13.12.2002

Ein neoliberales Modell für Mittelamerika

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Ein neoliberales Modell für Mittelamerika

DER Puebla-Panama-Plan umfasst einen großen Teil Mexikos und sieben Staaten Zentralamerikas. Er soll, so heißt es, Millionen Menschen aus der Armut führen und wird als langfristiges, umfassendes Entwicklungsprojekt hingestellt. Doch in den betroffenen Gebieten regt sich Widerstand, allen voran von indigenen Organisationen, und Subcomandante Marcos erklärte, dass die Zapatisten einen solchen Plan nicht dulden werden. Denn der Plan begünstigt in erster Linie US-amerikanische Interessen, und zusammen mit den militärischen Projekten verdeutlicht er die Strategie der USA in Lateinamerika: hin zu einer neuerlichen Kolonisierung des „Hinterhofs“. Von BRAULIO MORO *

Noch strömen ungezähmte Bäche und Flüsse durch die Täler des mexikanischen Bundesstaates Guerrero. Noch sind auch die Vögel frei, mit ihrem Gesang einer Bevölkerung Mut zu machen, die seit Menschengedenken unterdrückt wird.1 Und so veröffentlichte der Consejo Indigena Popular Ricardo Flores Magon auf den zähen Böden der frijoles (Bohnen) und tortillas (Maisfladen) am 13. November 2001 einen verzweifelten Aufruf zum Widerstand. „Diese schlechte Regierung hat einen so genannten Puebla-Panama-Plan. Er soll die Reichen der Welt noch reicher machen. Sie haben vor, sich an unserem Land zu vergreifen, unsere Heilpflanzen zu vernichten und die Tiere in den Wäldern auszurotten. Denn sie wollen hier Eukalyptusbäume pflanzen, die der Mutter Erde ihre Lebenssäfte entziehen werden.“

Bereits einige Monate zuvor, am 12. Februar 2001, hatte der mexikanische Präsident Vicente Fox den Puebla-Panama-Plan (PPP) vorgestellt. Nun gab er am 26. und 27. Juni aus Anlass eines Treffens mit den Präsidenten der Länder Zentralamerikas und Vertretern der Weltbank den regionalen Strohmann der Vereinigten Staaten und ließ den Plan offiziell anlaufen. Das Investitionsvolumen des PPP soll angeblich 10 bis 12 Milliarden Dollar (vielleicht sogar 25 Milliarden) betragen. Er wird als „langfristiges und umfassendes Entwicklungsprojekt“ dargestellt2 , das neun mexikanische Bundesstaaten (Puebla, Campeche, Guerrero, Oaxaca, Tabasco, Veracruz, Quintana Roo, Yucatán, Chiapas) und sieben Länder Zentralamerikas (Belize, Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica, Panama) umfasst. 65 Millionen Menschen sind insgesamt vom Puebla-Panama-Plan betroffen (28 Millionen Mexikaner und 37 Millionen Mittelamerikaner). 78 Prozent von ihnen gelten als arm, 60 Prozent als sehr arm.

Neben der „Modernisierung der Produktionsmethoden und des Konsumverhaltens“ ist ein „trockener Kanal“ in Form von Fernstraßen und Eisenbahntrassen quer über die Landenge von Tehuantepec (zwischen dem Golf von Mexiko und dem Pazifik) vorgesehen. Öl- und Gasleitungen, Straßen, Häfen, Flughäfen, 25 Wasserkraftwerke, die Ausweitung der Energieversorgung und der Aufbau von Maquiladoras-Fertigungsbetrieben sollen den Aufschwung bringen und dafür sorgen, dass dieses Gebiet „sein Potenzial und seine Standortvorteile entfaltet, um zu einer wirtschaftlichen Wachstumszone von Weltklasse zu werden“3 . Außerdem soll die Bevölkerung der Region dadurch der Marginalisierung entkommen.

