Vor mehr als zehn Jahren, am 26. März 2015, publizierte die New York Times einen Gastkommentar, der schon in der Titelzeile forderte: »Bombardiert Iran, um die iranische Bombe zu stoppen«. Der Text erschien kurz vor dem erfolgreichen Abschluss des Abkommens über das iranische Nuklearprogramm, das im Juli 2015 auch von der Obama-Administration unterzeichnet wurde.
Der Aufruf zur Bombardierung von Teheran stammte von John Bolton, der unter der Administration von George W. Bush einer der maßgeblichen Planer des völkerrechtswidrigen Kriegs gegen den Irak im März 2003 gewesen war. Präsident Donald Trump ernannte den Scharfmacher im März 2018 zu seinem Nationalen Sicherheitsberater. Zwei Monate später kündigte Trump das Iranabkommen auf und verhängte Wirtschaftssanktionen nicht nur gegen die Islamische Republik, sondern auch gegen deren Handelspartner.
Bolton schied im September 2019 im Streit aus dem Amt aus, doch sein böser Geist waltete weiterhin im Weißen Haus. Der tödliche Drohnenangriff vom 3. Januar 2020 auf den iranischen Kommandanten der Al-Quds-Einheiten, Qassem Soleimani, zeigte, dass die Grenze zwischen dem erklärten Wirtschaftskrieg gegen Iran und einem unerklärten militärischen Krieg für die erklärten Iranfeinde innerhalb der Trump-Administration fließend geworden war. An der Option eines militärischen Vorgehens gegen die »Mullahdiktatur am Persischen Golf« hielten insbesondere der damalige US-Außenminister Mike Pompeo (vormals CIA-Chef) und Vizepräsident Mike Pence fest. Letzterer bezeichnete Iran als »größten staatlichen Sponsor des globalen islamistischen Terrorismus«.
Mit dieser absurden Behauptung, die viel eher auf die wahhabitische Diktatur in Riad zutreffen würde, hatte Pence bereits im Februar 2017 auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Kriegsstimmung gegen Teheran angeheizt. Auf derselben Konferenz verstieg sich Pence zwei Jahre später zu der Voraussage, Teheran bereite »einen neuen Holocaust im Nahen Osten« vor – ohne dass sich auch nur eine Stimme gegen die Verharmlosung der Schoah und die Verhöhnung ihrer Opfer durch den US-Vizepräsidenten erhoben hätte.
Die Liquidierung Soleimanis in Bagdad war zweifellos völkerrechtswidrig.¹ Gegen das geltende internationale Recht verstößt aber auch ein Teil der Wirtschaftssanktionen gegen Iran. Unter Trump I verstärkte sich der wirtschaftliche Druck auf Teheran; so wurden die ersten Sanktionen gegen den Öl- und den Finanzsektor nach und nach auf fast alle Bereiche der iranischen Wirtschaft ausgedehnt. Selbst die Einfuhr von Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern wurde verhindert oder zumindest eingeschränkt.
Eine weitere Verschärfung erfolgte durch weitreichende Sekundärsanktionen oder deren Androhung gegenüber Wirtschaftsunternehmen und Banken aus Drittländern in Europa, Asien und Lateinamerika. Aufgrund dieser völkerrechtswidrigen Sanktionen zogen sich fast alle Unternehmen, die auf dem US-Markt engagiert sind, aus dem Irangeschäft zurück. Zum Beispiel stornierte der französische Ölkonzern Total milliardenschwere Investitionsvorhaben in Iran. Auch zahlreiche internationale Banken zogen sich aus dem Irangeschäft zurück, als Washington drohte, jedes Finanzinstitut mit Strafen zu belegen, das seine Transaktionen in US-Dollar abwickelt.
Aufgrund der Sanktionen gingen die iranischen Ölexporte zwischen April 2018 und September 2019 von 2,4 Millionen Barrel auf knapp 500000 zurück. Die Volkswirtschaft geriet in eine schwere Rezession. Anfang Dezember 2019 lag sie bei 35,7 Prozent. Die iranische Währung Rial fiel gegenüber dem US-Dollar um 60 Prozent. Die Mitgliedstaaten der EU hatten zunächst zugesagt, Teheran trotz der US-Sanktionen weiterhin den Export von Öl sowie die Teilnahme am internationalen Zahlungsverkehr zu ermöglichen. Anfang 2019 richteten Frankreich, Großbritannien und Deutschland die Tauschbörse Instex (Instrument in Support of Trade Exchanges) ein, um europäische Unternehmen vor US-Sanktionen zu schützen. Doch bis Anfang 2020 wurde über die Instex kein einziges Geschäft abgewickelt. Von den wichtigen Handelspartnern Teherans widerstand nur China dem Druck aus Washington. Peking kaufte nach wie vor große Mengen iranischen Öls – dank des Sanktionsregimes konnte es dabei auch günstigere Preise durchzusetzen.
