der Einfluss der Mafia ist inzwischen geringer geworden, aber keineswegs gänzlich verschwunden. Oscar Goodman etwa, der 1999 zum Bürgermeister von Las Vegas gewählt wurde, hat sich seinen Aufstieg wie sein Vermögen als Anwalt der „Familien“ des organisierten Verbrechens erarbeitet.

Sündenbabel und Datenverarbeitungszentrum

SEIT seiner Gründung pflegt Las Vegas das Image einer typischen Stadt des „Far West“ und der rauhen Pioniere; aber auch die amerikanische Bundesregierung hat zu ihrem Wohlstand einiges beigetragen. Der Bau des nahe bei Las Vegas gelegenen Hoover-Staudamms – eines der Prestigeprojekte des New Deal – brachte für den gesamten Südwesten der USA einen gewaltigen Entwicklungsschub. Und die Bändigung des Colorado River bewahrte Las Vegas vor dem Austrocknen, in physischer wie in finanzieller Hinsicht. Der durch den Staudamm entstandene Lake Mead ist der größte künstliche See der USA. Er versorgt die riesigen Springbrunnen, Schwimmbäder und sonstigen Wasserspielereien, die heute in der Wüste von Nevada zu bestaunen sind.

Einen stattlichen Zufluss bezieht der dünn besiedelte Flächenstaat auch aus einer anderen Quelle: dem US-Verteidigungshaushalt. Gleich jenseits der Stadtgrenze von Las Vegas fällt die Präsenz des Militärs ins Auge. Da gibt es die Militärbasis Nellis, oder das riesige Atomtest-Areal, und, nicht zu vergessen, die geheimnisvolle „Area 51“: ein Sperrgebiet, das die Liebhaber der populären Fernsehserie „Akte X“ ins Phantasieren bringt. Selbst der internationale Flughafen von Las Vegas, der nach dem Passagieraufkommen der siebtgrößte der USA ist und weltweit an dreizehnter Stelle steht, wurde 1926 ursprünglich für die Armee gebaut.

Das Quasi-Monopol für Glücksspiele, das Las Vegas für die USA genoss, begann sich seit Ende der Siebzigerjahre aufzulösen. 1978 wurden Spiele um Geld auch in Atlantic City, im Bundesstaat New Jersey, zugelassen; zehn Jahre später erlaubte ein Bundesgesetz den Betrieb von Casinos in den Indianerreservaten. Zudem bekam Las Vegas die wirtschaftliche Rezession in den Jahren 1979 bis 1982 deutlich zu spüren. Also musste man sich nach neuen Einnahmequellen umsehen.

Im Jahre 1984 gelang es, die größte Bank der USA in die Stadt zu holen: Citibank errichtete in Las Vegas eine seiner größten Datenverarbeitungszentralen. Dazu musste man zunächst die gesetzlichen Bestimmungen ändern, die es Banken mit Sitz in anderen Bundesstaaten untersagten, Filialen in Nevada zu eröffnen. Um ihre Kunden nicht zu verstören, sorgte Citibank dafür, dass als Postadresse ihrer Niederlassung (die 1 700 Mitarbeiter beschäftigt) nicht das Sündenbabel Las Vegas auftauchte, sondern das idyllische „The Lakes, Nevada“.

Auch andere Unternehmen machten Las Vegas zum Standort für ihre Datenverarbeitungs- oder Kundendienstzentralen. Die Ansiedlung in Nevada bietet ihnen in der Tat eine Reihe von Vorteilen: Steuerfreiheit, ein Laissez-faire-Umfeld, reichlich Arbeitskräfte und niedrige Lebenshaltungskosten. Und vor allem die so genannte 24/7-Mentalität4 : Wo alles rund um die Uhr und die ganze Woche über geöffnet ist, zeigen die Beschäftigten eine besonders hohe Bereitschaft zur „Flexibilität“. In einer Stadt, die niemals schläft und keine Uhren kennt, hat niemand etwas gegen Nachtarbeit oder Überstunden einzuwenden. Es gibt kaum Unternehmen mit beschränkten Öffnungszeiten, für die Angestellten gibt es drei Schichten: die „daytime shift“ (von 12 Uhr mittags bis 20 Uhr), die „swingshift“ (von 20 Uhr bis 4 Uhr morgens) und die „graveyard shift“ (von 4 Uhr bis 12 Uhr).

