Mein Name sei Euro
Im Unterschied zum US-Dollar ist der Euro, der am 1. Januar zum anfassbaren Zahlungsmittel wird, ganz ein Kind der materiellen Welt. Politisch gesehen ist er auch ein Produkt des Mauerfalls: Die gemeinsame europäische Währung sollte die Furcht vor einem übermächtigen Deutschland eindämmen. Vielleicht auch deshalb weist er keinen symbolischen „Überschuss“ auf. Der Euro hat nichts, was „gemeinschaftsbildend“ wirken könnte. Auf den Banknoten sind Tore und Brücken abgebildet, aber sie führen nicht ins „Euroland“. Der gemeinsame Währungsraum bleibt der abstrakte Raum des Marktes. Und letzter Garant des Geldwerts ist nicht ein föderativer Staat, sondern eine Institution, die niemand Rechenschaft schuldet: die Europäische Zentralbank. Bleibt nur die Hoffnung, mit dem Einheitsgeld werde die politische Einheit schon wachsen. Doch die Geschichte macht keinen Mut. Sie kennt nur das Gegenbeispiel.
Von BRUNO THÉRET *
IM Januar 2002 wird der Euro einem Wirklichkeitstest ausgesetzt, für den er nur schlecht gerüstet ist. Eine „externe“ Währung, die bislang nur auf Finanzmärkten und von Unternehmen im Außenhandel benutzt wurde, nimmt die Form von Geldscheinen und Münzen an, die im täglichen Geschäftsverkehr zirkulieren. Der Euro wird sich allgemein in die Köpfe einpflanzen, also auch in die Köpfe der übergroßen Mehrheit der EU-Bürger, die noch nie mit ausländischem Geld umgegangen sind, die nie die Grenzen ihres Landes verlassen werden und deshalb keinen ersichtlichen Nutzen von der Währungsumstellung zu erwarten haben. Diese Menschen werden die brutale Invasion des europäischen Projekts in ihren Alltag auf kurze Sicht wohl eher als Belästigung denn als Wohltat empfinden.
Welche Vorteile die Einheitswährung auf lange Sicht bringt, hängt von größeren Unwägbarkeiten ab. Man wird diese Vorteile nur schwer erklären können, wenn man nicht genauer zu präzisieren vermag, welche Perspektive der Euro der künftigen Währungsgemeinschaft als politischer wie auch als Wertegemeinschaft gibt. Schließlich besteht die Gefahr, dass beträchtliche unmittelbare Kosten aller Art anfallen werden: psychologische Kosten (Aneignung einer neuen Werteskala und eines neuen Preisgefüges), Transaktionskosten (Zeitverlust an den Kassen, lange Warteschlangen, Gefahr von Diebstahl und Gaunereien), soziale Kosten (Gefahr der Inflation oder der Rezession, wenn die anderen Kosten einen Konsumrückgang bewirken, stärkere soziale Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen, die als Konsumenten wie als Arbeitsuchende ohnehin zu den Schwächsten gehören).
Befremdlicherweise wird dieser Aspekt des Übergangs zum Euro und seiner möglichen Folgen mit einem verschämten Schleier des Schweigens umgeben. Sieht man von einer kleinen Gruppe europäischer Fachleute ab, die sich im Verein mit bestimmten Verbraucherverbänden seit 1997 für diese Probleme engagieren, scheint die Tatsache, dass der Euro das Geld für alle – und nicht nur für die herrschenden Kreise – sein wird, seine Befürworter am wenigsten beschäftigt zu haben. Das belegt selbst noch die Informationsflut, die ständig weiter ansteigt, je näher der Stichtag rückt und je größer die Unruhe in den offiziellen Kreisen wird: Diese Informationen verweisen immer nur auf frühere Arbeiten der Experten, wohingegen die Einführung des Finanz-Euro von einer Fülle von Arbeiten ökonomischer Art begleitet war. Um sich die Probleme klar zu machen, die mit der Einführung der Eurogeldscheine und -münzen auftreten, ist ein Vergleich mit den Greenbacks, also den US-Dollarnoten, hilfreich. Dabei zeigt sich, dass die Eurogeldscheine strikt die reine Wirtschafts-und Finanzdynamik widerspiegeln, die ihrer Einführung zugrunde liegt. Sie zeigen eine kalte, postmoderne Ästhetik der Brücken, Tore und Fenster, die man sorgfältig von jedem Lokalkolorit gereinigt hat, das eine Zuordnung ermöglichen würde. Diese Darstellungen wollen ausschließlich die Kommunikation sowie das Öffnen und Überschreiten von Grenzen symbolisieren.
