Mugabes Wahnsinn mit Mbekis Methode
von R. W. Johnson
Simbabwe treibt auf eine Entscheidung zu. Die Verhandlungen, die Ende Juli zwischen der Zanu-PF des Präsidenten Mugabe und dem oppositionellen Movement for Democratic Change (MDC) begonnen haben, sind in gewisser Weise nur eine Formalität. Denn im Grunde ist längst klar, dass das Mugabe-Regime sich nicht mehr lange halten kann.
Das liegt nicht nur an der absehbaren Hungerkatastrophe. Angesichts einer Inflationsrate, die im August wahrscheinlich noch auf 100 Millionen Prozent klettern wird, und der Tatsache, dass das Geld für die Gehälter von Polizei und Armee ausgeht, steht das Regime am Abgrund. Und in den Kulissen wartet bereits eine Koalition westlicher Länder, von der in der Regierungspropaganda als „Fischhändler-Gruppe“ die Rede ist und die einer demokratischen Nachfolgeregierung das Geld bereitstellen wird, ganz nach dem Skript der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Unter diesen Umständen müsste das Mugabe-Regime eigentlich auf der Stelle abdanken. Aber das ist keinesfalls sicher. Denn dieses Regime befindet sich ja gerade deshalb in seiner gegenwärtigen Lage, weil es sich noch in der Agonie an die Macht klammert.
Die Ereigniskette, die Simbabwe in die aktuelle Sackgasse gebracht hat, begann am 11. März 2007, als führende Mitglieder und Aktivisten des MDC, darunter auch der Parteivorsitzende Morgan Tsvangirai, verhaftet, zusammengeschlagen und gefoltert wurden. Damals hatte Simbabwes Präsident Robert Mugabe beschlossen, den MDC vor den für 2008 anstehenden Wahlen ganz auszuschalten. Der erste Schritt bestand darin, sämtliche Kundgebungen und Versammlungen der Opposition zu verbieten. Daraufhin wurden die lokalen Kirchen aktiv und organisierten eine Gebetsveranstaltung in Highfield, einem Vorort von Harare. Auf dem Weg nach Highfield musste Tsvangirai feststellen, dass der ganze Bezirk von der Bereitschaftspolizei abgeriegelt war und dass auch diese Versammlung auf Anordnung des Präsidenten untersagt war.
Im Polizeirevier von Machipisa
Nach Hause zurückgekehrt, erfuhr er, dass die Polizei in Highfield etliche Bürgerrechtsaktivisten und MDC-Mitglieder festgenommen und in das örtliche Polizeirevier von Machipisa verbracht hatte. Tsvangirai fasste den mutigen Entschluss, zurückzufahren und sich für die Inhaftierten einzusetzen. Kaum war er vor dem Polizeirevier angelangt, zerrten ihn Polizisten aus dem Auto und schlugen seinen Kopf mehrere Male gegen die Hauswand. Dann brachte man ihn und seine Begleiter in das Gebäude, wo sie geschlagen und gefoltert wurden – mit Gewehrkolben, Patronengurten und Nilpferdpeitschen. Wie Tsvangirai später berichtete, trafen ihn die meisten Schläge am Kopf und im Gesicht, „begleitet von obszönen verbalen Angriffen auf mich selbst, meine Familie, meine Partei und meine Anhänger – es war wie ein böser Traum“. Dreimal wurde der MDC-Führer ohnmächtig, dreimal wurde er mit einem kalten Wasserguss wiederbelebt. Dann gingen die Misshandlungen weiter, bei denen sich eine Frau mit Armeegürtel besonders hervortat.
Die Bilder von Tsvangirai, wie er einige Tage später – mit verbundenem Kopf und zugeschwollenen Augen – aus dem Krankenhaus entlassen wurde, gingen um die ganze Welt. Er hatte einen Schädelbruch erlitten und Bluttransfusionen bekommen. Von seinen Leibwächtern, die ebenfalls verprügelt wurden, erlag einer später seinen Verletzungen. Ein weiterer MDC-Aktivist wurde erschossen, viele andere gefoltert und zusammengeschlagen. Wenig später waren die aus dem Land geschmuggelten Aufnahmen des verletzten Tsvangirai auf den Fernsehschirmen der ganzen Welt zu sehen – und das Mugabe-Regime stand am Pranger.
