13.10.2000

Berichte ohne Folgen

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Berichte ohne Folgen

DIE UN-Entschädigungskommission „hat keine zusätzlichen Anstrengungen unternommen, um die finanziellen Auswirkungen der festgestellten Irrtümer zu evaluieren. Angesichts der möglichen Auswirkungen auf die Höhe der Entschädigungszahlungen [sind wir der Ansicht], „dass die Kommission mit Blick auf Irrtümer, die Konsequenzen für die Höhe der Entschädigungszahlungen haben, strengere Regeln festlegen sollte.“ Im Klartext: Die Antragsteller wurden zu hoch entschädigt, und die Kommission kümmert sich nicht darum. Zu diesem Schluss jedenfalls gelangt ein im Auftrag der Vereinten Nationen erstellter Audit-Bericht unter Federführung des Briten David Woodward aus dem Jahr 1998 (Official Records, A/53/5, United Nations, New York 1998).

Wie der Bericht ausführt, stützt sich die UNCC bei ihren Berechnungen vielfach auf Angaben der nationalen Regierungen, die dafür zuständig sind, die Anträge ihrer Staatsbürger zu sammeln. Da die Regierungen bis zu 1,5 Prozent der erhaltenen Zahlungen einbehalten dürfen – in den Kategorien D-F sogar bis zu 3 Prozent –, liegt es durchaus in ihrem Interesse, die Zahlen nach oben zu „frisieren“, was verschiedentlich denn auch der Fall war.

Die Verfasser des Berichts weisen darauf hin, dass die Anträge der Kategorien A und C (siehe Kasten auf S. 7) „es nicht erforderten, die Namen und Identifikationsnummern aller Familienmitglieder, die einen Antrag stellten, anzugeben. [...] Die Kommission war daher nicht in der Lage, Fälle aufzudecken, in denen beide Ehepartner denselben Schaden geltend machten.“ Die Verfasser des Audit-Berichts „stellten fest, daß die Beweisstücke, die die Antragsteller der Kategorie A beibrachten, im Allgemeinen von sehr geringer Qualität waren“. Eine Stichprobenuntersuchung von 60 Anträgen ergab folgendes:

5 Prozent der Anträge waren durch keinerlei Belege gestützt. In 26 der 32 Fälle (81 Prozent), bei denen es um den Verlust persönlichen Eigentums ging, fehlte jeder Eigentumsnachweis (Quittungen oder Rechnungen).

15 der 24 Antragsteller (59 Prozent), die Lohneinbußen geltend machten, brachten weder eine Lohnbescheinigung noch einen Arbeitsvertrag oder ähnliches bei.

21 der 23 Entschädigungsanträge (91 Prozent) wegen „forced hiding“ (Notwendigkeit, sich während der Besetzung zu verstecken) oder rechtswidriger Inhaftierung stützen sich einzig und allein auf nicht überprüfte persönliche Erklärungen.

Dennoch wurden sämtliche Entschädigungsanträge bewilligt. Gravierender noch war, was die statistischen Daten über die Anträge der Kategorie C offenbarten: Bei 43 Prozent „der von einer bestimmten Regierung vorgelegten Anträge wichen die Computerdaten in wenigstens einem Punkt von den Angaben auf dem Antragsformular ab“. Eine weitere Stichprobe ergab „ein inakzeptables Fehlerniveau in der ersten Klasse der C-Anträge: Rund 40 000 der 165 000 Anträge dieser Klasse waren fehlerhaft.“ Worauf der Bericht nicht hinweist: Das mit der Datenerfassung beauftragte indische Unternehmen Datamatics hatte eine Fehlersicherheit von 99,98 Prozent zugesichert. Der Vertrag des Unternehmens wurde trotz des Fiaskos verlängert. Einzige Anweisung: Das Unternehmen solle dafür sorgen, dass die Zahlungen steigen.

In jeder anderen Institution, die sich solche Kritik gefallen lassen muss – die für den Zweck der Veröffentlichung sicherlich abgemildert wurde –, wären Köpfe gerollt. Die Frage ist nur, ob die Verantwortlichen der Vereinten Nationen die von ihnen in Auftrag gegebenen Berichte noch lesen.

A. G.

Le Monde diplomatique vom 13.10.2000, von A. G.