Mein erster Job im Jobcenter
Eine Kurzgeschichte von Mustapha Belhocine
Spa ist toll! Ich liebe das heiße Wasser und die sprudelnden Luftblasen, die meine Muskeln entspannen. Im Pariser Schwimmbad Pailleron gibt es einen herrlichen Whirlpool mit mehreren Warmwasserbecken. Das sind zwar nicht die Thermen in Budapest, aber für Arbeitslose ist der Eintritt frei. Als Nachweis reicht allerdings nicht die Arbeitslosigkeitsbescheinigung. Sie wollen eine aktuelle Bestätigung sehen. Man muss zu Hause daran denken und das zusammengefaltete Blatt in die Brieftasche stecken. Manchmal vergisst man es, und manchmal möchte man sogar bezahlen, das Privileg demonstrativ ablehnen. Zum Glück bin ich nicht auf den Mund gefallen. Ich habe immer meinen Lebenslauf dabei, und sobald ich irgendwo hinkomme, frage ich: „Ist bei Ihnen was frei?“ Einmal hatte ich meine Bestätigung nicht dabei, aber meinen Lebenslauf.
„Guten Tag, eine Arbeitslosenkarte fürs Schwimmbad bitte.“
„Haben Sie eine aktuelle Bestätigung?“ (Ich tu so, als würde ich in meinen Taschen suchen.) „So ein Mist, ich finde Sie nicht. Aber ich bin wirklich arbeitslos.“
„Ihre Karte ist von Juni 2010.“
„Leider bin ich immer noch arbeitslos! Apropos, ist bei Ihnen was frei?“
„Wie bitte?“
„Ich meine, ob eine Stelle frei ist.“
„Äh, ja, wir haben freie Stellen.“
„Gut, hier ist mein Lebenslauf. Was für eine Stelle ist es denn?“
„Hier, Ihre Eintrittskarte.“ Und schon sitze ich im blubbernden Whirlpool.
Das monatliche Gespräch läuft gut, meine Beraterin ist nett und verständnisvoll. Sie weiß, dass sie mir nicht viel anbieten kann und dass die Aussichten, einen Job zu finden, bei meinem Lebenslauf begrenzt sind. „Wir werden Sie weiterhin als arbeitssuchend führen. Haben Sie noch Fragen?“
„Also, da ich gewisse berufliche Erfahrungen habe und mich mit den Wiedereingliederungsmaßnahmen inzwischen ganz gut auskenne (und außerdem gern ein kleines Büro hätte, in dem ich von 9 bis 5 arbeiten kann), wollte ich mal fragen, ob Sie im Jobcenter Leute suchen.“
„Ja, schon. Warum nicht? Stimmt, Sie erfüllen die Anforderungen für die Stelle. Bewerben Sie sich bei der Personalabteilung der Regionalverwaltung. Ich schreibe Ihnen die Adresse auf.“
Ich schicke also Lebenslauf und Anschreiben, freue mich schon über die Aussicht, genommen zu werden, obwohl ich nicht wirklich daran glaube. Zu meinem größten Erstaunen werde ich eine Woche später eingeladen. Das ist großartig! Na gut, es ist nur ein Vorstellungsgespräch, aber auch das kommt so selten vor, dass schon das Gespräch ein Erfolg ist. Der Job ist dann das Sahnehäubchen.
Ich muss zum Sitz der Regionalverwaltung in Noisy-le-Grand, in der Banlieue. Klingt nach dunklen, kalten Fluren. Stattdessen stehe ich vor einem prächtigen Gebäude, zeitgenössische Architektur, geradezu futuristisch. Das Foyer ist hell und geräumig. Breite Ledersofas, Plasmabildschirme an den Wänden, üppige Zimmerpflanzen, klare Linien, die hübschen Empfangsdamen wie aus dem Ei gepellt.
Das Erste, was mir ins Auge fällt, ist der Fitnessraum. Ich stelle mir vor, wie die Manager in der Mittagspause beim Cardio-Training auf dem Laufband schwitzen, während sie auf ihrem iPad die Mails checken. Schöne Cafeteria daneben. Und nun überfällt mich doch Sarkasmus: „Jetzt versteh ich, was sie mit der Kohle machen … Und vor allem, warum sie mir keinen Job geben.“ Irgendwie kleinlich, ich weiß, aber ich habe solche Lust, mich nach dem Training mit einem Pfefferminztee in ihre Sessel zu fläzen und mein Wochenende in Budapest zu planen!
Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit beherrsche ich die Rhetorik dieser Gespräche aus dem Effeff. Der Personalchef nennt das Gehalt. Ich falle fast in Ohnmacht. Die zu besetzende Stelle ist in der Abteilung Arbeitslosengeld, Kundenberater am Empfang, verschiedene Bürotätigkeiten (Post, Telefon, Nachfragen): Ich platze vor Begeisterung. Er sagt, dass meine Bewerbung an eine andere Ebene der Personalverwaltung übermittelt wird. Zwei Tage später: „Guten Tag, hier ist das Jobcenter. Wir möchten Sie gern zu einem Gespräch einladen. Übermorgen, passt das?“
Die Eingangshalle ist voller Leute. Brav stelle ich mich an. Aber ich komme doch zu einem Bewerbungsgespräch! Ich bin so daran gewöhnt … Also gehe ich an allen vorbei bis zu der Sperre, an der ein Beamter steht. Ich sehe mich schon an seinem Platz. Er zeigt mir den Weg. Zum ersten Mal stehe ich auf der anderen Seite der Sperre!
„Ich will Ihnen nichts vormachen, unsere Hauptsorge ist die Lenkung der Personenströme. Haben Sie die Massen unten gesehen? Für die Berater reine Zeitverschwendung – Zeit, die für die Durchsicht der Akten fehlt –, dabei könnten die meisten Anfragen von den Kunden selbst beantwortet werden. Erst mal werden Sie neben den Verwaltungsaufgaben eine Art fliegender Berater sein: Sie gehen zu den Leuten und beantworten allgemeine Fragen. Kennen Sie die Website des Jobcenters?“ Und ob! „Gehalt: 1 590 Euro brutto, 13. Monatsgehalt und Urlaubsgeld, Restaurantgutscheine … Sehen wir uns mal Ihre Bewerbung an. Sie haben keine anderen Verpflichtungen?“
„Ich muss noch zwei, drei Unternehmen antworten, ich habe mich noch nicht entschieden, aber jetzt habe ich alle Informationen, um zu vergleichen.“
Drei Tage später erhalte ich per Mail eine Einladung zur Vertragsunterzeichnung. Im Amt wird eine große Zeremonie organisiert. Kommt mir vor wie eine Taufe. Ich stürze mich aufs Kuchenbuffet, aber eigentlich will ich nur unterschreiben. Es ist ein Mitarbeitertag, unbezahlt, die Teilnahme eine Ehre. Ich spitze die Ohren, als die Redner über Betrug reden: von Kunden, aber vor allem von Angestellten des Jobcenters. „Wir verstehen natürlich, dass Sie neugierig darauf sind, einen Blick in Ihre Akte zu werfen; Sie können einen Kollegen darum bitten, nur einmal, um sie zu sehen. Ansonsten ist es verboten.“
Sie sorgen sich vor allem um sogenannte Dubletten: Gehaltsempfänger, die immer noch als arbeitssuchend gemeldet sind und zusätzlich zum Lohn Arbeitslosengeld kassieren. Und dann kommt endlich die Vertragsunterzeichnung: Befristeter Vertrag über sieben Monate, ein Monat Probezeit, da kommt eine hübsche Summe zusammen.
Der erste Tag hat begonnen. Ich bekomme einen Ausbilder, eine Art Tutor, und staune, dass er auch nur eine befristete Stelle hat. Er ist erst ein paar Monate da, aber man stellt ihn mir als „sehr kompetent“ vor, „ein Alleskönner“. Die erste Woche wird ruhig, erst mal alle Bereiche kennenlernen: Post sortieren, Empfang, Terminvergabe, Gespräche.
Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Die Postverteilung ist bis ins Letzte organisiert: sauber öffnen, stempeln, in Eingangskörbe sortieren, dann in Unterkörbe verteilen. Ich begreife überhaupt nichts, aber ich gebe mir Mühe und stelle Fragen. Das werd ich schon irgendwann hinkriegen. Dann gehe ich mit zu den Beratungsgesprächen. Da bin ich in meinem Element. Während der Auswertung sage ich den Beratern, dass mir das gefällt und dass ich das machen möchte. Sie dämpfen meinen Eifer: Das ist für später, wenn man aufsteigt, nach zwei, drei Jahren. Nichts für mich mit meinem befristeten Vertrag.