Dass man mit dem Führer der größten – und gewaltfreien – Oppositionspartei so umsprang, machte deutlich, was die Stunde geschlagen hatte. Der Fall löste in der internationalen Öffentlichkeit so viel Empörung und so zahlreiche und lautstarke Proteste aus, dass sich sogar Mugabes treuester Anhänger, der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki, besorgt äußerte und die Regierung in Harare höflich ersuchte, „dafür zu sorgen, dass die Rechtsstaatlichkeit einschließlich der Rechte aller Bürger Simbabwes und der Führer der politischen Parteien gewahrt wird“. Als Mugabe begriff, wie sehr ihm die Fernsehbilder geschadet hatten, ließ er ermitteln, wer die Aufnahmen gemacht hatte. Kurz darauf wurde der Kameramann Edward Chikombo aus seinem Haus in Harare gekidnappt, wenige Tage später fand man seine Leiche.
Das internationale Echo auf diese Vorgänge war so stark, dass sich Mugabe und Mbeki zu einem Wechsel ihrer Taktik veranlasst sahen. Dabei stand für Mbeki fest, dass Mugabes Zanu-PF um jeden Preis an der Macht bleiben sollte – schließlich müssen in dieser Sichtweise die nationalen Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika, die mit ihrem bewaffneten Kampf die Herrschaft der Weißen abgeschüttelt haben, unbedingt zusammenhalten. Das betrifft die herrschenden Parteien in Angola, Mosambik, Namibia, Simbabwe und Südafrika.
In den Köpfen von Mbeki und Mugabe sitzt die fixe Idee, dass der westliche Imperialismus einen brutalen Feldzug gegen diese Regierungen führt, der – wenn möglich – auf die Restauration der überwundenen Regime abzielt, also der Apartheid, des Kolonialsystems und der Herrschaft der weißen Siedler wie im alten Rhodesien. In diese Strategie wird der Imperialismus verschiedene lokale Parteien als seine „Lakaien“ einspannen. Gemeint sind damit die Inkatha und die Demokratische Allianz in Südafrika, die Renamo in Mosambik, die Unita in Angola und eben der MDC in Simbabwe. In diesem Vernichtungskampf ist Simbabwe derzeit das schwächste Glied, weshalb die anderen Befreiungsbewegungen die Zanu-PF bis zum letzten Blutstropfen verteidigen müssen. Denn wenn Simbabwe „fiele“, wären Südafrika und die anderen Länder als Nächste dran.
Seit die Krise in Simbabwe im Jahr 2000 erstmals zutage getreten war, sah Mbeki seine Rolle darin, Mugabe entschlossen zu unterstützen, zugleich aber zu behaupten, dass er das Problem mit Mitteln der „stillen Diplomatie“ zu lösen versuche. Das verschaffte Mugabe eine Atempause, in der er seine ländliche Revolution gegen die weißen Farmer durchziehen und die imperialistischen Lakaien des MDC liquidieren konnte. Auf diese Weise wollte er sein Land wieder stabilisieren und die Macht neu austarieren – mit der Zanu-PF in der Rolle einer faktisch konkurrenzlosen Staatspartei.
Dabei gab es nur ein Problem: Indem Mugabe 90 Prozent der weißen Farmer verjagte, fügte er der Volkswirtschaft einen irreparablen Schaden zu. Auf diese Weise war weder die Wirtschaft noch die Gesellschaft zu stabilisieren, der Niedergang ging vielmehr beschleunigt weiter. Und auch der MDC verschwand – trotz ständiger Repressionen – nicht von der Bildfläche. Mugabe unternahm einen weiteren rabiaten Versuch, die Opposition zum Verschwinden zu bringen, löste damit aber nur eine massive Reaktion der internationalen Öffentlichkeit aus, die alle Länder der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (Southern African Development Community, SADC) in Mitleidenschaft zog.
Die meisten dieser SADC-Staaten werden nicht von nationalen Befreiungsbewegungen regiert. Sie hegen also nicht die paranoiden Vorstellungen von Mugabe und Mbeki über die drohende Wiedererrichtung der weißen oder kolonialen Herrschaft und sind im Übrigen durchweg auf westliche Hilfe angewiesen. Die SADC hat für ihre Mitglieder einen Katalog von Standards für die Durchführung von Wahlen verabschiedet, der den Kriterien westlicher parlamentarischer Systeme voll und ganz entspricht. Diese Regeln sollen für alle Wahlen innerhalb der SADC verbindlich sein, und die westlichen Geldgeber, die einen Großteil der Aktivitäten des SADC wie seiner Mitgliedstaaten finanzieren, achten auf ihre Einhaltung.
