Der andere Obama
von Serge Halimi
Barack Obama hat eine echte Chance. Er könnte einen der unbeliebtesten Präsidenten in der Geschichte seines Landes ablösen. Er ist jung, er ist ein Farbiger, und alle Welt scheint auf ihn zu setzen. Damit könnte er mehr als jeder andere in der Lage sein, die Marke USA zu rehabilitieren und die Interventionen Washingtons in aller Welt wirksamer, weil akzeptabler zu machen und damit mehr Mitstreiter zu gewinnen. Das gilt auch für Militäreinsätze, insbesondere in Afghanistan.
Im Sommer 2007 schrieb Obama in Foreign Affairs, er wolle ein ebenso starkes Bündnis wie „die antikommunistische Allianz, die den Kalten Krieg gewonnen hat“, damit man „von Dschibuti bis Kandahar“ in der Offensive bleiben könne. Allen, die noch glauben, ein „multikultureller“ Präsident kenianischer Herkunft verweise auf die Ankunft eines amerikanischen „neuen Zeitalters“, ein friedlicher Ringelreigen der Völker, hat der demokratische Kandidat bereits klargemacht: Er ist weniger von Pink Floyd oder George McGovern inspiriert als von der „realistischen, von beiden großen Parteien getragenen Außenpolitik eines Bush senior, eines John F. Kennedy und in mancher Hinsicht eines Ronald Reagan“.
Mit dem Multilateralismus hat Obama also keine Eile, doch der Imperialismus wird softer, wendiger, besser abgestimmt sein, und womöglich nicht ganz so blutig. Wobei allerdings auch in den Embargojahren der Ära Clinton sehr viele Iraker den Tod fanden.
Barack Obama ist eine Begabung. „Hoffnung wagen“, sein Programm in Buchform, zeugt von Geschichtsverständnis, politischer Raffinesse und Einfühlungsvermögen für den Gegner, bei dem er „gemeinsame Werte“ entdecken will. In sorgsam balancierten Wendungen bietet er (fast) jedem etwas, bis hin zu Überzeugungen, die nur durch eine bedenkliche Lobrede auf Clinton beeinträchtigt werden, der den Demokraten einige „politische Exzesse“ ausgetrieben habe. Meint er damit etwa die Ablehnung der Todesstrafe? Oder Sozialhilfe für die Armen, die Verteidigung bürgerlicher Freiheitsrechte, die Einhaltung des Völkerrechts?
Barack Obama hat Ehrgeiz. Wie weit wird er gehen, um sein politisches Ziel zu erreichen? Die letzten Monate scheinen zu zeigen: immer weiter nach rechts. Damit ist er zwar noch kein zweiter McCain. Aber er setzt sich deutlich vom progressiven Diskurs der ersten Wahlkampfphase ab, deutlich weiter, als es die größten Idealisten unter seinen Anhängern befürchtet haben. Seine Formel „Yes We Can“ bedeutet nunmehr auch: Ja, wir können kritisieren, dass der Supreme Court die Hinrichtung von Vergewaltigern ausgeschlossen hat. Ja, wir können vor der proisraelischen Lobby die starrsten Positionen der Regierung Olmert befürworten. Ja, wir können den Begriff „Kreativität“ mit der Privatwirtschaft assoziieren.
Noch beunruhigender ist allerdings, dass Obama sich anschickt, dem System der Wahlkampffinanzierung aus öffentlichen Geldern einen vielleicht tödlichen Schlag zu versetzen. Angesichts seiner sprudelnden Spendengelder hat er angekündigt, auf die Auszahlung der 84,1 Millionen Dollar zu verzichten, die ihm aus der Staatskasse zustehen. Damit ist aber die Beschränkung der Wahlkampfausgaben auf eben diese Höhe ausgehebelt. Der Einfluss des Geldes ist im politischen System der USA ein gewichtiges Problem. Der Hoffnungsträger hat nun signalisiert, dass er es nicht anpacken will.
Noch hat Obama einige Chancen, nicht zu enttäuschen. Es ließe den Freunden des amerikanischen Volkes die Chance, „Hoffnung zu wagen“.