Mit der Einweihung des Mirage Hotels, eines riesigen Komplexes mit 3 044 Zimmern, begann am 22. November 1989 eine neue Ära. Steve Wynn, der Betreiber des Projekts, hatte hoch gepokert und die Finanzierung über „Junk Bonds“ ermöglicht, wobei sein Komplize Michael Milken die wertlosen Papiere unter die Leute gebracht hatte.5 Aber die Rechnung ging auf. Das Konzept von Wynn sah so aus: Las Vegas muss Unterhaltung der vielfältigsten Art bieten, nicht nur für Erwachsene, sondern für die ganze Familie, und die Hotels müssen jede Art von Attraktion und Dienstleistung im Angebot haben, bis hin zu Hochzeitskapellen, damit ihre Gäste die meiste Zeit innerhalb des Hauses verbringen.6 Als neue Sensation gab es etwa einen Vulkan vor dem Hoteleingang, vor dem sich Kinder jeden Alters alle halbe Stunde auf einen Ausbruch freuen können.

In den Neunzigerjahren änderte der „Strip“, die fünf Kilometer lange Hauptstraße von Las Vegas, sein Gesicht. Nach dem Vorbild des Mirage Hotels entstanden weitere Hotel-Großprojekte im Stil der so genannten Themenparks: Das Mandalay Bay (3 300 Zimmer) bietet ein tropisches Urlaubsparadies mit Lagune, Wellenbad und Sandstrand, die pharaonischen Dimensionen des „Luxor“ (4 427 Zimmer) werden noch vom „MGM Grand“ übertroffen, das mit seinen 5 005 Zimmern den Anspruch erhebt, das größte Hotel der Welt zu sein. Nicht zu vergessen das „Paris-Las Vegas“ (2 916 Zimmer und 295 Suiten), eine angebliche Hommage der Stadt der Neonreklamen an die Lichterstadt Paris. Das Rezept der großen Hotelketten lautet also: Man nehme eine Portion verkürzte Geschichte, füge ein bisschen Geografie und dann nur noch eine ordentliche Dosis Mythologie hinzu.

So bietet das „Paris-Las Vegas“, das im September 1999 eröffnet wurde (Baukosten 790 Millionen Dollar), seinen Gästen ein Frankreich in Kleinstformat, revidiert durch die Optik von Hollywood. Der französische Sprachschatz der 4 000 Angestellten (die wie zu Zeiten der Revolution als „citoyens“ bezeichnet werden) beschränkt sich auf ein „Bonjour“, das dem Gast bei jeder Gelegenheit an den Kopf geworfen wird, besonders kühne Kellner fügen sogar noch ein „Comment ça va?“ hinzu. Da gibt es Polizisten mit dem klassischen Käppi, Akkordeonspieler und einen Baguette-Ausfahrer, der mit einem roten Dreirad unter dem künstlichen bewölkten Himmel unterwegs ist. Auf den Hinweisschildern steht „le car rental“ oder „les show tickets“. Nicht weniger eindrucksvoll sind die „authentischen“ Repliken: Vom Eiffelturm im halben Format (mit 164 Meter Höhe) kann man auf Las Vegas hinuntersehen, den Arc de Triomphe, das Hôtel de Ville, die Oper und den Pont Alexandre III.

Auf diese Weise kann man innerhalb weniger Stunden und ohne Las Vegas zu verlassen am Hofe von König Artus und seinen Rittern der Tafelrunde verweilen, sich auf einem römischen Forum ergehen, Paris, New York oder Monte Carlo „kennen lernen“. Ja man kann sogar den Canale Grande von Venedig befahren, in einer Gondel mit einem singenden Gondoliere, der mit rotem Halstuch, roter Matrosenbluse und Strohhut ausgestattet ist. Im Angebot sind auch noch Zirkusnummern, russische Gebirgsszenerien und viele andere Vergnügungen. Am Abend kann man auswählen zwischen dem Kampf des Zauberers Merlin gegen einen Drachen, einer Seeschlacht mit Piraten, die ein Schiff entern, diversen Sciencefiction-Szenen und noch etlichem mehr. Mit solcher Gigantomanie, einer überwältigenden Vielfalt und einer Orgie von Special Effects, die sich aller Sinne zugleich bemächtigen, hat es Las Vegas geschafft, sich seine Position als Welthauptstadt der Unterhaltung zurückzuerobern.