Die SADC folgt zwar in der Regel den Wünschen der regionalen Vormacht Südafrika, aber in diesem Fall drängten die westlichen Unterstützerländer und auch einige afrikanische Politiker darauf, die Krise in Simbabwe durch eine Verhandlungslösung zu beenden, bevor weitere Ausbrüche von Gewalt und Staatsterror die Welt schockieren. Deshalb wurde der südafrikanische Präsident zum Vermittler ernannt.
Die langwierigen Verhandlungen mit einer SADC-Delegation unter Mbekis Führung erbrachten am Ende eine neue Verfassung für Simbabwe sowie ein neues Wahlgesetz und wichtige Änderungen im Gesetz über die „öffentliche Ordnung“. Die Zahl der Parlamentssitze wurde von 120 auf 210 erhöht. Das Recht des Präsidenten, 30 zusätzliche Parlamentarier zu ernennen, wurde abgeschafft. Auch das Verfahren für die Präsidentschaftswahlen wurde geändert: Wenn im ersten Wahlgang nicht einer der Kandidaten 50 Prozent der Stimmen erreicht, kommt es innerhalb von 21 Tagen zu einer Stichwahl. Die SADC betonte überdies, dass sie nicht noch einmal durch staatlich organisierte Gewalt in Verlegenheit geraten wolle. Mugabe ließ daraufhin als Wahlbeobachter nur Vertreter von SADC-Ländern und anderen ihm wohlgesonnenen Staaten zu, von denen er annehmen konnte, dass sie seinen Sieg als Ergebnis „freier, fairer und glaubwürdiger“ Wahlen bescheinigen würden.
Kleingedrucktes mit großer Wirkung
Diese neue Abmachung lief faktisch auf einen Deal zwischen Mbeki und Mugabe hinaus, der diesem den Machterhalt seiner Zanu-PF, wenn auch mit sanfteren Mitteln, garantieren sollte. In der Befürchtung, dass die Herrschaft der Zanu-PF mit der Person Mugabe gleichgesetzt würde, forderte Mbeki, dass der 84-jährige Präsident sein Amt zugunsten des jungen Modernisierers Simba Makoni aufgeben sollte. Als Mugabe dies verweigerte, ging Makoni als Dissident der Zanu-PF ins Rennen, wobei er hoffte, genügend Stimmen zu gewinnen, um in der zweiten Wahlrunde durchzukommen.
In einem Punkt waren sich Mbeki und Mugabe jedoch einig: Tsvangirai und der MDC durften auf keinen Fall siegen. Und beide waren überzeugt, dass die neuen Wahlmodalitäten den MDC hinreichend benachteiligten. So jedenfalls sieht es Willias Mudzimure, der für die MDC in Harare einen Parlamentssitz erobert hat: „Ganz sicher dachten sie, dass Mugabe gewinnen und dass die SADC damit ganz zufrieden sein würde. Sie hatten gesehen, wie stark Mugabe bei den ländlichen Wählern abgeschnitten hatte; und so kalkulierten sie, dass das vergrößerte Parlament mehr Sitze für die ländlichen Regionen bedeutet, die alle an Mugabe gehen würden. Und weil auf dem flachen Lande bei früheren Wahlen so viel Terror herrschte, konnten wir oft keine Kandidaten finden – die Leute hatten einfach zu viel Angst.“
Hinzu kommt ein zweiter Punkt. Der MDC hatte, wie schon in der Vergangenheit, keinerlei Zugang zu den staatlichen Medien einschließlich Radio- und Fernsehstationen. Und da die Opposition nur von einer einzigen Zeitung unterstützt wurde – der inzwischen verbotenen Daily News, deren Druckerei in die Luft geflogen ist – war sie bei der Verbreitung ihres politischen Programms stark benachteiligt. Zu allem Übel hatte sich der MDC auch noch gespalten, und die beiden rivalisierende Bewegungen jagten sich gegenseitig die Stimmen ab, wobei der eine Flügel im Grunde die Partei der Ndebele darstellt, die nur noch im ländlichen Matabeleland Unterstützung findet, während die Mehrheitsfraktion zu Tsvangirai hält. Und der MDC kannte seine Probleme so gut, dass er fast bettelte, die Wahlen um drei Monate zu verschieben.