Es gibt praktisch keine Schrift: lediglich die Bezeichnung EURO (bzw. EYRO als das entsprechende griechische Wort) und die Abkürzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in verschiedenen Sprachen; kein Symbol der Europäischen Gemeinschaft, abgesehen von einer Landkarte; kein politischer Hinweis auf die Gründungsväter und auf die Geschichte; kein Emblem der souveränen Garantie. Wir haben es mit einer rein funktionalen Währung in ihrer ökonomischen Nacktheit zu tun, einem einfachen Instrument des Tauschs, das mit der Vergangenheit aufräumt und sie nicht mit der Zukunft verknüpft, weil es am Willen oder an der Kraft gefehlt hat, sich auf Symbole zu stützen, die den verschiedenen Nationen gemeinsam sind, obwohl diese doch eine Einheit bilden wollen. Die einzige kollektive Dimension dieser Währung drückt sich in ihrem Namen aus: „Euro“ evoziert die Vorstellung „Europa“ genauso, wie „Franc“ „Frankreich“.1
Sehen wir uns nun die Dollarnoten an, wobei uns bewusst ist, dass es sich um Vertreter einer Währung von außerordentlicher Langlebigkeit und Stabilität handelt, die ihre Gestalt seit 90 Jahren nicht geändert hat.2 Was fällt auf? Genau das Gegenteil dessen, was uns der Euro bietet: eine barocke Ästhetik mit esoterischem Einschlag; die Präsenz der föderalen Zahlungsgemeinschaft, und zwar in Worten („The United States of America“, „Federal Reserve Note“, „US Treasury“) und Bildern (Darstellung der amerikanischen Notenbank beziehungsweise des Kapitols); Verweise auf die Gründungsväter (Washington, Hamilton, Lincoln, Grant, Franklin); verschiedene Embleme; die gleich großen Stempel der Federal Reserve (der US-Zentralbank) und des US-Finanzministeriums. Vor allem aber zwei Formeln, in denen die ganze Theorie einer Währung ohne intrinsischen Wert zusammengefasst ist: Auf der Vorderseite ist zu lesen: „This note is legal tender for all debts, public and private“ (Diese Banknote ist gesetzliches Zahlungsmittel für alle öffentlichen und privaten Schulden), und auf der Rückseite: „In God we trust“.
Der erste Satz besagt, dass die moderne Währung von Rechts wegen auf die Schulden bezogen sein muss und nicht nur auf den Warenaustausch. Sie dient also nicht nur zum Begleichen von Schulden, die aus vertraglichen Vereinbarungen (im wesentlichen bei Handelstransaktionen) resultieren. Sie dient auch – und laut Dollaraufdruck zunächst – der Zirkulation und der Begleichung von Schulden, die die öffentliche Gewalt und die Einzelnen verbinden (in Form von Steuern oder von Zinsen für Staatsobligationen). Auf seiner Rückseite belehrt uns der Dollar darüber, dass eine moderne Währung, um Vertrauen auszustrahlen, sich auf eine höhere, souveräne symbolische Autorität beziehen muss, die über dem Staat und damit über der Legalität steht: Diese Autorität ist im Fall der USA als einer auf die Religion gegründeten Gesellschaft eben Gott.