Dennoch reagierte Subcomandante Marcos, einer der Anführer der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN), wenige Tage nach der offiziellen Präsentation des gewaltigen Vorhabens alles andere als begeistert: „Wir wollen die Autonomie für die einheimischen Volksgruppen, und wir werden sie bekommen. Wir dulden kein Projekt und kein Programm mehr, das unsere Wünsche ignoriert – weder den Puebla-Panama-Plan noch das transozeanische Großprojekt, noch irgendetwas, das auf den Ausverkauf oder die Zerstörung des indianischen Hauses hinausläuft. Vergessen wir nicht, dass es Teil des Hauses aller Mexikaner ist.“4 Als Folge dieser Stellungnahme haben sich hunderte von Organisationen in Tapachula (Chiapas, März 2001), Xelajú (Guatemala, November 2001) und Managua (Nicaragua, Juli 2002) getroffen – um nur die wichtigsten dieser Konferenzen zu nennen – um Widerstand gegen den PPP zu organisieren.

Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass diese Menschen ein Projekt ablehnen, das ihnen den „Weg aus der Armut“ verspricht. War diese Armut nicht einer der Gründe für den zapatistischen Aufstand vom Januar 1994? Gehört sie nicht zu den wichtigsten Ursachen der blutigen Konflikte, die im gesamten 20. Jahrhundert El Salvador, Nicaragua und Guatemala erschüttert haben? Doch um zu verstehen, warum sich tausende von Menschen seit beinahe zwei Jahren gegen den Puebla-Panama-Plan wehren, genügt es, sich einige Tatsachen in Erinnerung zu rufen: Zwar haben seit der „Allianz für den Fortschritt“, die von den USA in den frühen Sechzigerjahren initiiert wurde, Dutzende offizielle Großprojekte versprochen, die Geißel der Unterentwicklung zu beseitigen. Doch die Zahl der Armen ist in dieser Region, ebenso wie im übrigen Lateinamerika, trotzdem immer weiter angestiegen. Und zudem gehört der PPP „zu jener Kategorie von Freihandelsverträgen, die nur die kapitalistische Wirtschaft stärken wollen und keine sozialen oder ökologischen Aspekte berücksichtigen“5 .

Das Gebiet des PPP ist strategisch und wirtschaftlich von besonderer Bedeutung, denn es liegt zwischen zwei Ozeanen und verfügt über lange Küstenstreifen. Es gibt hier außerdem vielfältige Böden, riesige Wälder, großen biologischen Artenreichtum, große Mengen Wasser und nicht zuletzt Erz-, Erdöl- und Erdgasvorkommen. Allein der mexikanische Anteil des PPP-Gebietes beherbergt 65 Prozent der Erdölreserven des Landes. Mexiko – der neuntgrößte Ölproduzent der Erde – bezieht von hier 94 Prozent seines Rohöls und 54 Prozent seines Erdgases. Die Region ist also für Washington von großem Interesse. Immer wieder betonen die USA ihren Wunsch nach einer Integration der mexikanischen Energiewirtschaft, und sie planen vermehrte Erdölimporte aus ihrem südlichen Nachbarland. Zudem grenzt das Gebiet des PPP im Süden Panamas an die beiden Erdöllieferanten Venezuela und Kolumbien, die man durch eine Pipeline über Mittelamerika und Mexiko mit den USA verbinden könnte.

Der Isthmus gehört zwar nicht zu den wichtigsten Ölfördergebieten der Welt, doch immerhin hat die Regierung Guatemalas seit Dezember 1996 ihre nachgewiesenen Erdölreserven von 526 Millionen Barrel unter den Wäldern von Peten für ausländische Investoren zugänglich gemacht.6 Auch in Nicaragua werden entlang der Atlantik- und der Pazifikküste bisher unerforschte Lagerstätten vermutet. In Honduras sind, ebenfalls an der atlantischen Moskitia-Küste, weitere Vorkommen nachgewiesen.

