09.08.2002

Globalisierung und weißes Gold

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Globalisierung und weißes Gold

Von HUBERT REEVES *

ZU den schönsten Wundern der Tierwelt gehören wohl die Elefantenherden, die für Afrika einen wahren Symbolwert haben. Die Kinder in aller Welt wissen häufig mehr über diese Wildtiere als über die Tiere in ihrer eigenen Heimat. Gegen Ende der Achtzigerjahre, als die Elfenbeinnachfrage aus Asien ihren Höhepunkt erreichte und tausende Elefanten abgeschlachtet wurden – was auch viel mit den verheerenden Wirren und Bürgerkriegen auf dem afrikanischen Kontinent zu tun hatte –, protestierte Frankreich als erstes westliches Land mit aller Entschiedenheit gegen den internationalen Elfenbeinhandel und seine dramatischen Folgen.

Die Initiative hatte einen doppelten Effekt: das Verbot des Elfenbeinhandels und die Aufnahme der afrikanischen Elefanten in die höchste Schutzkategorie (Anhang I) des Washingtoner Artenschutzabkommens (Cites).1 Das Ergebnis, das mit Unterstützung mehrerer frankophoner afrikanischer Länder – Burkina Faso, Niger und Tschad – zustande gekommen war, galt als großer internationaler Erfolg. Die Staaten des südlichen Afrika und Japan reagierten allerdings verärgert, was aber die Begeisterung nicht trüben konnte, denn damals befand sich gerade das Konzept der „Nachhaltigkeit“ im Stadium der Konkretisierung.

Mit dem Erfolg ließ in Frankreich jedoch die Aufmerksamkeit nach, und man sah tatenlos zu, wie die Vertreter der alten Ordnung ihre Intrigen spannen. Auch hatte keiner den schon jahrelang ablaufenden Wandel wahrgenommen und bemerkt, welche Interessen Asien und die USA in Afrika verfolgten, während die Sowjets von der politischen Bühne verschwanden und auch der Einfluss Frankreichs nachließ.

Obwohl inzwischen alle Signale auf Rot stehen, könnte Frankreich im Zuge der durch die Globalisierung geweckten merkantilistischen Tendenzen sich mit neuen Vorschlägen profilieren. Diese müssten darauf angelegt sein, die Diskussion auf eine andere Ebene zu heben, den Dialog fortzuführen und Lösungen zu finden, die sowohl dem Schutz der Elefanten als auch den Interessen der lokalen Bevölkerung gerecht werden. Und dies nicht im Alleingang, sondern in Abstimmung mit den Positionen der europäischen und afrikanischen Partner. Auf diese Weise könnte Frankreich die Flamme, die es 1989 dankenswerterweise entzündet hat, weiter am Leben halten.

Für die afrikanischen Machthaber stellt Elfenbein eine natürliche Ressource dar, die es auszubeuten gilt. Japan, das 1997 von der Aufhebung des Handelsverbots am meisten profitierte, stockt auf Drängen seiner mächtigen Elfenbeinlobby die bedrohlich abgeschmolzenen Lagerbestände auf, um seine Industrie anzukurbeln und die Handwerksbetriebe in Schwung zu halten. Welche konkreten Auswirkungen hat das für Afrika? Gibt es keinen Verhandlungsspielraum, der genutzt werden könnte? Gibt es keine Ansätze zu weiter gehenden Überlegungen? Sollte nicht eine Lösung angestrebt werden, die darauf abzielt, das Elfenbein gestorbener oder bei legalen Jagden getöteter Elefanten zu verarbeiten – eine Lösung, die Arbeitsplätze schafft und mit finanziell attraktiven Technologietransfers einherginge? Die erzielten Gewinne könnten dann in einen gemeinsam und paritätisch mit den Vertragspartnern verwalteten Naturschutzfonds zurückfließen, der den ganzen Verwertungsprozess Schritt für Schritt begleitet. Viele afrikanische Länder wären daran interessiert. Der „Herkunftsnachweis“ ist zur unabdingbaren Voraussetzung für den Export geworden.

Die Idee eines solchen Fonds wurde auf dem Urwaldgipfel von Den Haag im April 2002 erneut diskutiert. Warum wurde dies nicht zum Anlass, die internationalen Organisationen und die Konsumländer, besonders die asiatischen, in die Verantwortung zu nehmen? Wer das für unrealistisch hält, sei daran erinnert, dass die Japaner (wer sonst?) nach dem Verbot des Elfenbeinhandels äußerst unruhig wurden und Verhandlungen mit den Russen über den Kauf von Mammutelfenbein aufgenommen haben: Nach heftigem Tauziehen einigten sie sich auf eine Senkung des Verkaufspreises, die durch japanische Kapitaleinlagen kompensiert werden sollte, mit dem Ziel, die Bearbeitung des russischen Elfenbeins einheimischen Handwerkern zu überlassen.

Das Überleben einer so symbolträchtigen und bedrohten Tierart, wie der Elefant sie darstellt, ist eine Herausforderung, die wir annehmen sollten. Es gibt kaum einen besseren Hebel, um den Fortbestand der Wildtiere auf Dauer zu sichern. Das gilt auch für die „raumzehrenden“ Arten, denn der Erhalt dieses Lebens gibt Afrika die Möglichkeit, Rohstoffe auszuschöpfen, die es für sein eigenes Überleben braucht.

In Afrika gibt es einheimische Naturschutzverbände, die sich für die Elefanten engagieren und gern mit der französischen Aktionsgemeinschaft Alliance pour les éléphants2 zusammenarbeiten. In Gabun, Niger und anderen frankophonen Ländern haben wir ihnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Diese afrikanischen Verbände helfen uns ihrerseits, die Realitäten vor Ort richtig zu begreifen und gemeinsam nach angemessenen Lösungen zu suchen. Ökologische Werte kommen dabei nicht zu kurz – wenn die lokalen Wirtschaftsprobleme realistisch eingeschätzt werden.

* Astrophysiker, Präsident der französischen Liga für die Bewahrung der Wildfauna.

Fußnoten: 1 Siehe www.cites.org sowie www.finances.gouv.fr/douane/C1/restrictions/wash.htm. 2 Die Alliance pour les éléphants ist eine Aktionsgemeinschaft der Stiftung Ligue française des droits de l‘animal (LFDA), der Fondation trente millions d‘amis (FTMA) und der Ligue pour la préservation de la faune sauvage (ROC).

Le Monde diplomatique vom 09.08.2002, von HUBERT REEVES