Die Personenlenkung erweist sich als schwierig, viele Menschen, viel Unmut. Es gibt auch einen Wachschutz im Jobcenter: Verbale Angriffe sind an der Tagesordnung, oft kommt es zu Handgreiflichkeiten. Nach einer Stunde brummt mir der Schädel. Dabei habe ich nur zugesehen und nicht eine einzige Frage beantwortet.
Der Pausenraum ist ein idealer Ort für soziologische Beobachtungen. Es gibt dort einen Tisch für die Vorgesetzten und einen für die Mitarbeiter. Wer erzählt den besten Arbeitslosenwitz?
Die Krönung des Tages ist der „Kunde“, der Ansprüche stellt und sich im Recht glaubt: „Ich hab die Nase voll von diesen Typen, die mir erzählen, das sei ihr Geld, sie hätten schließlich Beiträge gezahlt. Neulich hab ich einen beim Wort genommen. Ich hab gesagt: ‚Bitte schön, wir zählen mal zusammen, was Sie eingezahlt haben, und dann rechne ich aus, was Ihnen zusteht … Das wären zehn Euro am Tag.‘ “ – „Und hast du den gesehen? Kommt braungebrannt aus dem Urlaub zurück und sagt: ‚Ich versteh nicht, warum mein Name aus der Kartei der Arbeitsuchenden gestrichen wurde!‘ Ich guck in seine Akte und sage: ‚Sie hatten einen Termin, den Sie nicht wahrgenommen haben.‘ ‚Ich war im Urlaub.‘ ‚Aber Sie haben gewisse Verpflichtungen, wenn Sie als arbeitssuchend gemeldet sind! Sie dürfen natürlich Urlaub machen, aber das müssen Sie vorher anmelden. Arbeitssuchend heißt nicht nur, Geld kassieren, sondern aktiv eine Stelle suchen, das ist ein Vollzeitjob, das ist echte Arbeit.‘ So wie dieses eine kugelrunde Mädel, der hab ich die Anmeldung gleich zurückgegeben und ihr gesagt: ‚Sie wollen doch nicht ernsthaft im fünften Monat eine Arbeit suchen!‘ “
Die Einarbeitung wird durch den stellvertretenden Direktor unterbrochen: „Die Software zeige ich Ihnen nur kurz, darauf müssen wir keine Zeit verschwenden, ich brauche Leute für die Lenkung der Personenströme. Ich möchte Sie möglichst schnell an eine Sperre stellen. Sie gehen an die Front.“
Das ist also die Pointe der Geschichte: Sie haben mich eingestellt, damit ich den Wachposten mache. Das Jobcenter liegt in einem „sensiblen“ Gebiet, am Rand mehrerer Wohnviertel mit hoher Arbeitslosenquote, und ich muss jetzt ins kalte Wasser springen. Ich denke an meine letzte Erfahrung in der Sozialarbeit, wo ich den Kampf aufgeben musste. Das wird hart, aber ich schaffe es, ich werde doch nicht bei der kleinsten Schwierigkeit das Handtuch werfen.