Auch hinsichtlich der weltweiten Wasserknappheit ist das Gebiet des PPP interessant. Denn die Länder Zentralamerikas und die mexikanischen Bundesstaaten Tabasco, Campeche und Chiapas liegen in der tropischen Klimazone zwischen Pazifik und Atlantik. Ihr Niederschlagsaufkommen ist dementsprechend hoch.

Nicht zuletzt findet man auf den 1 023 000 Quadratkilometern, die der Plan umfasst, tausende von Tierarten und vor allem 16 000 verschiedene Pflanzen und Waldgewächse, die einen vielfältigen Reichtum an biogenetischen Ressourcen darstellen. Und schließlich gibt es hier ein großes Reservoir an völlig verarmten Arbeitskräften.

So erweist sich der PPP als Wegbereiter für die panamerikanische Freihandelszone Free Trade Area of the Americas (FTAA). Sie wird auf Initiative der USA ab dem Jahr 2005 alle Länder des Kontinents (ausgenommen Kuba) in einen gemeinsamen Markt „integrieren“. Und wenn Präsident Vicente Fox auch die Urheberschaft des PPP für sich reklamiert hat, so belegen doch zahlreiche Quellen, dass dieser anderswo entstanden ist. Andrés Barreda, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universidad Autónoma de México, hat mehrere Dokumente und Projekte ausfindig gemacht, die in Zentralamerika, in Mexiko und von verschiedenen amerikanischen Thinktanks erarbeitet wurden und beim Entwurf des PPP als Grundlage gedient haben.7

Schon seit 1993 dient das UNDP-Programm Mesoamerican Biological Corridor – unter dem Vorwand, dreißig verschiedene Ökosysteme zu einem Naturreservat verbinden zu wollen – der Erfassung regionaler biogenetischer Rohstoffe für die industrielle Verwertung. Auch das Projekt Mundo Maya (Welt der Maya) gibt sich den Anstrich des kulturellen und ökologischen Schutzes, um „Genbanken“ zu erstellen, exotische Gewächse und Plantagen zu verwerten, den Tourismus anzukurbeln und andere Gebrauchswerte des tropischen Waldes einer Marktlogik zu unterwerfen. Auch Präsident Ernesto Zedillos Plan Nacionál de Desarrollo Urbano (Nationaler Stadtentwicklungsplan) von 1995 bis 2000 entsprach dieser Logik.

Bei all diesen Vorläufern finden sich Konzepte, die schließlich in den PPP eingegangen sind – darunter die Privatisierung biogenetischer Ressourcen, die Schaffung von Maquiladora-Industriezonen und der Bau von Wasserkraftwerken. Finanziert werden diese Vorhaben von der Weltbank, von der Inter-American Development Bank (IBD) und von Organisationen wie der International Cooperative Biodiversity Group (IBGB), einem 1992 entstandenen US-Konsortium zur Erforschung der biologischen Artenvielfalt. Die IBGB bittet Privatunternehmen um Beteiligung an Projekten, die unter ihrer Regie stattfinden. Sie sorgt auch für eine enge Anbindung der Pharmaindustrie, wenn es um die patentrechtliche Aneigung natürlicher Organismen geht.8