Der Dollar zeigt überdies, dass der Wert der Währung letzten Endes auf einem ethisch begründeten Vertrauen beruht, das ein Gesamtsystem mit Werten ausstattet, die dem Gesellschaftsgefüge ihren institutionellen Zusammenhalt verleihen. Dieses ethische Vertrauen ragt zum einen über das hierarchisch begründete Vertrauen hinaus (auf den Banknoten symbolisiert durch das Wappen der US-Zentralbank und des Finanzministeriums, die ihnen Rechtskraft verleihen). Es reicht aber auch über das methodische Vertrauen hinaus, das sich aus der instrumentellen Funktion der Währung im täglichen Geschäftsablauf ergibt, weshalb dieses Vertrauen von einem Zusammenbruch des hierarchischen oder ethischen Vertrauens nicht beeinträchtigt wird.3
Im Vergleich mit Dollarscheinen, die einen grundlegenden Pakt zwischen den sozialen Beziehungen öffentlichen und privaten Typs symbolisieren, der im Übrigen der Autorität eines Gottes untersteht, dessen Priester die Notenbank und das Finanzministerium sind, tritt das symbolische Defizit der europäischen Währung überaus deutlich zutage. Denn der Euro kann die Brüchigkeit seiner Legitimität jenseits der Marktzirkulation nicht verhehlen, gibt er sich doch als Emanation von vielfältigen Staaten zu erkennen, die noch zögern, politisch zu einer gemeinsamen öffentlichen Ordnung zu verschmelzen. Ist der Euro unter diesen Umständen überhaupt ein Medium, mittels dessen die sozialen Verpflichtungen der Staaten und gleichzeitig ihre finanziellen Verpflichtungen wechselseitig anerkannt werden können? Und welchen Heiligen, welche sonstige moralisch-ethische Autorität könnte man anrufen, um das Vertrauen in seine Dauerhaftigkeit und seine Fähigkeit zur Förderung des Gemeinwohls zu schaffen und zu bewahren?
Im Fall des Euro erscheint nämlich keine der drei Formen des Vertrauens als gesichert. Unsicherheit besteht zunächst über die elementare Form des Vertrauens, die der Routine der Geschäfte entspringt und bewirkt, dass jeder, der die Währung akzeptiert, davon ausgeht, dass alle anderen Mitglieder der Zahlungsgemeinschaft sie ebenfalls unhinterfragt hinnehmen. Dieses Vertrauen, das sich im täglichen Umlauf des Geldes erweisen muss, ist beim Euro erst noch zu schaffen. Es wird sich umso schwerer herstellen, je mehr mit dieser Währung die Assoziation verknüpft ist, sie begünstige betrügerische Machenschaften und komme vor allem denen zugute, die gesellschaftlich ohnehin dominieren. Übrigens bereitet gerade die Ungewissheit, wie rasch sich der routinemäßige Umgang mit dem Euro durchsetzen wird, den Behörden aktuell noch erhebliches Kopfzerbrechen.
Noch kein Vertrauen in die Währung
UNGEWISSHEIT herrscht zweitens auch in der Frage, ob sich ein Vertrauen in die Kraft der offiziellen Währungsinstitutionen herausbildet, die die Haltbarkeit der Währung wie ihre Fähigkeit garantieren, Einzelne und Kollektive von ihren privaten und öffentlichen Schulden freizusetzen. Hier rühren die Zweifel vom Fehlen einer politischen Legitimität der EZB her, denn die ist eine supranationale unabhängige Verwaltungsbehörde ohne gleichrangigen, demokratisch legitimierten Partner – die etwa das US-Finanzministerium für die US-Zentralbank darstellt –, zumal die Errichtung eines Bundesstaates mit gesamteuropäischem Haushalt nicht vorgesehen ist. Deutlich wird dieser Zweifel an der unaufhörlich von außen, aber auch intern geäußerten Kritik an der Politik von EZB-Chef Wim Duisenberg.
