Eine Kommission unter Einfluss
DIE UN-Entschädigungskommission (UNCC)1 , ein Nebenorgan des UN-Sicherheitsrats, fußt auf der Resolution 687 vom 3. April 1991. Dort heißt es in Absatz 16: „Unbeschadet der vor dem 2. August 1990 aufgelaufenen Schulden und Verpflichtungen, die auf dem üblichen Wege geregelt werden, ist der Irak kraft internationalen Rechts haftbar für alle Verluste, alle Schäden, einschließlich der Umweltschäden und der willentlichen Vergeudung natürlicher Ressourcen, sowie für alle Beeinträchtigungen, die andere Staaten, natürliche Personen und ausländische Gesellschaften erlitten, sofern diese Verluste, Schäden und Beeinträchtigungen als unmittelbare Folge der irakischen Invasion und Besetzung Kuwaits entstanden.“ In Absatz 18 beschloss der Sicherheitsrat, „einen Entschädigungsfonds für die in Absatz 16 angesprochenen Schäden und Beeinträchtigungen sowie eine mit der Verwaltung dieses Fonds beauftragte Kommission zu gründen“. Gründungsdokument der in Genf ansässigen Kommission ist die Resolution 692 des Sicherheitsrats vom 20. Mai 1991. Sie reserviert 30 Prozent der irakischen Einnahmen aus dem Export von Erdöl und Erdölprodukten für die Finanzierung der Entschädigungszahlungen und der Kommissionsarbeit. Größere Summen flossen der Kommission aber erst ab Dezember 1996 zu, als das Programm „Erdöl gegen Lebensmittel“ in Kraft trat. Bis Juli 2000 erhielt die Kommission 11 Milliarden Dollar, wovon sie bis September dieses Jahres rund 8 Milliarden ausgegeben hatte.
Die Organe der Kommission
Der Verwaltungsrat (Governing Council) bestimmt im Rahmen der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats die Politik der Kommission. Er beschließt auf Vorschlag der Kommissare die Höhe der Entschädigungszahlungen. Berufung ist nicht möglich. Der Rat besteht aus den fünfzehn Mitgliedern des Sicherheitsrats. Die nichtständigen Mitglieder werden für zwei Jahre ernannt. Kein Staat hat ein Vetorecht, Entscheidungen erfordern eine qualifizierte Mehrheit von neun Stimmen. Der Rat tritt viermal im Jahr zusammen. Sein Budget belief sich 1998 und 1999 auf jeweils 82,3 Millionen Dollar und wird in den Jahren 2000 und 2001 voraussichtlich die 100-Millionen-Dollar-Marke erreichen. Im Juli 2003 soll die Arbeit abgeschlossen sein. Der Rat hat finanzielle Reserven angelegt, um die Arbeit der Kommission bis dahin zu gewährleisten. Die erste Zusammenkunft des Verwaltungsrats fand vom 23. Juli bis zum 2. August 1991 statt.
Die 54 Kommissare (Commissioners) – Völkerrechtler, Finanz-, Versicherungs- und Buchhaltungsexperten – stammen aus 40 Ländern und werden für eine begrenzte Zeit ernannt. Das Exekutivsekretariat wählt die Anwärter aus einer Liste aus, die der UN-Generalsekretär vorschlägt. Der UNCC-Generalsekretär bestätigt die Auswahl, und der Verwaltungsrat entscheidet über die Nominierung. Die aus jeweils drei Kommissaren bestehenden 18 Kommissionen (panels) – manche haben ihre Arbeit bereits abgeschlossen – sind für jeweils eine der Antragskategorien A-F (die wiederum in Unterkategorien zerfallen ) zuständig und arbeiten hierfür Entschädigungsvorschläge aus. Während die Anträge der Kategorien B, D, E und F Fall für Fall geprüft werden, kommen in den Kategorien A und C vereinfachte Verfahren und statistische Modelle zur Anwendung. Da die Kommissare nur unregelmäßig in Genf sind, hat ihnen das Exekutivsekretariat „Experten“ zur Seite gestellt, die die Hauptarbeit erledigen. Die Entschädigungsvorschläge, die die Kommissionen dem Verwaltungsrat unterbreiten, wurden von diesem fast immer angenommen. Der Generalsekretär ernennt nach Rücksprache mit dem Verwaltungsrat den Exekutivsekretär. Das von ihm geleitete Sekretariat besteht aus 240 Personen aus 60 Ländern. Sie erledigen die tägliche Verwaltungsarbeit und bereiten die Dossiers für die Kommissare vor. Die eigentliche Macht liegt in den Händen des Exekutivsekretärs. Von Anfang an haben die Vertreter der USA hier ihren Einfluss geltend gemacht und die „Richtlinien“ seiner Arbeit bestimmt. Verkehrssprache ist Englisch, was den Irak nötigt, sämtliche Dokumente übersetzen zu lassen.
Die Entschädigungsanträge
Die Kommission hat 2,6 Millionen Anträge über eine Gesamtsumme von 320 Milliarden Dollar erhalten.2 Die Anträge von Einzelpersonen fallen in die Kategorien A-D, die Anträge von Unternehmen in die Kategorie E, die Anträge von Regierungen in die Kategorie F. Alle Anträge der verschiedenen Kategorien laufen bei den betreffenden nationalen Regierungen zusammen. Der Verwaltungsrat hat beschlossen, dass neben der eigentlichen Entschädigungszahlung für den Zeitraum zwischen Schadenseintritt und Entschädigung Zinsen fällig werden, „zu einem Zinssatz, der ausreicht, um die Antragsteller für den Verlust zu entschädigen, der ihnen durch die Nichtverfügbarkeit der Hauptsumme in diesem Zeitraum entstand“. Die Zinsen werden erst nach Zahlung der Hauptsumme fällig. Noch nicht entschieden ist die Frage, ob die Antragsteller der Kategorien D-F die Anwaltskosten für die Zusammenstellung ihrer Dossiers geltend machen können. Rund einhundert Regierungen haben einen Entschädigungsantrag gestellt.
Die Antragskategorien
Kategorie A: Personen, die gezwungen waren, den Irak oder Kuwait zu verlassen (920 000 Anträge).
Kategorie B: Personen, die schwere Verletzungen erlitten oder einen Familienangehörigen verloren (6000 Anträge).
Kategorie C: Anträge von Privatpersonen über weniger als 100 000 Dollar (1 660 000 Anträge).
Kategorie D: Anträge von Privatpersonen über mehr als 100 000 Dollar (10 700 Anträge).
Kategorie E: Anträge von Unternehmen (5840 Anträge).
Kategorie F: Anträge von Regierungen und internationalen Organisationen (431 Anträge, darunter 134, die gleichzeitig in die Kategorie E fallen).
Von den insgesamt 2,6 Millionen Anträgen wurden bisher 2,5 Millionen bearbeitet: 1,5 Millionen Antragsteller erhielten einen positiven Bescheid über eine Gesamtsumme von 13 Milliarden Dollar. Die Entschädigung der Kategorien A und C wurde im September dieses Jahres abgeschlossen. Festzuhalten bleibt, dass in diese Kategorien das Gros der Anträge fiel, die Entschädigungssumme sich aber nur auf 12,5 Millarden von insgesamt 320 Milliarden Dollar belief.
A. G.