Beim Treffen der in dem Nuklearabkommen vorgesehenen Gemeinsamen Kommission hochrangiger Diplomaten der sechs Vertragsstaaten, die nach dem Austritt der USA verblieben waren, kritisierte der iranische Vizeaußenminister und heutige Außenminister Abbas Araghtschi Anfang Dezember in Wien das »völlige Versagen« der Europäer bei der Umsetzung ihrer Zusagen. Zusätzlich belastet wurde das Treffen durch einen kurz zuvor erfolgten Vorstoß der drei UN-Botschafter von Frankreich, Großbritannien und Deutschland. In einem gemeinsamen Brief an UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatten die drei Botschafter Iran verdächtigt, »weiterhin atomwaffenfähige Raketensysteme« zu entwickeln, was die Missachtung einer Resolution des UN-Sicherheitsrats bedeuten würde. Teheran wies diesen Vorwurf als »Verzweiflungslüge« zurück und behauptete, damit wollten die Europäer nur »ihre Inkompetenz bei der Umsetzung des Nuklearabkommens vertuschen«.
Donald Trump hatte das im Juli 2015 vereinbarte Nuklearabkommen bereits in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf 2016 infrage gestellt und als »das schlechteste jemals von einem US-Präsidenten abgeschlossene Abkommen« denunziert. Solche Sprüche entsprangen damals allerdings noch keiner prinzipiellen Iranfeindschaft; vielmehr versuchte Trump damit nur, den einzig relevanten außenpolitischen Erfolg seines verhassten Vorgängers Barack Obama madig zu machen und gegen seine demokratische Rivalin Hillary Clinton zu punkten.
Als Trump dann im Mai 2018 unter dem Einfluss der oben erwähnten Iranfeinde den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Abkommen über das iranische Nuklearprogramm vollzog, rechtfertigte er dies mit mehreren Argumenten. Das erste basierte auf der Behauptung, das Abkommen habe »eine atomare Bewaffnung Irans nicht verlässlich verhindert«, deshalb müsse es entscheidend »nachgebessert« werden.
Diese Behauptung ist schlicht unhaltbar. Vergleicht man den Text – einschließlich sämtlicher Anhänge – mit allen anderen Rüstungskontroll- und Abrüstungsabkommen, die seit den 1980er Jahren auf UN-Ebene, in Europa oder bilateral zwischen Washington und Moskau vereinbart wurden, ergibt sich ein eindeutiger Befund: Das Iranabkommen ist so wasserdicht, wie es eine solche Vereinbarung nur sein kann. Und zwar auch deshalb, weil es alle drei Monate durch die Überwachungsbehörde IAEO (Internationale Atomenergie-Organisation) in Wien zertifiziert werden muss.
Solange sich Teheran an das Abkommen – einschließlich des Zertifikationsverfahrens – hält, ist ein militärisches Nuklearprogramm und die Entwicklung von iranischen Atomwaffen nicht möglich. Das war im Juli 2015 auch die fast einhellige Expertenmeinung: »Das Abkommen enthält striktere Bedingungen als jeder andere Vertrag zur Rüstungskontrolle, der jemals zuvor ausgehandelt wurde«, hieß es in einem Brief an US-Präsident Barack Obama, den 26 Experten unterschrieben hatten, darunter mehrere Nobelpreisträger. Zu den Unterzeichnern gehörten auch Physiker, die selbst an der Entwicklung von Atomwaffen mitgearbeitet haben wie Richard Garwin, der maßgeblich an der Entwicklung der ersten Wasserstoffbombe beteiligt war, oder der Plutonium-Experte Siegfried Hecker, ehemaliger Direktor des Los Alamos National Laboratory, wo im Rahmen des Manhattan-Projekts die erste US-Atombombe entwickelt worden war.
Die 26 Experten schrieben in ihrem offenen Brief, das Abkommen sei ein wichtiger Schritt, um »Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu fördern«. Genau dies bestreiten die erklärten Gegner des Abkommens, allen voran einflussreiche Republikaner im US-Kongress, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die diktatorische saudische Dynastie. Sie alle erhoben im Gegenteil den absurden, durch nichts belegten Vorwurf, das Abkommen werde »Iran den Weg zur Atombombe ebnen«. Auf derselben propagandistischen Linie arbeitete eine Initiative unter dem Namen »Stop the bomb«, die in Deutschland und anderen EU-Ländern gegen das Abkommen agitierte.
Alle Kritiker des Nuklearabkommens haben allerdings ein gemeinsames Problem: Sie können keine bessere Alternative aufzeigen. Ihre einzige Option heißt »Krieg gegen Iran«, wie US-Präsident Obama im Mai 2016 zu Recht festgestellt hat. Deshalb hat auch die erste Trump-Administration den anderen sechs Vertragsstaaten nie einen konkreten Vorschlag zur »Nachbesserung« des Abkommens präsentiert.