Vor allem aber hatte der Staat die Kontrolle über die Wählerlisten, in die er viele Verstorbene und sonstige fiktive Wähler eintragen ließ. Dem MDC hingegen blieb jeglicher Zugang oder gar das Abkopieren dieser Listen verwehrt. All das erschien Mugabe und Mbeki als ausreichende Garantie für einen Sieg der Zanu-PF, selbst bei einer friedlichen Wahl. Um dennoch keinerlei Risiko einzugehen, ordnete Mugabe im letzten Moment an, in den Wahllokalen Polizisten zu postieren, die den Wählern „beistehen“ könnten. Das alles schrie so zum Himmel, dass am Ende des Wahltags sogar etliche SADC-Wahlbeobachter die Köpfe schüttelten, obwohl die Leitung des Teams die Wahlen eilends für frei, fair und glaubwürdig erklärt und schon die Heimreise angetreten hatte, bevor man überhaupt irgendwelche Ergebnisse verkündet hatte.
Aber dieses ganze ausgeklügelte Konzept ging am Ende nicht auf. Wahrscheinlich hatte Mbeki das Kleingedruckte nicht gelesen, das seine SADC-Handlanger in die neuen Vorschriften hineingeschrieben hatten – und das nun entscheidende Bedeutung bekam. Allen voran eine neue Bestimmung im Gesetz über die öffentliche Ordnung, nach der eine private Zusammenkunft keiner polizeilichen Erlaubnis mehr bedurfte. Bis dahin hatte die Polizei ihre Macht genutzt, um MDC-Führer daran zu hindern, sich mit ihren örtlichen Aktivisten zu treffen. Jetzt konnte man solche Treffen als privat deklarieren, was es dem MDC viel leichter machte, seine Basis zu organisieren. Besonders wichtig war dies für die ländlichen Regionen, wo sich die Bewegung Tsvangirais nun besonders erfolgreich ausbreitete. Mithilfe ihrer großen Wahlkundgebungen konnte sie am Ende etliche Parlamentssitze in diesen zuvor von der Zanu-PF beherrschten Gebieten erringen.
Nach Ansicht Mudzimures waren für den Erfolg auf dem flachen Land zwei Faktoren entscheidend: „Mugabes Landreform ist eine Katastrophe, über die konnte er also nicht reden. Und von dem Stimmenkauf durch die Vergabe von Traktoren und landwirtschaftlichen Geräten profitierten am Ende nur seine reichen Gefolgsleute, die jetzt die Ländereien haben. Da sagten sich die normalen Leute: Unabhängigkeit bedeutet offenbar, dass diese Leute uns alles wegessen. Mugabe blieb also nichts anderes übrig, als immer nur über den Krieg gegen Ian Smith in den 1970er-Jahren zu reden. Aber den jungen Leuten sagt das gar nichts, und die Probleme von heute haben damit nichts zu tun.“
Als zweiten Faktor verweist der MDC-Abgeordnete auf ein weiteres Dilemma der Zanu-PF. In früheren Wahlen hatte die Regierungspartei Nahrungsmittel und Saatgut an ihre Anhänger verteilt. Wer nicht für die Zanu-PF stimmte, hatte nichts zu essen. „Aber jetzt“, meint Mudzimure, „haben alle einen Parteiausweis, und es gibt trotzdem nichts zu essen, weil der Staat einfach keine Reserven mehr hat.“ Und als Mugabe versuchte, Großbritannien und die Sanktionen für die Versorgungslücken verantwortlich zu machen, „sagten die Leute nur: ‚Das hast du früher auch schon behauptet, aber was tust du dagegen?‘ Sie hatten die Ausreden satt.“ Hinzu kam, dass die Zanu-PF durch die Kampagne von Simba Makoni deutlich außer Tritt gekommen war. Für die Gefolgschaft der Partei war es zutiefst desillusionierend, von einem hohen Repräsentanten der Zanu-PF gesagt zu bekommen, dass alles, was Mugabe über gezielte Sanktionen und das von den Briten verursachte Elend sagte, gar nicht stimme und dass Mugabe selbst für die katastrophale ökonomische Lage verantwortlich sei.
Dies alles zeigt, dass die Wahlkampagne eine Wirkung erzielte, die das Regime zuvor immer mit gewaltsamen Mitteln und Wahlmanipulationen verhindert hatte. Als in den ländlichen Gebieten ein friedlicher Wahlkampf möglich wurde, war mit einem Mal die Annahme widerlegt, dass das gesamte flache Land „sicheres“ Zanu-PF-Territorium sei.