Dieser „New Look“ war zwar mit groß angelegten „Säuberungsaktionen“ verbunden, doch Downtown, in den alten Stadtvierteln, kann der Besucher sich davon überzeugen, dass Las Vegas den Ruch der Sünde noch nicht verloren hat. Hier erinnert noch vieles an die kecke Stadt von einst mit ihrer Goldrausch-Atmosphäre. Vom schäbigen alten Las Vegas, das mit sozialen Problemen, mit Alkoholismus und hohen Selbstmordraten zu kämpfen hat, bekommen die Touristen freilich nichts zu sehen.7 Aber die Zahl der Übernachtungen nimmt ständig zu: Allein in den vergangenen zehn Jahren sind rund 50 000 Hotelzimmer dazugekommen, zudem hat sich Las Vegas mittlerweile zum bedeutenden Ausstellungs- und Kongresszentrum entwickelt. Wenn hier alljährlich die Consumer Electronics Show (die größte Messe der Unterhaltungselektronik) oder die Comdex (die größte Messe der Informations- und Datenverarbeitungstechnologie) stattfindet, sind die Hotels bis aufs letzte Zimmer ausgebucht.

Trotz der neuen Branchen ist das Glücksspiel in allen seinen Formen für Las Vegas nach wie vor die Haupteinnahmequelle. Die jährlich 33 Millionen Besucher lassen durchschnittlich 500 Dollar pro Kopf am Spieltisch. Und die Hotels und Casinos entwickeln immer neue Ideen, wie sie ihren Gästen das Geld aus der Tasche ziehen können. Von Schulen und Krankenhäusern abgesehen, gibt es kaum einen Ort ohne Geldspielautomaten, die berühmten „einarmigen Banditen“. Sie nähren allenthalben, ob auf dem Flughafen oder an Tankstellen, die Illusion vom ganz großen Gewinn. In den Hotelzimmern präsentiert ein eigener Fernsehkanal Einführungskurse zu den diversen Spielen, die das Haus zu bieten hat: Blackjack, Würfelspiele, Baccara, Keno usw., wobei enorme Gewinnchancen vorgegaukelt werden. Die Casinos bieten Wetten zu allen erdenklichen Sportveranstaltungen an. Und wer ein Restaurant oder einen Vorführungssaal betritt, kommt stets zuerst durch einen Spielsalon.

Nun ist Amerika berühmt für seine juristischen Finessen, gegen die sich die Casinos absichern müssen. Damit man sie nicht wegen Förderung krimineller Aktivitäten anzeigt, trägt jede der zahlreichen Werbetafeln für ein Glücksspiel nach dem Vorbild der Tabak- oder Alkoholwerbung einen kleingedruckten (kaum lesbaren) Hinweis auf die Gefahren übermäßiger Spielleidenschaft. Wer Geld abhebt, erhält auf dem Kassenbeleg den Rat, dass „zwanghafte Spieler“ sich in psychiatrische Behandlung begeben sollten.

Schöpferische Zerstörung wörtlich genommen

SELBSTREDEND funktioniert ein derart spezifischer Wirtschaftszweig nach eigenen Regeln. In dieser Welt der Illusion sind auch die Preise nicht, was sie scheinen. Hotels, Restaurants und Amüsierbetriebe machen unrentable Angebote, um die Kundschaft anzulocken; das entgangene Geld holen sie über ihre Spieltische wieder herein. „Comp“ – was für „complimentary“ steht – ist ein ständig gebrauchter Ausdruck: Wie in alten Mafia-Zeiten werden bestimmte Kunden „freigehalten“, sie müssen zum Beispiel für Essen und Unterkunft nichts bezahlen. Sobald die Einsätze hoch genug sind, gehen auch die alkoholischen Getränke „auf Kosten des Hauses“. Das hält die Spieler am Tisch und sorgt außerdem dafür, dass sie den Überblick verlieren.

Die kleinen Spieler überschüttet man mit „Sonderangeboten“ und kleinen Rabatten, die „high rollers“, die mit großen Einsätzen spielen, können fast alles umsonst haben – vorausgesetzt, ihre Zahlungsfähigkeit ist gesichert. Was man ihnen im Einzelnen anbietet (Getränke, Mahlzeiten, Zimmer oder Suiten, Ausflüge – alles kostenlos) bemisst sich an den Summen, die sie am Spieltisch verlieren könnten. Steinreiche Idioten werden stets als VIPs behandelt: von charmanten Hostessen betreut, in Räumen, die kein gewöhnlicher Sterblicher betreten darf. Überhaupt ist das Personal stets zuvorkommend bis unterwürfig: In einer Stadt, wo die meisten Beschäftigten zu Mindestlöhnen arbeiten, ist man auf die Trinkgelder angewiesen.