Dieses Legitimitätsdefizit rührt daher, dass der Euro – unter Missachtung der meisten historischen Erfahrungen mit einer Währungsvereinheitlichung – keine bereits bestehende Gemeinschaft symbolisiert, die durch Einführung eines eigenen Zahlungsmittels ihre Souveränität bekräftigt. Seine Schaffung ist eher mit dem Auftrag versehen, diese Gemeinschaft sozusagen klammheimlich erst herbeizuführen. Die Unumkehrbarkeit des Prozesses lässt sich deshalb, solange keine wirkliche gesamteuropäische Regierung konstituiert ist, durchaus in Frage stellen. Dieses Missverhältnis zwischen europäischer Währungsautorität und eigentlicher politischer Autorität – an dem sich die Debatten um das Fehlen einer zentralisierten Haushaltspolitik auf EU-Ebene entzünden – ist geeignet, ein Misstrauen gegen den Euro zu schüren, von dem die Kräfte profitieren, die politisch gegen ihn mobil machen. Das kann dazu führen, dass der Euro am Ende als deflationistische und unsoziale Währung dastehen wird, der die Sorgen und Nöte der Bürger und Konsumenten in den Mitgliedstaaten der EU völlig egal sind. Seine kurzfristige Legitimation macht es daher (jedenfalls übergangsweise) nötig, jede den Euro betreffende Entscheidung mit dem Siegel jedes einzelnen Mitgliedstaates zu versehen: Der Euro muss als die von den Bürgern jedes Mitgliedstaates bewusst gewählte Währung bestätigt sein, bevor er als Einheitswährung der Union präsentiert werden kann. Aber wie gesagt: Auf den Euroscheinen ist für ein Gemeinschaftssiegel kein Platz vorgesehen.4
Ungewissheit dominiert drittens auch auf der höheren Ebene des ethischen Vertrauens. Denn selbst eine Währung, hinter der eine Zentralbank und eine gleichrangige Regierung mit Finanzministerium stehen, ist nicht automatisch legitimiert. Sobald die wesentliche Funktion der Notenemission zur Sache privater Handelsbanken wird und die Währung wertmäßig nicht mehr auf ein materielles Äquivalent (wie Gold) bezogen ist, bedarf sie einer symbolischen Verankerung, die über die offizielle Deklaration ihrer Legaltät hinausgeht. Deshalb beruht eine wesentliche Voraussetzung für die Legitimität von Währungen ohne eigenen substanziellen Wert auf ihrer Fähigkeit, politische Territorialgemeinschaften zu symbolisieren und damit die sozialen Widersprüche zu transzendieren, die aus den – immer noch auf der Klassenspaltung beruhenden – ökonomischen und politischen Verhältnissen erwachsen.
Sobald diese transzendierende Funktion nicht mehr gegeben ist und die legalen Autoritäten nicht mehr fähig sind, den sozialen Konflikt zu beherrschen, kann die Währung auf Ablehnung stoßen. Das gilt etwa bei einer „Dollarisierung“ im Zuge einer Hyperinflation. Oder auch für den Fall, dass die Währungspolitik zu einer starken Deflation führt, die eine Abwertung der gesellschaftlichen Schulden nach sich zieht, wie wir es gegenwärtig in Argentinien erleben. In dem Fall verrät sich die Illegitimität der gesetzlichen Währung dadurch, dass ihre Bedeutung für den Geschäftsverkehr drastisch reduziert ist und Parallelwährungen auftauchen, die in den geschrumpften Zahlungskreisläufen zirkulieren.
Gegen dieses Legitimitätsdefizit moderner Währungen erscheint der Dollar gut gerüstet, weil er sich auf eine Zentralbank stützt, deren ausschließliches Ziel nicht nur die Preisstabilität ist. Der Euro hingegen zeigt in dieser Hinsicht diverse Mängel. Da ist erstens das Defizit an Symbolik auf seinen Banknoten, denn Kommunikation durch das Öffnen von Toren und das Überqueren von Brücken – das heißt durch die Erweiterung von Märkten – macht noch längst keine Gesellschaft aus. Da ist zum Zweiten das Defizit an kollektivem Design mangels einer Definition des greifbaren Gemeinwohls, das der Euro erst herbeiführen soll – ein Defizit, das die gestutzten Funktionen der EZB verrät. Und da ist drittens das Defizit an Identität: Die Perspektive, die eine Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft eröffnet, ist nicht dasselbe wie die Identifikation mit einer neuartigen Gemeinschaft der sozialen und politischen Zugehörigkeit, die antritt, die alten nationalen Gemeinschaften abzulösen. Der Euro hingegen löst lediglich die nationalen Währungen ab.