Ein letzter Faktor: Die SADC-Rechtsexperten hatten, ohne dass es besonders aufgefallen war, in das neue Wahlgesetz im Abschnitt 64 (1) E die Bestimmung eingebaut, dass alle Stimmen in den Wahllokalen, in denen sie abgegeben wurden, auszuzählen sind und dass dieses Auszählungsergebnis – unter Aufsicht der Parteienvertreter – auf einem Formular festzuhalten und öffentlich außerhalb des Wahllokals auszuhängen sei. Die Opposition hatte damit eine idiotensichere Möglichkeit, Wahlfälschungen aufzudecken und zu verhindern. Kein Mensch in Simbabwe hat die geringsten Zweifel, dass die Regierung sich ohne diese Bestimmung mittels der üblichen gefälschten Stimmzettel einen Wahlsieg ergaunert hätte.
Rund 18 Stunden nach Schließung der Wahllokale an jenem denkwürdigen 29. März 2008 meldete die zentrale Wahlkommission (ZEC) dem Politbüro der Zanu-PF ihre erste inoffizielle Prognose des Wahlergebnisses: Tsvangirai würde auf 58 Prozent, Mugabe auf 27 Prozent und der Zanu-PF-Dissident Makoni auf 15 Prozent der Stimmen kommen. Tatsächlich basierte diese Schätzung auf einer zu beschränkten, weil städtisch geprägten Stichprobe, die Tsvangirai und Makoni begünstigte. Aber die Botschaft war eindeutig: Mugabe hatte verloren. Der Präsident ging an die Decke – und befahl der ZEC, seinen Wahlsieg – mit 53 Prozent – zu verkünden. Den Stimmenanteil für Makoni, dessen „Verrat“ ihn besonders erboste, setzte er auf 5 Prozent runter.
Mit seiner Reaktion löste Mugabe Widerstand seitens der ZEC wie auch der Spitzen von Armee, Polizei und Geheimdiensten aus. Die Wahlkommission wandte ein, eine so eklatante Manipulation sei allzu offensichtlich, während die Chefs der Sicherheitsapparate fürchteten, das Land könnte schlicht unregierbar werden, wenn man den Volkswillen derart krass verfälschen würde.
An dem Punkt schaltete sich Mbeki ein. Er stand von Pretoria aus in ständigem Telefonkontakt mit Mugabe und hatte überdies seine eigenen Abgesandten in Harare. Mbeki regte an, die Ergebnisse so „hinzuschneidern“, dass Tsvangirai unter die 50-Prozent-Grenze gedrückt würde, während man Mugabe 41 Prozent und Makoni 10 bis 12 Prozent geben könnte. Wenn keiner der Kandidaten über 50 Prozent liege, komme es zu einer zweiten Wahlrunde, für die dann Mugabe zurückziehen sollte, damit die Zanu-PF sich geschlossen hinter Makoni stellen könne. Wenn dann noch die Sicherheitskräfte bei der Durchführung des zweiten Wahlgangs massiv in Erscheinung treten würden, könnte man Makoni einen Stimmanteil von knapp über 50 Prozent zusprechen, womit Tsvangirai aus dem Rennen wäre.
Ein toller Plan, aber Mugabe spielte nicht mit
Diese Idee war für alle Beteiligten akzeptabel – bis auf Mugabe, der nicht auf seine Kandidatur verzichten wollte. Damit schockierte er auch seine Entourage. Der Entscheidungsprozess war blockiert, was zu ernsthaften Diskussionen über einen Militärputsch führte. Diese Idee wurde am Ende verworfen, weil man Angst hatte, das könnte die Briten zu einer militärischen Intervention verleiten. Aber das eigentlich Interessante war, dass am Tag nach den Wahlen einige wichtige Hintermänner Mugabes – darunter sein Cousin Perence Shiri – zu dem Schluss kamen, der Präsident könne sich aus eigener Kraft nicht mehr retten. Dabei hatte Mugabe noch eine Woche zuvor wütend beteuert, dass er im Amtssitz des Präsidenten sterben werde und dass „Morgan Tsvangirai niemals Simbabwe regieren“ werde. Ian Smith, der einstige Premierminister des alten Rhodesien, hatte kurz vor seinem Tod die Hoffnung geäußert, noch das Begräbnis Mugabes miterleben zu können. Er hat es nicht geschafft. Jetzt war es so weit gekommen, dass selbst die engsten Mugabe-Anhänger erkannten, wie sterblich der Alte mittlerweile geworden ist.
