17.01.2003

Die Schokoladen Erpressung

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Die Schokoladen Erpressung

NEHMEN wir einen Kleinbetrieb, der Schokoladentafeln herstellt. Die Produktpalette umfasst fünf Artikel: Bitterschokolade, weiße Schokolade, Vollmilch-, Haselnuss- und Mandel-Schokolade. Die Qualität ist hervorragend, das Markenimage stimmt, und so wagt das Unternehmen den Schritt, seine Erzeugnisse über Super- und Hypermärkte zu vertreiben. Das fällt umso leichter, als der Betrieb trotz guten Potenzials wegen der Schwächen der traditionellen Vertriebswege keine sichere Perspektive hat. Ein leistungsfähiges Verkaufsnetz von 1 500 Supermärkten und 200 Hypermärkten erscheint als viel versprechender Absatzmarkt.

Doch damit beginnen die bösen Überraschungen. Um überhaupt in die Vertriebsliste der Einkaufszentrale aufgenommen zu werden, muss das Unternehmen pro Produkt und Supermarkt 150 Euro überweisen, insgesamt 1,125 Millionen Euro. Je Hypermarkt und Produkt werden weitere 750 Euro fällig, macht insgesamt 750 000 Euro. Am Ende kostet die Operation 1,875 Millionen Euro, ohne dass regelmäßige Bestellungen oder die Abnahme bestimmter Mengen garantiert wären. Kaum ist der Scheck unterzeichnet, setzt sich das Räderwerk der Erpressung in Gang. Am Ende steht womöglich der Bankrott des Unternehmens.

Auf einen renommierten französischen Lebensmittelhersteller kam vor kurzem die Forderung eines zusätzlichen Diskonts in Höhe von 2 Prozent zu. Doch ein weiterer Preisnachlass war einfach nicht drin. Daraufhin strich die Einkaufszentrale die beiden führenden Artikel des Unternehmens von der Vertriebsliste. Zwei Betriebe des Familienunternehmens mussten schließen. Verantwortlich hierfür waren weder Forderungen von Aktionären noch US-Pensionsfonds – sondern allein die Profitgier der Einkaufszentralen großer französischer Einzelhandelsketten.

C. J.

Le Monde diplomatique vom 17.01.2003, von C. J.