Ausländer in der Elfenbeinküste
IN der Elfenbeinküste werden die „Einwohner ausländischer Nationalität“, wie es im offiziellen Sprachgebrauch heißt, auf 3 Millionen Personen geschätzt. Hinzu kommen weitere 2 Millionen mit ausländischer Abstammung, das macht insgesamt etwa 30 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Einwanderungsfrage ist also nicht neu. In der Vergangenheit führte sie sporadisch zu Konflikten (1958, 1969, 1993)1 , politisch instrumentalisiert wurde sie erst in jüngster Zeit.
Während der Amtszeit von Präsident Henri Konan-Bédié, der am 24. Dezember 1999 von den Militärs gestürzt wurde, hat sich der Begriff „Ivoirité“2 im politischen Diskurs durchgesetzt und die vielerorts schon existierende Fremdenfeindlichkeit insofern legitimiert, als er auf die Beschränkung der Rechte von „Wahl- und Zufallsivorern“ zielt.
Die Abstempelung zum „Bürger zweiter Klasse“ macht sich auch im Alltagsleben schmerzhaft bemerkbar. So wurde etwa der Preis für die jährliche Aufenthaltsgenehmigung drastisch erhöht. Die ungleiche Behandlung ist vor allem auf dem Arbeitsmarkt spürbar. Vor allem bei der Vergabe höher qualifizierter Stellen muss der Arbeitgeber das Gebot „vorzugsweise einheimisch“ befolgen und im Zweifel begründen, warum kompetente Ivorer nicht verfügbar sind. Ein Posten im öffentlichen Dienst ist ohne ivorische Staatsbürgerschaft undenkbar, die Einbürgerung in der Regel jedoch äußerst kompliziert.
DIE Rhetorik der „Ivoirité“ speist sich auch aus der Angst vor einem Zugriff der Fremden auf nationale Ressourcen, obwohl ein solcher Zugriff nur höchst selektiv möglich ist. In geschlossenen dörflichen Milieus können die Einwanderer aus Mali oder Burkina Faso ohnehin kaum Fuß fassen. Sie konzentrieren sich daher auf die von den Einheimischen vernachlässigten Bereiche, etwa auf den stadtnahen Gemüseanbau, die Binnenfischerei und den Handel mit Rindfleisch oder getrocknetem Fisch. Solche Aktivitäten haben sich in der Krise bei steigender Nachfrage nach lokalen Konsumartikeln als rentabel erwiesen. Das erzeugt bei den Einheimischen das Gefühl, man habe sie um ihren Besitz gebracht.
Konflikte um die Ausbeutung schwindender Ressourcen gibt es nicht nur in der zentrale Zone der Elfenbeinküste. So wurden in der Umgebung von Tabou im November 1999 fast 20 000 burkinische Hilfsarbeiter mit ihren Familien vertrieben. Angesichts der vielfältigen und heftigen Spannungen zwischen autochthonen Bauern (30 Prozent), angesiedelten Pflanzern der Baule-Gruppe (37 Prozent) und nichtivorischen Siedlern (33 Prozent) in begrenzten Nutzungsräumen war diese dramatische Zuspitzung allerdings leicht voraussehbar.
PIERRE JANIN