17.01.2003

Modell Aldi

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Modell Aldi

DIE deutsche Einzelhandelslandschaft ist einzigartig: Um die Kunden kämpfen wesentlich mehr Große als in anderen Industrieländern, es gibt keinen Alleinherrscher wie Wal Mart in den USA, kein Oligopol wie in Frankreich. Die klassischen deutschen Warenhäuser sind deutlich kleiner als die Hypermarchés der Franzosen. Aber Deutschland hat einen anderen Trendsetter – den Billigmarkt oder Discounter.

Discounter finden sich landauf landab, in jedem noch so kleinen Städtchen. Sie bieten weder Beratung noch modernes Marketing-Ambiente: Die Ware wandert direkt aus der Schachtel in den Einkaufswagen. Verkauft werden viele Eigenmarken – Billigware, die nicht beworben wird, den bekannten Marken aber qualitativ kaum nachsteht. Der Trend zu No-Name-Produkten drückt die Preise für Bauern und Zulieferer – aber auch für die Kunden. Nirgends sind Essen und Produkte des täglichen Bedarfs im Verhältnis zum Einkommen so billig wie zwischen Rhein und Oder.

Unter den Billiganbietern ist Aldi der Klassenprimus: Die geheimniskrämerische Gruppe der Albrecht-Brüder Karl und Theodor (die reichsten Deutschen mit einem Vermögen von etwa 41 Milliarden Euro) machte 2002 einen geschätzten Umsatz von rund 30 Milliarden Euro, gefolgt vom Lidl-Konzern (inklusive seiner „Kaufhalle“) mit 23 Milliarden. Mit schlanker Organisation und hohem Umsatz pro Produkt erwirtschaften beide noch Gewinne, wenn alle anderen längst im Minus sind.

Im wirtschaftlich schwachen Jahr 2002 kauften die Deutschen vermehrt bei den Discountern. Der Anteil der Billigmärkte am gesamten Einzelhandelsumsatz stieg binnen eines Jahres von 33 auf 36,5 Prozent. Dagegen mussten selbst die Großen der konventionellen Supermärkte und Lebensmittelketten Federn lassen: Metro war 2001 mit knapp 50 Milliarden Mark zwar noch Umsatzkrösus und verdiente mit 673 Millionen Euro Gewinn vor Steuern gar nicht schlecht. Doch die französische Carrefour kam mit knapp 70 Milliarden Umsatz auf den dreifachen Vorsteuergewinn.

REINER METZGER

Le Monde diplomatique vom 17.01.2003, von REINER METZGER