Wenn der Gast einmal aus seinem Hotel oder dem Casino herauskommt, erlebt er Las Vegas als eine gigantische Dauerbaustelle. Überall wird renoviert, werden Neubauten hochgezogen und Fassaden umdekoriert. Hier wird Schumpeters „schöpferische Zerstörung“ beim Wort genommen. Auch neuere Hotels, die sich in der Geschichte des Showbiz schon einen Namen gemacht hatten, werden ohne Sentimentalität abgerissen, um Platz zu machen für größere und luxuriösere Etablissements, die dem Zeitgeschmack besser entsprechen. So musste das „Dunes“ dem „Bellagio“ weichen, das „Sands“ wurde durch das „Venetian“ ersetzt, und an der Stelle des „Hacienda“ entstand das „Mandalay“. Es gibt im Übrigen nichts, was sich nicht vermarkten ließe: Wenn eines der großen Hotels gesprengt wird, strömen die Touristen zusammen, denen man das Ereignis wie ein Feuerwerk verkauft.

Mit der Einweihung seines neuesten Hotels hat Steve Wynn, der mächtigste Mann in Las Vegas, den Gipfel seiner Karriere erklommen. Aber zugleich ist er an den Punkt gelangt, an dem sein Imperium zu wanken beginnt. Das „Bellagio“ – benannt nach einem idyllischen Städtchen am Comer See – hat die Kleinigkeit von 1,6 Milliarden Dollar gekostet und beschäftigt 8 000 Angestellte. In der Entwicklung der „Themen-Hotels“ steht es für eine neue Generation: keine Neonreklamen mehr, keine Gäste mit Kindern – Luxus pur. Nirgendwo auf dem „Strip“ gibt es elegantere Restaurants und Boutiquen. Und eine Kunstgalerie wirbt im klassischen Las-Vegas-Stil: „Jetzt im Programm: van Gogh, Monet, Cezanne und Picasso“. Der Eintritt für das Zimmer, in dem das Privatmuseum des Hotelbesitzers untergebracht ist, beträgt zwölf Dollar. Doch die Firmenkette von Steve Wynn ist hoch verschuldet, und die Hauptaktionäre der Aktiengesellschaft „Mirage Resorts“ haben dem Tycoon bereits Misswirtschaft und Veruntreuung vorgeworfen. Vor wenigen Monaten musste Wynn von seinem Posten als Präsident der Gesellschaft zurücktreten und seine Anteile an den Großkonzern MGM verkaufen. Damit ist eine gewaltige Börsenschlacht in Gang gekommen. Das gilt übrigens auch für den Präsidentschaftswahlkampf. Aber für den interessiert man sich kaum in Las Vegas.

dt. Edgar Peinelt

* Professor an der University of California, Berkeley.

Fußnoten: 1 Die Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA begründete „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, eine glaubensstrenge christliche Sekte, war – vor allem wegen ihrer (inzwischen aufgegebenen) Praxis der Polygamie – lange Zeit verfolgt. Ihr „gelobtes Land“, den Stammsitz ihrer Kirche, fanden die Mormonen (so benannt nach dem „Buch Mormon“, ihrer Heiligen Schrift, die ihrem Gründer Joseph Smith 1827 „entdeckt“ wurde) in Salt Lake City, im Nachbarstaat Utah, doch auch in Nevada stellen sie noch immer einen nennenswerten Bevölkerungsanteil. Ihr Glauben verbietet Glücksspiel und Alkohol, doch zu ihren weit verzweigten Geschäften gehören auch Hotelketten und Spielcasinos. 2 Clark County, in dem Las Vegas liegt, gehörte zu den vier Landkreisen, in denen theoretisch die Prostitution verboten war, aber es gab genug Bordelle, „cat houses“ genannt, im benachbarten Nye County. 3 Bugsy Siegel wurde 1947 ermordet. Das Leben des Gangsters und die Entstehung des modernen Las Vegas erzählt der Film „Bugsy“ (1991) von und mit Warren Beatty. „Casino“ (1995) von Martin Scorsese ist ein großes Epos über die Herrschaft der Mafia in der Stadt. Oscar Goodman, der heutige Bürgermeister von Las Vegas, tritt in diesem Film in der Rolle auf, die er damals in der Stadt spielte – als Mafia-Anwalt. 4 Andrés Martinez, „24/7: Living It Up and Doubling Down in the New Las Vegas“, New York (Villard Books) 1999. 5 Siehe „Michael Milken, ange et martyr“, Le Monde diplomatique, August 1993. 6 Pete Earley, „Super Casino: Inside the New Las Vegas“, New York (Bantam) 2000. 7 David Littlejohn (Hrsg.), „The Real Las Vegas: Life Beyond the Strip“, Oxford University Press 1999.

Le Monde diplomatique vom 11.08.2000, von IBRAHIM WARDE