14.02.2003

Pilgerwege

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Pilgerwege

DER Verlauf der Hadsch folgt Mohammeds Pilgerreise im Jahr 632. Die Fahrt vom 7. oder 8. bis zum 12. oder 13. Tag des 12. Monats nach dem Mondkalender besteht aus mehreren Teilen.

1. „Ihram machen“, die Versetzung in den Weihezustand: Vor der Abreise legen die Pilger weiße Kleidung an, die selbst auch Ihram genannt wird. Eventuelle Überkleidung wird auf dem Flug nach Dschidda vor einer gedachten Grenzlinie um Mekka abgelegt, dessen Überquerung der Pilot ankündigt. Die Gewänder der Frauen dürfen bunt sein.

2. Umra, die Besuchswallfahrt: Beim Eintreffen in der großen Moschee am 7. 12. umschreiten die Pilger die Kaaba siebenmal, preisen Gott und sprechen Bittgebete. Diese Prozedur heißt Tawaf. Nach der Einnahme des Heilwassers Samsam neben der Kaaba verrichten sie siebenmal den Sai, den 395 Meter langen Gang zwischen den Hügeln Safa und Marwa. Die sind heute durch einen zweigeschossigen, überdachten und klimatisierten Gang verbunden. Einst soll hier Hagar, die zweite Frau Abrahams, auf der Suche nach Wasser für ihr durstiges Kind Ismail siebenmal zwischen den Hügeln hin und her gelaufen sein, bis der Erzengel Gabriel für sie die Quelle Samsam entspringen ließ.

3. Aufenthalt in Mina: Die eigentliche Hadsch beginnt am 8. 12. Die Pilger gehen oder fahren nach Mina, einem Dorf zehn Kilometer von Mekka, und übernachten dort.

4. Der Tag von Arafat: Am Morgen des 9. verrichten sie das Sonnenaufgangsgebet noch in Mina. Nach Sonnenaufgang reisen die Pilger zehn Kilometer weiter in die Arafat-Ebene, in der Gott Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies getröstet haben soll und Mohammed seine letzte Ansprache hielt. Bis Sonnenuntergang beten sie in meist klimatisierten Zelten und hören Predigten – der Höhepunkt der Wallfahrt. Nach Sonnenuntergang eilen die Pilger nach Muzdalifa. In diesem Tal sammeln sie 49 Steinchen und übernachten.

6. Steinigung Satans, Opfern eines Tieres: Am 10. 12. vor Sonnenaufgang brechen die Pilger wieder nach Mina auf. Dort werfen sie sieben Steinchen gegen eine große Säule, die den Satan darstellt. Sie lassen im eigenen Namen ein Opfertier schlachten und spenden es an Arme; das Fleisch der Schafe, Rinder oder Kamele wird in großen Kühlhallen gelagert und später in arme islamische Länder geschickt. Der Hintergrund: Als Abraham bereit war, auf Gottes Geheiß seinen Sohn Ismail zu opfern, durfte er stattdessen ein Schaf schlachten.

7. Weiterer Tawaf und Sai: Auf einer kurzen Reise nach Mekka werden noch einmal die Kaaba besucht und der Sai verrichtet. Nun ist der Weihezustand aufgehoben. Es folgt die Rückfahrt nach Mina zur Übernachtung.

8./9. Weitere Steinigungen, Abschiedstawaf: Am 11. und 12. 12. bleiben die Pilger in Mina und werfen je sieben Steinchen gegen die Satanssäule und zwei weitere Säulen der Versuchung. Am späten 12. oder am frühen 13. 12. fahren sie zurück nach Mekka und bleiben dort, so lange sie möchten; der Abreise geht ein Abschiedstawaf voraus. Nach der Hadsch wird die schwarze Kaaba-Umhüllung in kleinen Stücken an privilegierte Pilger verkauft. Der Ihram dient besonders Frommen als künftiges Leichentuch.

Le Monde diplomatique vom 14.02.2003