Es folgten mehrere Tage der völligen Unentschiedenheit. Die Ergebnisse der gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen sickerten nur tröpfchenweise durch, womit das Regime möglichst lange verbergen konnte, dass die Opposition 111 Sitze gegenüber nur 96 der Zanu-PF errungen hatte (während 3 weitere sichere MDC-Sitze noch gar nicht deklariert waren). Man diskutierte die Möglichkeit, dass Tsvangirai eine Regierung der nationalen Einheit unter Einschluss einiger Zanu-PF-Minister anführen könnte, vorausgesetzt, Mugabe und seiner Clique würde eine umfassende Amnestie zugesagt. Aber der eigentliche Kampf spielte sich innerhalb der Zanu-PF und innerhalb des Militärs ab.
Wir Journalisten waren in dieser Phase am Rande der Verzweiflung. Man spürte eine wachsende Euphorie, aber es gab keine greifbaren Fakten. Ein Gerücht besagte, Mugabes Familie sei nach Malaysia abgeflogen. Aber vor seiner Villa standen immer noch die Wachsoldaten mit Schnellfeuergewehren und aufgesetzten Bajonetten. Ich entschloss mich, auf anderem Wege herauszufinden, wie die Dinge standen. Ich fuhr in die Churchill Avenue (der Name erinnert wie die Normandy Road und der Dunkirk Drive noch an das Rhodesien des Ian Smith) und hielt vor einem Haus, vor dem ein bewaffneter Soldat Wache stand. Es war das Anwesen des äthiopischen Exdiktators Mengistu Haile Mariam, der in Addis Abbeba wegen Völkermords gesucht wird, aber seit vielen Jahren bei Mugabe Zuflucht gefunden hat. Der Soldat trat drohend auf mich zu. Als ich sagte, ich wolle Mister Mengistu besuchen, meinte er: „Der ist nicht da.“ Ob er denn abgereist sei? Ja, und er werde vermutlich „für einige Zeit weg sein“. Mengistus einzige Alternative als Exilland war vermutlich Nordkorea. Wenn der sich abgesetzt hatte, musste Mugabe tatsächlich in Schwierigkeiten stecken.
Erst am Donnerstag nach den Wahlen wurde das Bild klarer. Am Morgen hatte ich tollkühnerweise die MDC-Parteizentrale aufgesucht. Das Harvest House im Zentrum von Harare wird von der Geheimpolizei überwacht und regelmäßig durchsucht. Da Tsvangirai nicht aufzutreiben war, nervte ich andere Leute mit meinen Fragen, bis eine Gruppe von MDC-Abgeordneten aus Bulawayo auf mich zukam, von denen ich einige kannte. Sie wollten zu einer Sitzung der Parteiführung, hatten aber erfahren, dass die schon kurz zuvor an einem 12 Kilometer entfernten Ort begonnen hatte. Da es kein Auto für sie gab, bot ich an, sie hinzufahren. Danach fuhr ich weiter ins Meikles-Hotel, wo ich die Pressekonferenz des MDC im Radio verfolgen wollte. In dem Hotel wimmelt es nur so von Journalisten, aber ich mag es nicht, weil da überall Spitzel lauern und alles voll mit elektronischen Überwachungsgeräten ist. Deshalb fuhr ich bald wieder zu meiner eigenen Unterkunft zurück.
Wie sich herausstellte, hatte Mugabe an diesem Tag das Ruder wieder übernommen und die Jagd auf Journalisten eröffnet. Ein paar Minuten nachdem ich die MDC-Zentrale verlassen hatte, war die Bereitschaftspolizei eingetroffen und hatte alle Männer verhaftet, die mir auch nur entfernt ähnlich sahen. Kurz nachdem ich vom Meikles weggefahren war, hatte die Polizei das Hotel umstellt und alle dort angetroffenen Journalisten mitgenommen. In der darauffolgenden Nacht stürmten dann 30 bewaffnete Polizisten das Quartier, in dem ich abgestiegen war. Sie hatten bereits ein paar Journalisten in einem benachbarten Gästehaus verhaftet und auch dessen Besitzer mitgenommen. Der arme Mann saß auf der offenen Ladefläche des Polizeilasters und wartete auf seinen Abtransport Gott weiß, wohin, während sie seine Pension wegen des neu erfundenen Straftatbestands der „Beherbergung von Journalisten“ kurzerhand dichtmachten.