Auch die in Washington beheimatete Organisation Conservation International ist dafür bekannt, die Privatisierung biologischer Ressourcen voranzutreiben. Wie praktisch, dass sie ausgerechnet mitten im großen Biosphärenreservat von Monte Azules in Chiapas tätig ist! Conservation International wird unter anderem von United Airlines, Walt Disney, McDonald’s, Exxon und Ford finanziert und gehört – wie übrigens auch der World Wide Fund – zu jenen Nichtregierungsorganisationen, die die mexikanische Regierung seit zwei Jahren bei ihrer Kampagne zur Vertreibung der im Reservat lebenden indianischen Gemeinschaften unterstützen. Dies geschieht unter dem Vorwand, die Indios hätten Waldbrände ausgelöst, doch deren Urheberschaft ist zweifelhaft. Unumstritten ist jedenfalls, dass diese Region ein bevorzugtes Gebiet für die Erfassung der Biodiversität, für ökotouristische Projekte, für die Ausbeutung von Süßwasserquellen, Uranerz, Holz, Wildtieren und seit langem auch für die Prospektion von Ölquellen ist. Die indigenen Gemeinschaften leiden seit Jahren unter Übergriffen durch Militär, Polizei und paramilitärische Gruppen. Dennoch widerstehen sie dem gewaltsamen Druck und weigern sich mehrheitlich, ihre Heimat zu verlassen.

IMMERHIN 68 ethnische Gruppen mit insgesamt mehr als 14 Millionen Menschen und einer Vielfalt von Kulturen und Sprachen leben in dem Gebiet, das sich zwischen den Hochebenen des Staates Puebla im Zentrum Mexikos und der Landenge von Panama erstreckt. Die offiziellen Bekenntnisse zur „kulturellen Vielfalt und zum Reichtum der ethnischen Traditionen“ haben diese Menschen offenbar nicht überzeugt. Denn sie lehnen kategorisch „einen Plan der wilden Kolonisation ab, der unsere Böden, unsere familiär organisierte Landwirtschaft, die Artenvielfalt und die natürlichen Rohstoffe zerstört“. Diese Art von Entwicklung entspricht entschieden nicht dem, was sich die Bewohner des Landes erhoffen. Sie wehren sich dagegen, dass ihre Böden von riesigen Eukalyptus-Monokulturen, von afrikanischen Palmen und importierten transgenen Pflanzen eingenommen werden, deren Anbau auf die Ernährungslage der Region keine Rücksicht nimmt. Sie leisten Widerstand gegen Enteignungen, die für den Bau meeresverbindender Verkehrswege und für die Absicherung der Investoren notwendig sein sollen.

Neben Eisenbahn- und Straßenverbindungen ist auch der Bau eines Kanals vorgesehen. Sein Hauptstrang soll durch den Isthmus bei Tehuantepec führen. Damit entstünde die kürzestmögliche Verbindung zwischen dem Süden Mexikos und dem Südosten der Vereinigten Staaten, ebenso wie ein wichtiger Handelsweg zwischen Amerika und Asien.

Projekte dieser Art verbrauchen große Mengen an Energie und Rohstoffen, leisten aber nur einen geringen Beitrag zur Entwicklung. Es versteht sich von selbst, dass im Rahmen des PPP die jeweiligen Staaten selbst für die Umsiedlung von Bauern zu sorgen haben, wenn diese in einem Gebiet leben, das die internationalen Konzerne begehren. Die Korridore der Maquiladora-Industrie sollen dann entwurzelte und unqualifizierte Arbeitskräfte aufnehmen, die zu Niedriglohn in der Stadt ein neues Leben beginnen müssen. 4 000 solcher Fertigungsbetriebe gibt es heute in Mexiko (die allermeisten in unmittelbarer Nähe der US-Grenze), und sie schießen auch im übrigen Mittelamerika nur so aus dem Boden. Die Unterstaatssekretärin für Binnenhandel im mexikanischen Wirtschaftsministerium, Rocio Ruiz, liefert eine reichlich zynische Erklärung, warum sich die Maquiladora-Betriebe in Zukunft in Oaxaca, Chiapas und generell im Südosten ihres Landes ansiedeln müssen: „Im Norden wird der doppelte bis dreifache Mindestlohn gezahlt. Deshalb sind wir in dieser Industriesparte nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Auch Jorge Espina, Vorsitzender des Unternehmerverbandes Confederación Patronal de la República Mexicana, bestätigt: „Die Zukunft der Maquiladoras liegt im Südosten. Das wird die politischen Probleme der Region lösen, und außerdem ist dort die Arbeitskraft sehr billig.“9