In der zweiten Begründung für ihren einseitigen Ausstieg forderten die USA eine Erweiterung des Abkommens durch Bestimmungen, die eine Aufrüstung Irans mit konventionellen Raketen beschränken oder ganz verhindern. Aus friedenspolitischer Sicht wäre es in der Tat sehr wünschenswert, dass Iran nicht über konventionelle Raketen verfügt und auch kein Geld für den Erwerb oder die eigene Entwicklung solcher Waffensysteme verschwendet. Die Forderung ist jedoch sowohl unglaubwürdig als auch völlig unrealistisch, wenn sie selektiv gegenüber nur einem Land erhoben wird. Zumal wenn dieses Land Nachbarn hat, die ebenfalls über konventionelle Raketen verfügen oder deren Besitz anstreben. Das gilt etwa für Israel, Saudi-Arabien, Pakistan, die Türkei und Ägypten, deren Ambitionen zum Teil von den USA oder anderen Staaten unterstützt werden, die von Teheran eine Beschränkung oder gar die Einstellung des konventionellen Raketenprogramms fordern.
Die einzige ernsthafte, glaubwürdige und nicht völlig aussichtslose Alternative wäre eine multilaterale Abrüstungskonferenz der Staaten in der Region des Nahen und Mittleren Ostens – unter Einschluss Israels. Die Einberufung einer solchen Konferenz zum Verbot von atomaren, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen scheitert bis heute an der Verweigerungshaltung der israelischen Regierung, die nicht nur von den USA, sondern auch von Deutschland, Frankreich und Großbritannien unterstützt wird.
Ihre Strategie des maximalen Drucks auf Teheran rechtfertigte die erste Trump-Administration drittens mit der »destabilisierenden Rolle Irans« in der gesamten Region. Natürlich musste man im Sinne der universalen Menschenrechte das iranische Regime für ihr vielfältiges Engagement in der Region damals kritisieren: von der militärischen Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien über die Lieferung von Raketen an die Hisbollah im Libanon oder die Hamas im Gazastreifen bis hin zu der Ausbildung und Aufrüstung schiitischer Milizen im Irak oder den Waffenlieferungen an die Huthis im Jemen.
Aber auch hier war der Vorwurf der Destabilisierung an die Adresse Teherans höchst unglaubwürdig, wenn er aus Washington kommt. Denn keine Macht hat die Region seit Anfang der 1950er Jahre stärker und mit fataleren Folgen destabilisiert als die USA. Man denke nur an den Sturz der demokratischen Regierung Mossadegh in Teheran 1953; an die Förderung sunnitisch-islamistischer Extremisten, selbst durch Waffenlieferungen; an die Aufrüstung der wahhabitischen Dynastie, den größten regionalen Sponsor islamistischer Terrorgruppen; oder an den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak von 2003 und die anschließende Besatzung des Landes. Damit schufen die USA auch den Nährboden, auf dem die Terrororganisation »Islamischer Staat« im Irak wie in Syrien gedeihen konnte.
Unglaubwürdig ist aber auch die Kritik an der »destabilisierenden Rolle Irans« seitens der Regierungen in Berlin, London und Paris, solange diese die diktatorischen Herrscher in Riad als Verbündete behandeln und aufrüsten.
Das politische Ziel der Trump-Administration war damals schon ein »regime change« in Teheran. Ein solcher Wechsel ist durchaus denkbar, aber er dürfte kaum eine demokratische und die Menschenrechte respektierende Regierung hervorbringen. Mit ihrer Politik seit der Kündigung des Nuklearabkommens hat die Trump-Administration vielmehr die Hardliner in Iran gestärkt. Die können mit Verweis auf die Sanktionen der USA von ihrer Verantwortung für die hausgemachten wirtschaftlichen Probleme ablenken und zum Beispiel die Proteste gegen die Verteuerung von Treibstoff als von außen gesteuert diffamieren.
Als Reaktion auf den Ausstieg der USA und um die Europäer zu mehr Unterstützung zu veranlassen, setzte die iranische Führung in drei Schritten die Einhaltung verschiedener Bestimmungen des Abkommens vorläufig aus und versicherte zugleich, dass sie sich an das Abkommen gebunden fühle und es erhalten wolle. Nach der Ermordung General Soleimanis erklärte sie jedoch, sie werde bis auf Weiteres auch alle restlichen Bestimmungen nicht mehr beachten. Damit zeichnete sich die Gefahr ab, dass die Iraner unter dem Druck der Hardliner vollständig und endgültig aus dem Abkommen aussteigen. Für die Trump-Administration wäre dies ein probater Vorwand für einen Krieg. Am 13. Juni 2025 ist ihm Netanjahu mit dem Großangriff auf Iran quasi zuvorgekommen. Und auch wenn die republikanische Wählerbasis eher isolationistisch gestimmt ist, hindert das ihren Präsidenten nicht daran, eine militärische Lösung zu suchen – auf die Netanjahu schon lange drängt.
Andreas Zumach ist freier Journalist.
Eine frühere Fassung dieses Beitrags erschien in der Edition LE MONDE diplomatique No. 27 Iran. Theokratie und Republik
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