Vier Milliarden
DREI Erkenntnisse sind für die Wahlkampffinanzierung in den Vereinigten Staaten wichtig: Die Beträge steigen galoppierend, der Geldsegen kommt aus Unternehmerhand, die Spendenfreudigkeit ist nicht uneigennützig.
In jedem Wahlkampf werden die Rekorde des vorangegangenen übertroffen: 1 Milliarde Dollar 1992, über 2 Milliarden 1996, 3 bis 4 Milliarden 2000. Allein die beiden politisch-medialen Wahlkampfparteitage im vergangenen Sommer – der republikanische in Philadelphia und der demokratische in Los Angeles – kosteten die doppelte Summe des Jahresbudgets von Mali (ein Staat von 11 Millionen Einwohnern).
Obwohl sich die Partei von Clinton und Gore als Arbeitnehmerpartei aufspielt, stammten 75,2 Prozent der diesjährigen Wahlkampfeinnahmen des demokratischen Wahlkomitees aus den Kassen der Großunternehmen und nicht der Gewerkschaften. Gore wurde vor allem von Occidental Petroleum, Bell South, den Hollywood-Studios und der Rechtsanwaltslobby verwöhnt. Bush wiederum ist das Lieblingskind der Produzenten von militärischem Gerät und der Versicherungsgesellschaften.
Viele Multis können sich nicht entscheiden, welches Parteiprogramm ihnen wohlgesonnener ist, und setzen deshalb auf beide. Bill Gates, dessen politische Investitionen sich nachgerade explosiv vermehrt haben, war sorgsam darauf bedacht, dass Microsoft in jedem Fall einen Freund im Weißen Haus hat – und das Weiße Haus einen Freund in Microsoft. An der Wall Street favorisiert Paine Webber die Republikaner, Goldman Sachs die Demokraten, während das Herz der Citygroup so sehr hin- und herschwankte, dass die Bank den Ersteren 567 000, den Letzteren 552 000 Dollar überreichte.1
Das Magazin Time zog folgendes Fazit: „Wer gezahlt hat, wurde von Washington stets zuvorkommender behandelt als diejenigen, die nicht gezahlt haben.“2 Die Amerikaner, die den Löwenanteil der Wahlkampfkosten bestreiten, machen nur 0,1 Prozent der Bevölkerung aus; dafür haben sie stets einen heißen Draht in den Kongress und zur Regierung. Die Kommunikationsindustrie, die in den nächsten vier Jahren 200 Milliarden Dollar investieren will, überwies den beiden Hauptkandidaten 27 Millionen Dollar. Um in die Zukunft zu investieren? Für geleistete Dienste? Die Politologen schwanken noch.
Innerhalb der letzten zwei Jahre stieg das Vermögen der 400 reichsten Amerikaner um durchschnittlich 940 Millionen Dollar pro Person. Der ein oder andere nutzte die Gelegenheit, um einen Ausflug in die Politik zu machen. Der ehemalige Chef der Broker-Firma Goldman Sachs, Jon Corzine, der einst zu beschäftigt war, um wählen zu gehen, leistet sich nunmehr einen Senatorensitz in New Jersey. Kostenpunkt: 60 Millionen Dollar, die er aus seinem Privatvermögen bestritt. Ein historischer Rekord, der etwa den Wahlkampfausgaben aller französischen Abgeordneten bei den letzten Parlamentswahlen entspricht. Herr Corzine kandidierte übrigens für die Demokratische Partei.
Die Investitionen erweisen sich als effizient: 92 Prozent der Abgeordneten im Repräsentantenhaus und 88 Prozent der Senatoren haben im Wahlkampf mehr Geld ausgegeben als ihre Rivalen. In vielen Fällen hängt ihr finanzieller Vorteil damit zusammen, dass sie bereits im Kongress sitzen – 95 Prozent der Kongressabgeordneten werden wiedergewählt – mithin also bereits einige Dienste leisten konnten, die sich für sie bezahlt machen.
Dank dieser reichlich fließenden Gelder durften die Amerikaner dieses Jahr für eine Milliarde Dollar mehr Werbung konsumieren. Die Wahlkampfwerbung rangiert bei den Werbeeinnahmen der Fernsehanstalten inzwischen an dritter Stelle. Der Zufall will es, dass die Medien die amerikanische Politik sehr demokratisch finden. Und der Oberste Gerichtshof meint, eine strengere Gesetzgebung in Sachen Wahlkampffinanzierung gefährde die Meinungsfreiheit.
SERGE HALIMI