Als Teil des PPP soll die Maquiladora-Industrie den Unternehmen zu Vorteilen verhelfen, die bereits im nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta10 vereinbart worden sind: Zugang zu einem Überfluss an Arbeitskräften, Steuerbefreiungen und Investitionsgarantien. Eine weitere Funktion der Maquiladoras besteht darin, Mexiko verstärkt zu einer Pufferzone der Migration auszubauen. Schon zwischen 1995 und 2000 – während noch über drei Millionen Mexikaner beim großen Nachbarn im Norden Arbeit suchen mussten – hat Mexiko seinerseits 700 000 „illegale“ Mittelamerikaner ausgewiesen, weil diese entweder im Land zu überleben versuchten oder auf der Durchreise waren.11

Bei der Vorstellung des PPP betonte Vicente Fox zwar, es handle sich bei diesem Programm um „einen Aufruf zum gemeinsamen Handeln im Sinne eines geordneten und nachhaltigen Wachstums, das auch die legitimen Organisationsformen der indianischen Gemeinschaften berücksichtigt“. Doch die Umsetzung des PPP ist zwingend mit einer Aushöhlung des Gesetzes über die Rechte der indigenen Kulturen verbunden. Der Entwurf zu diesem Gesetz basierte auf den Verträgen von San Andrés, die eine von der Regierung eingesetzte Schlichtungskommission (Comisión de Concordia y Pacificación) am 16. Februar 1996 mit der zapatistischen EZLN abschloss. Die Verträge waren der Versuch, einen Ausweg aus dem Konflikt von Chiapas zu finden. Deshalb erkannten sie das Recht der indianischen Bevölkerung auf ihr Land ebenso ausdrücklich an wie deren kollektive Verfügung über die natürlichen Ressourcen (ausgenommen so genannte strategische Rohstoffe, also Erze und Rohöl). Doch am 29. November 1996 weigerte sich Präsident Ernesto Zedillo, eine entsprechende Gesetzesvorlage zu unterzeichnen. Sie könne, so erklärte er, die nationale Souveränität beeinträchtigen und berge die Gefahr einer „Balkanisierung“ Mexikos. Maßgeblich war wohl nicht zuletzt, dass ein derartiges Gesetz der ökonomischen Logik eines Puebla-Panama-Plans im Weg gestanden hätte. Die Umsetzung des PPP wird also möglicherweise über die Leugnung der Rechte der Indios führen.

Das bezeugt auch ein Projekt der Ministerin für Agrarreformen, Maria Teresa Herrera. Sie plant „einen Prozess der Ausgliederung von gemeinschaftlichem Landbesitz und von ejidales12 – mit anderen Worten, die Parzellierung und Privatisierung des Landes“13 – zur Absicherung der Verträge mit internationalen Investoren. Es ist offensichtlich, dass dieses Projekt kollektive Traditionen und Solidarität unter den Gemeinschaften der Indios zerstören wird.

Weiter im Süden birgt der PPP noch ganz andere Gefahren. Denn nach dem Modell der asiatischen „Tigerstaaten“ wollen die Regierungen Zentralamerikas aus ihren Ländern „Jaguare“ machen. Gemäß der neoliberalen Logik dieses Vorhabens ist in keinem Fall der Erhalt öffentlicher Dienstleistungen (Wasser-, Elektrizitäts- und Gesundheitsversorgung, Transportmittel, soziale Absicherung, Bildung, Kulturförderung und Wohnbau) vorgesehen. Das Prinzip der Vorsicht (etwa bei der Züchtung genetisch veränderter Lebewesen) fehlt hier ebenso wie die Anerkennung der Subsistenzwirtschaft, von der Schaffung angemessen bezahlter Arbeitsplätze (im Gegensatz zu den Maquiladoras) und einer Mitsprache der betroffenen Bevölkerung ganz zu schweigen.