Am nächsten Tag stoße ich schnell auf Vertrautes. Meine Erfahrungen als Erzieher melden sich zurück: „auf den anderen zugehen“, „eine Beziehung herstellen“. Aber genau das ist das Problem: Ich wollte etwas anderes machen. Ich schaffe es nicht, ich schaffe es nicht. Aber ich muss! Nur Mut! Zur Mittagspause tut mir der Rücken weh, ich bin fix und fertig. Der Chef ruft mich zu sich: „Kann ich kurz mit dir sprechen? Also, na ja, ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Wie soll ich es dir sagen? Ich bin jünger als du, das ist mir peinlich. Jemand hat sich darüber beschwert, wie du rumläufst.“
„Was?“ Ich starre auf seine alten Treter, die ausgewaschenen Jeans … Und würde am liebsten loslachen. „Also gut, Folgendes: Ein Kollege hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass deine Jeans zu tief sitzen. Ich red jetzt Klartext: Du musst deine Hose hochziehen. Darauf musst du wirklich achten.“ „Okay, ich achte drauf.“ „Das gefällt mir an dir, dass man offen mit dir reden kann. Weißt du, ich hab heute Nacht schlecht geschlafen deswegen, ich habe sogar mit meiner Frau darüber gesprochen. Und dann wollte ich es dir lieber unter vier Augen sagen, nicht vor den anderen.“
Danke. Zu freundlich! Ich will nicht ausrasten! Beinahe hätte ich den Spieß umgedreht und ihm gesagt, dass mir auch jemand etwas über sein Aussehen gesagt hat – aber ich will bis zum Ende durchhalten. Mit erhobenem Haupt und zwei neuen Löchern im Gürtel komme ich zur Arbeit, ganz stolz, dass ich meinem revolutionären Impuls nicht nachgegeben habe. Man muss ein „Gefühl für seinen Platz“ haben und Ungerechtigkeit ertragen, sonst geht es nicht. Wenn man ein Gefühl für soziale Gerechtigkeit und Respekt für den anderen hat, kündigt man jeden Job in den ersten fünf Minuten. Also kämpfe ich gegen mich selbst und akzeptiere die Herrschaftsbeziehungen. Ich bin sogar zufrieden, denn ich fühle mich als richtiger Lohnempfänger, Arbeiter, Beherrschter. Ich sage mir, dass ich sieben Monate durchhalten werde: Sie können alles mit mir machen, ich werde es hinnehmen.
Vier Tage Arbeit und immer schlimmere Rückenschmerzen. Ich sehe die Leute auf beiden Seiten der Sperre in gegenseitigem Unverständnis leiden. Am Ende der Woche, nach der Hälfte der Probezeit, habe ich einen Termin beim stellvertretenden Direktor: „Ich bin sehr froh, hier zu sein, aber irgendwie gibt es in diesem Jobcenter besonders viele Leute. Verzweifelte Leute, die Antworten erwarten. Und ganz ehrlich, ich kann nicht mehr, es macht mir keinen Spaß. Mein Hauptanliegen war, auf ein anderes Gleis zu wechseln, administrative Arbeit zu machen, und jetzt bin ich wieder beim Sozialen, das passt irgendwie nicht.“
„Das haben wir auch festgestellt. Man merkt, dass du dich bei der Lenkung der Personenströme im Hintergrund hältst (was eigentlich nicht stimmt; ich habe einem Maximum an Personen ein Maximum an Antworten gegeben). Ich glaube, wir belassen es dabei. Ganz ehrlich, deine Kompetenz steht nicht infrage, wir waren sehr froh, dich eingestellt zu haben. Wir haben dich vor allem ausgewählt, weil du angemessen reagierst, und wir fanden es gut – da will ich dir nichts vormachen –, dass du als Sozialarbeiter Erfahrung hast mit Leuten, die in Schwierigkeiten stecken. Außerdem wollten wir einen Mann, weil im Jobcenter derzeit fast nur Frauen beschäftigt sind.“
„Nicht zu vergessen die kulturelle Nähe zu den Leuten.“ „Nein, nein, es war vor allem deine Erfahrung. Also, ganz ehrlich, es ist schade, aber es lohnt sich nicht, es noch länger zu probieren, besser für beide Seiten. Du kannst doch nicht sechs Monate so widerwillig weitermachen.“
In mir brodeln widersprüchliche Gefühle. Erst bin ich heilfroh, dann ein bisschen enttäuscht. Enttäuscht, dass ich nicht durchgehalten habe, nicht strategisch genug war. Aber letztendlich doch zufrieden, dass ich diesen erbärmlichen Job nicht weitermachen muss, und immerhin mit der kleinen Befriedigung, dass es nicht von mir ausgegangen ist. Wobei ich mir da auch ein bisschen was vormache: Ich habe meinen Rauswurf mehr oder weniger unbewusst provoziert.
Und schon stehe ich wieder auf der anderen Seite der Sperre. Die Arbeitsphasen werden immer kürzer. Ich brauche jetzt einmal den Whirlpool!
Epilog
Nach dem Abbruch hatte ich größte Schwierigkeiten, meine Endabrechnung und die entsprechenden Papiere zu erhalten, ich wurde wegen eines Fehlers des Jobcenters aus der Datei gestrichen. Aber das ist eine andere Geschichte …
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz Mustapha Belhocine ist Schauspieler und Erzähler aus der großen Welt der prekären Arbeit.