Mit Glück und einem Bluff überstand ich den Besuch der Polizisten. Als sie wieder abgerückt waren, begann ich nachzudenken. Dass ich der Polizei dreimal innerhalb eines Tages knapp entwischt war, deutete ganz darauf hin, dass sich Mugabe mit allen Mitteln an der Macht halten wollte. Und so kam es dann auch: Mehrere Mitglieder des Zentralen Wahlausschusses wurden verhaftet und die Stimmen der Präsidentschaftswahlen neu ausgezählt, bevor ein Resultat der ersten Zählung offiziell verkündet worden war. Es begann eine wüste Welle staatlichen Terrors, in deren Verlauf 90 Menschen ums Leben kamen und viele Tausende zusammengeschlagen und gefoltert wurden. Es endete damit, dass am 27. Juni die lange hinausgeschobene Stichwahl abgehalten wurde, bei der Tsvangirai allerdings nicht mehr antrat und Mugabe das Feld überließ.
Der Rückzug der Opposition, der seltsamerweise von einigen Leuten kritisiert wurde, war sehr verständlich. Tsvangirai hatte praktisch ein Wahlkampfverbot: Seine Kundgebungen mussten ständig abgesagt werden, er selbst wurde mehrmals festgenommen. „Nur Gott kann mich absetzen“, hatte Mugabe verkündet, und Gottes Ratsschluss dürfte kaum durch Wählerstimmen zu beeinflussen sein. Der Präsident und seine herrschende Clique wiesen also das neue, von Mbeki gewünschte „weiche“ Konzept in aller Schärfe zurück und setzten wieder ganz auf ihr altes Rezept. Mbeki flog nach Harare und versuchte hektisch, Mugabe Schützenhilfe zu leisten. „Es gibt keine Krise in Simbabwe“, erzählte er den Journalisten nach einem einstündigen Gespräch mit dem Präsidenten. Dafür erntete er selbst in Südafrika viel Protest und offenen Spott.
Die entscheidende Frage lautet jetzt, ob Mugabe über seine Regierungsclique herrscht oder diese über ihn. Die wichtigsten Mitglieder seiner Entourage gehören alle zu Mugabes Zezuru-Clan (einige sind direkte Verwandte) und waren Mitkämpfer in seiner Zanla (Zimbabwe African National Liberation Army). Sie alle haben sich unter Mugabes Herrschaft enorm bereichert und besitzen zahlreiche Farmen, die man Weißen weggenommen hatte. Gideon Gono, der Gouverneur der Zentralbank, ist zugleich Mugabes Privatbankier und begleitet ihn auf seinen Reisen nach Malaysia, wo der Großteil seiner unrechtmäßig erworbenen Reichtümer gebunkert ist. Ebenfalls zu dieser Führungsgruppe gehören Emmerson Chiwenga und Augustine Chihur, die Chefs der Armee und der Polizei, sowie Paradzai Zimondi, der über die Gefängnisse gebietet.
Sie sind skrupellos und haben viel zu verlieren
Detailliert geplant und durchgeführt wurde die jüngste Terrorwelle vom Joint Operations Command (JOC), in dem Luftwaffenchef Shiri eine Schlüsselrolle spielt. Alle genannten Männer haben in großem Maßstab Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Und alle haben große Besitztümer angesammelt und entsprechend viel zu verlieren. Deshalb sind sie so wild entschlossen, an der Macht festzuhalten. Dasselbe gilt für eine breite Schicht von Untergebenen, deren ergaunerter Reichtum sich großenteils in Simbabwe befindet und die kein Bankguthaben im Ausland haben, das ihnen ein angenehmes Exil ermöglichen würde.
Schon während des Befreiungskriegs waren Mitkämpfer, die Mugabe oder hohen Zanla-Kommandeuren negativ aufgefallen waren, ins „Loch“ gewandert, das waren eigens ausgehobene Gruben, in denen mit unbeschreiblichen Methoden gefoltert wurde. Interessanterweise haben einige Männer aus Mugabes engster Umgebung selbst in einem „Loch“ gelitten und wissen genau, wie skrupellos die Bewegung ist, der sie dienen. Mugabe kann sich an der Macht halten, solange gut bewaffnete und gut bezahlte Leute bereit sind, ihn zu schützen. Aber sein Regime ähnelt heute dem des einstigen Diktators François „Papa Doc“ Duvalier und der Schreckensherrschaft der „Tontons Macoutes“ in Haiti.