Bauernvereinigungen und kleine Kaffeeproduzenten, die von Preisverfall und Bodenkonzentration besonders hart betroffen sind, haben im Rahmen einer „Konferenz des mittelamerikanischen Bauern“ die Initiative ergriffen. Sie verlangen eine neue Agrarreform, die Anerkennung ihres Landbesitzes, das Recht auf Bewegungsfreiheit für Landarbeiter und eine menschenwürdige Bezahlung. Am 12. Oktober 2002 fanden im Rahmen von Aktionstagen der 1993 in Costa Rica gegründeten Alianza Social Continental14 in 20 Städten Nord- und Mittelamerikas (darunter auch Washington und Boston) Protestveranstaltungen statt. In El Salvador waren an diesem Tag so gut wie alle wichtigen Verkehrswege blockiert. Fast zur gleichen Zeit errangen guatemaltekische Aktivisten einen ersten Erfolg gegen den PPP: Der Bau von zwei Straßen, die großen ökologischen Schaden anrichten würden, ist zumindest vorläufig eingestellt.

„Der Puebla-Panama-Plan ist nichts anders als der Versuch“, so Professor Andrés Barreda, „den Aufbau einer nationalen mexikanischen Industrie den Bedürfnissen der US-Wirtschaft unterzuordnen. Wir sollen unsere Getreideproduktion opfern und die Entwicklung von Landwirtschaft und Viehzucht den USA überlassen. Wir sollen ihnen die Wälder des Südostens ausliefern und die Infrastruktur Mexikos vom Konsum der Vereinigten Staaten abhängig machen.“15 Das Vorgehen der USA in diesem Teil der Welt – zusammen mit einer militärischen Strategie wie dem Plan Colombia, erweist sich immer mehr als Rekolonisierung.

dt. Herwig Engelmann

* Wirtschaftswissenschaftler und Journalist.

Fußnoten: 1 Siehe Maurice Lemoine, „Nouvelles Guerillas dans le Guerrero Mexicain“, Le Monde diplomatique, November 1998. 2 Zum Puebla-Panama-Plan vgl. http://presidencia. gob.mx. 3 Ebda. 4 La Jornada, Mexiko, 15. Februar 2001; siehe auch Ignacio Ramonet, „Marcos, La dignité rebelle“, Paris (Galilee) 2001, S. 52–57. 5 Ilena Valenzuela, „El Plan Puebla-Panamá para los comunidades de Guatemala: destrucción y dependencia o la oportunidad de construir un futuro nuevo?“, Guatemala-Stadt 2002. 6 Centro de investigaciones economicas y politicas de accion comunitaria (Ciepac), „Petroleo, gas y plan Puebla-Panamá“, Chiapas al dia, Nr. 320, San Cristobal de las Casas, Mexiko, 29. Oktober 2002. 7 Vgl. „Los peligros del plan Puebla-Panamá“, in: „Mesoamérica, los rios profundos“, Mexiko 2001. 8 Vgl. Joaquín Gimenéz Héau, „ICBG, laboratorio global o negócio redonde“, Chiapas, Nr. 12, Mexiko. 9 Milenio, Mexiko, 12. Oktober 2001 und 1. März 2002. 10 Das North American Free Trade Agreement verbindet Kanada, die Vereinigten Staaten und Mexiko. 11 Laut dem Center for Immigration Studies in Washington werden bis 2030 jedes Jahr zwischen 400 000 und 700 000 Mexikaner illegal die Grenze zu den USA übertreten. 12 Das ejido bezeichnet den gemeinschaftlichen Landbesitz und geht auf die mexikanische Revolution zurück. 13 El Economista, Mexiko, 14. September 2001. 14 http://www.asc-hsa.org. 15 La Jornada, Mexiko, 24. Juni 2001.

Le Monde diplomatique vom 13.12.2002, von BRAULIO MORO