Soll der Euro die für moderne Währungen Legitimität stiftenden symbolischen und politischen Dimensionen erlangen, muss man von einer Einheitswährung zu einer Gemeinschaftswährung übergehen, von einer allein vom Markt her gedachten Devisensorte zu einer Währung, die umfassender auf eine einigende territoriale Bindung auf föderaler Basis verweist. Aber warum ist diese Dimensionen vergessen worden, und zwar bis heute? Es gibt zwei mögliche Antworten, die einander nicht ausschließen, sobald man zugibt, dass sich die Baumeister des Euro auch untereinander nicht einig waren. Einerseits kann man argumentieren, man dürfe ihnen ihren Fehler nicht wirklich zum Vorwurf machen. Andererseits lässt sich das Legitimitätsdefizit des Euro als ein weiteres Beispiel für die „Methode Monnet“ sehen, Europa über seine Institutionen aufzubauen.
Für die erste Erklärung spricht, dass die symbolischen, politischen, Identität stiftenden und psychologischen Dimensionen der Währung kein Thema für die popularisierten oder genormten Sozialwissenschaften sind, mit denen unsere Politiker- und Beamtenkaste in Berührung kommt. So berücksichtigt die Geschichtswissenschaft bei der Konstruktion nationaler Identitäten kaum die Rolle der Währung, namentlich nicht das Prinzip der national exklusiven Währung, das die bis ins 19. Jahrhundert übliche legale Zirkulation unterschiedlicher Zahlungsmittel auf ein und demselben Territorium ablöste. Die Wirtschaftswissenschaft wiederum sieht in der Währung nur ein Gleitmittel für den Warenaustausch und erkennt in jedem Spiel mit politischen oder symbolischen Dimensionen lediglich archaische Denkmuster oder aber Interessen, die das reibungslose Funktionieren der modernen kapitalistischen Volkswirtschaften stören. Für diese Dimensionen interessiert sie sich nur, um ihre Angemessenheit oder Wichtigkeit zu leugnen oder um zu beweisen, dass man sie loswerden muss. Die Lehren, welche die beiden Schlüsselwörter auf der Dollarnote – debts und trust – beinhalten, bleiben für die Nationalökonomen ebenso toter Buchstabe wie die beiden begleitenden Sinnsprüche
Für die zweite Erklärung spricht, dass die Einführung des Euro in der Kontinuität der historischen Bewegung zum Aufbau der Europäischen Union steht. Man kann sie als spezifischen Anwendungsfall der Methode sehen, institutionelle Ungleichgewichte zu schaffen, die logischerweise die Intervention von Gemeinschaftsinstanzen auf den entsprechenden institutionellen Feldern verlangen, damit das Gleichgewicht wiederhergestellt wird. Dass der Euro Spannungen schafft, ist so gesehen nicht das Problem, sondern die Lösung. Er ist das Mittel, durch das die wirtschaftliche Integration auf eine verstärkte politische Integration drängt. Sein symbolisches und politisches Defizit, die Umstände seiner Entstehung, die Gestaltung der Geldscheine, das Fehlen einer souveränen Instanz auf europäischer Ebene – als Gegengewicht zur EZB – sind so gesehen nur Teilaspekte eines Prozesses, dessen Implikationen und Folgen erst dann sichtbar werden, wenn der Euro die nationalen Währungen vollständig abgelöst und sein politisches und symboliches Monopol etabliert hat.
Erst dann werden die durch diese Monopolisierung geschaffenen Defizite vollständig zutage treten. Erst dann muss der Euro beweisen, dass er eine wirkliche Zahlungsgemeinschaft auf dem gesamten Territorium stiften kann, auf dem er gesetzliches Zahlungsmittel ist. Und zwar dadurch, dass er Vertrauen in seine Haltbarkeit und seine Fähigkeit zur Garantie des Gemeinwohls schaffen kann. Es liegt auf der Hand, dass dafür institutionelle Reformen in der Organisation der europäischen Behörden unerlässlich sein werden.
dt. Holger Fliessbach
* Direktor des Institut du Recherche Interdisciplinaire en Socioéconomie (IRIS) an der Universität Paris-Dauphine.