Seit den Wahlen hat Mugabes JOC den Terror gegen den oppositionellen MDC noch verschärft. Noch beängstigender ist die Methode, mit der das Regime sein eigenes Volk als Geisel benutzt und mit einem an Ruanda erinnernden Genozid droht, falls der internationale Druck nicht zurückgefahren wird. Der entscheidende Schritt war das Verbot von Nahrungsmittelhilfe für Simbabwe durch internationale Hilfsorganisationen. Vergessen wir nicht, was Didymus Mutasa, der Minister für Staatssicherheit und ein enger Vertrauter Mugabes, schon im November 2002 erklärt hat: Sein Land sei besser dran mit nur 6 Millionen Einwohnern (womit er die Mehrheitsbevölkerung der Shona meinte, die dann allesamt Mugabe-Anhänger wären) als mit den 14 Millionen, die Simbabwe bei normalem demografischem Wachstum demnächst haben würde. Tatsächlich sind bereits 4 Millionen Menschen geflohen, weitere 1 bis 2 Millionen sind an Aids und Hunger gestorben.
Nach Schätzungen der FAO ist aufgrund von Mugabes katastrophaler „Landreform“ die Produktion des Grundnahrungsmittels Mais inzwischen auf nur 28 Prozent der benötigten Menge zurückgegangen. Demnach werden bis Ende August dieses Jahres 2 Millionen Menschen Hunger leiden, und bis Januar 2009 wird diese Zahl auf über 5 Millionen anwachsen. Wenn das nicht verhindert wird, könnte Simbabwe irgendwann eine Wüstenei mit nur noch 3 bis 4 Millionen Einwohnern sein. Damit droht ein weit schlimmerer Genozid als der in Ruanda, der nur durch eine energische Intervention zu verhindern wäre.
Was könnte eine solche Entwicklung stoppen? Vielleicht die galoppierende Inflation. Im Juni wurde in Simbabwe die Eine-Milliarde-Dollar-Banknote eingeführt, samt der Bestimmung, dass Kontoinhaber pro Tag höchstens 100 Milliarden Dollar abheben dürfen (was gerade für zwei Liter Speiseöl reicht). Wenn die Preise weiter jeden Monat um das Zehnfache steigen, wird die Jahresinflationsrate Ende August auf 100 Millionen Prozent gestiegen sein. Damit wäre das Geld praktisch wertlos. Dann aber wird die Armee fordern, dass man sie in ausländischer Währung bezahlt – wozu dem Regime die Devisen fehlen.
Deshalb müsste Südafrikas Präsident Thabo Mbeki gerade jetzt weit stärkeren Druck ausüben als bisher. Er hat die dazu nötigen Hebel in der Hand: Das Mugabe-Regime kann ohne die Geldüberweisungen und die Stromlieferungen aus Südafrika nicht überleben. Aber hinzukommen müsste, dass die Militärs, auf die sich Mugabe stützt, ihre Realitätsverleugnung aufgeben. Was umgekehrt heißt, dass man sich womöglich auf die Frage einlassen muss, ob man Leuten Straffreiheit zusagt, die schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen haben.
Eine Hoffnung bedeutet die Tatsache, dass Jacob Zuma, der vor einem halben Jahr gewählte neue Chef der südafrikanischen Regierungspartei ANC, Mugabe deutlich kritischer sieht als Präsident Mbeki. Und da Zuma im nächsten Frühjahr wahrscheinlich Präsident Südafrikas sein wird, kann er schon heute seinen Einfluss geltend machen. Mbeki ist nach seiner schweren Wahlschlappe auf dem ANC-Kongress im Dezember 2007 praktisch am Ende. Klar ist aber auch, dass er und Mugabe in ihrer eigenen paranoiden Welt leben. Und niemand weiß, was sie vor ihrer endgültigen Götterdämmerung noch versuchen werden.
Machen wir uns nichts vor. Was wir in Simbabwe gegenwärtig sehen, ist der Todeskampf einer nationalen Befreiungsbewegung. Pol Pot und Kambodscha sollten uns eine Warnung sein, dass die letzten Zuckungen eines solchen Regimes die gefährlichsten sein können. Was kann man in dieser Situation von außen tun?
Natürlich mag nach den Erfahrungen von Afghanistan und Irak in den entwickelten Ländern kaum jemand über eine weitere Intervention spekulieren. Aber wenn das Mugabe-Regime am Ende zusammenbricht und die Welt vom Ausmaß der humanitären Katastrophe in Simbabwe erfährt, dürfte die westliche Öffentlichkeit – wie im Fall Ruanda – noch bedauern, dass man nicht früher eingeschritten ist. Zumindest sollte man Mugabe – und Mbeki – klarmachen, dass eine Intervention kein Ding der Unmöglichkeit ist. Das könnte sich als entscheidendes Druckmittel erweisen.
Aus dem Englischen von Niels Kadritzke R. W. Johnson ist Journalist und Historiker. Er lebt in Südafrika. © Le Monde diplomatique, Berlin