17.01.2003

Gründungsaufruf:Media Watch Global

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Gründungsaufruf:Media Watch Global

ENDE Januar dieses Jahres finden in Porto Alegre zwei wichtige Foren statt. Zum dritten Mal empfängt die Hauptstadt des südbrasilianischen Bundesstaats Rio Grande do Sul das Weltsozialform (23.–28. Januar). Erwartet werden rund 30 000 Vertreter von fast 5 000 Organisationen aus 121 Ländern. Auf der Tagesordnung stehen Dutzende von Vorträgen, Panels, Augenzeugenberichten und Podiumsdiskussionen sowie knapp 1 500 Workshops und Arbeitsgruppen.

Le Monde diplomatique wird mit Vertretern der französischen und mehrerer ausländischer Redaktionen vor Ort sein. In Zusammenarbeit mit der alternativen Nachrichtenagentur IPS (International Press Service) haben die französische und die brasilianische Redaktion von Le Monde diplomatique eine Webseite eingerichtet zu Themen, die auf dem Weltsozialforum 2003 diskutiert werden sollen (http://www.portoalegre2003.net). Darüber hinaus beteiligt sich Le Monde diplomatique am 27. Januar an der Gründung der internationalen Medienbeobachtungsstelle Media Watch Global, die auf einen Vorschlag des Weltsozialforums 2002 zurückgeht. Da mit dem Informationsüberfluss der Internet-Ära das Manipulationspotenzial in exponenzieller Weise steigt, will Media Watch Global einen Beitrag leisten zur Ausarbeitung einer „Informationsökologie“.

In der Vergangenheit fungierte die Presse in den demokratischen Ländern als „vierte Gewalt“ und verstand sich als Korrektiv gegen Machtmissbrauch in Legislative, Exekutive und Judikative. Heute dagegen treten die großen Medien unserer Meinungs- und Informationsgesellschaften ihrerseits als Machtzentren auf, die wirtschaftliche Macht mit ideologischer Hegemonie vereinen. Unerlässlich scheint daher die Erfindung einer „fünften Gewalt“, die in der Lage ist, die Öffentlichkeit gegen Machtmissbrauch der Medien zu schützen, verlässliche Informationen als öffentliches Gut zu verteidigen und das Recht der Bürger auf Wissen zu unterstützen.

Media Watch Global versteht sich in erster Linie als Unterstützer für den Aufbau einer solchen „fünften Gewalt“. Sie wird ethische Rügen aussprechen und Berichte über Verstöße gegen den journalistischen Ehrenkodex veröffentlichen. Wahrheitsgetreue Informationen können jedoch nicht allein durch Organisationen garantiert werden, in denen ausschließlich Journalisten sitzen. Deshalb legen die Statuten der Beobachtungsstellen fest, dass jeder interessierte Bürger als aktives Mitglied beitreten kann.

Le Monde diplomatique vom 17.01.2003