Teure Finanzhilfe
ZWISCHEN 1980 und 2000 überstieg die Summe der lateinamerikanischen Kreditrückzahlungen an private Gläubiger das Gesamtvolumen privater Neukredite um 192 Milliarden Dollar. Besonders profitabel für die ausländischen Investoren waren die Jahre 1998 und 1999, als die Länder Lateinamerikas 86,2 Milliarden Dollar mehr zurückzahlten, als sie im selben Zeitraum erhielten.
Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung greift der Internationale Währungsfonds (IWF) den verschuldeten Ländern keineswegs großzügig unter die Arme, seine Hilfe lässt er sich vielmehr teuer bezahlen. Zwischen 1980 und Dezember 2000 erhielt Lateinamerika IWF-Kredite in Höhe von 71,3 Milliarden Dollar, während sich die Rückzahlungen auf 86,7 Milliarden Dollar beliefen – ein Überschuss von 15,4 Milliarden Dollar.1 Zwischen 1982 und 2000 zahlte Lateinamerika insgesamt 1 450 Milliarden Dollar an seine Gläubiger zurück.
IN den letzten 200 Jahren erlebte Lateinamerika vier Schuldenkrisen. Die erste dauerte von 1826 bis zur Jahrhundertmitte, die zweite von 1876 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, die dritte von 1931 bis 1949. Die vierte Schuldenkrise begann 1982 und dauert bis heute an.
Ursache und Zeitpunkt dieser Krisen hängen eng mit der Konjunktur in den hoch entwickelten Industrieländern zusammen. Die Vorkrisenzeit (mit starker Verschuldung) entsprach stets einem langen Wachstumszyklus der industrialisierten Länder.
In der Regel beginnt die Krise mit einer Rezession oder einem Finanzkrach in den Metropolen. Jede der vier Krisen dauerte 15 bis 30 Jahre und erfasste nahezu alle unabhängigen Staaten Lateinamerikas und der Karibik. Die aktuellen Finanzprobleme Argentiniens, die auf den gesamten Subkontinent ausstrahlen könnten, sind offenkundig ein Ausläufer der vierten lateinamerikanischen Schuldenkrise, die 1982 begonnen hatte.
Natürlich hat auch diese Krise ihre Besonderheiten, doch bestimmte Grundzüge kehren in allen Krisen wieder. Alle vier folgten auf eine Periode, in der Gelder von nördlichen Finanzmärkten in Form von Finanztiteln und/oder Bankkrediten massenhaft nach Lateinamerika strömten.
Dagegen kommt es während der Krise normalerweise zu einem massiven Kapitaltransfer aus den verschuldeten Ländern in die industrialisierten Gläubigerstaaten. Gleichzeitig wird die Souveränität der Schuldnerländer teilweise beschnitten.
So erzwangen die Gläubiger in den Dreißigerjahren das Recht, sich in Peru, Haiti und der Dominikanischen Republik ihre Geld durch den Zugriff auf Zoll- und Steuereinnahmen zurückzuholen. Oder sie schöpften die Einnahmen aus wichtigen Exporten ab. So wurden die Exporterlöse Mexikos aus der Erdölförderung 1995 bis 1997 über ein von der US-Zentralbank kontrolliertes Bankkonto in New York abgezogen.
Bei Rechtsstreitigkeiten bestanden die Gläubigerländer auf der Zuständigkeit ihrer eigenen Gerichte und trieben ihre Forderungen zuweilen sogar mit militärischen Mitteln ein. So wurde 1902 der Hafen von Caracas durch Kriegsschiffe verschiedener Industrieländer blockiert. Dabei fielen ganze Wirtschaftbereiche der verschuldeten Länder in die Hände der Gläubiger.
E. T.