14.03.2003

Landkarte der Konflikte

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Landkarte der Konflikte

Staatsstreich im Iran (1953) 1951 verstaatlicht der iranische Ministerpräsident Mohammed Mossadegh die Anglo-Iranian Oil Company. Demonstranten skandieren die Parole „Das Öl ist unser Blut, das Öl ist unsere Freiheit“. In Zusammenarbeit mit Großbritannien organisiert die CIA einen Staatsstreich, der im August 1953 zur Absetzung Mossadeghs führt. Der Schah wird zum Alleinherrscher gemacht. Die USA lösen Großbritannien als „Schutzmacht“ ab.

Krieg gegen Nasser (1956) Im Juli 1956 kündigt der ägyptische Staatschef Gamal Abdel Nasser die Verstaatlichung der britischen Suez Canal Company an. Drei Monate später rückt die israelische Armee durch den Sinai bis zum Kanal vor, britische und französische Truppen besetzen die Kanalzone. Die Angreifer ziehen sich schließlich unter dem Druck der USA zurück. Die Suezkrise beendet die britische Herrschaft im Nahen Osten.

„Marines“ in Beirut (1958) Anfang 1958 versucht Nasser, den Zusammenschluss Ägyptens und Syriens zur Vereinigten Arabischen Republik vorzubereiten. Im Libanon sperrt sich die Opposition gegen die verfassungswidrige Wiederwahl von Camille Chamoun zum Staatspräsidenten. Am 15. Juli 1958, einen Tag nach dem Sturz der prowestlichen Monarchie im Irak, landen US-Marinesoldaten in Beirut, um den Bürgerkrieg zu beenden. Nach Jordanien werden britische Truppen entsandt.

Libanon ohne Frieden (1975–1989) Die christliche Führungsschicht begreift nicht, dass die Probleme des Landes (wachsende soziale Ungleichheit, demografische Verschiebungen zugunsten der Muslime, Lage der palästinensischen Flüchtlinge, Modernisierung des Landes) ohne Reformen des politischen Systems nicht zu bewältigen sind. Sie stürzen das Land in einen immer neu aufflammenden Bürgerkrieg und setzen auf ausländische Hilfe: 1976 fordern die Phalangisten die syrische Armee zur Unterstützung an; die ist noch heute Besatzungsmacht im Libanon. 1989 beendet das Abkommen von Ta‘if den Bürgerkrieg; darin wird der Proporz der Konfessionen neu festgelegt.

Kriege im Jemen (1962–1970) Nachdem die Armee im September 1962 die Herrschaft des Imams Ahmed beendet und die Republik ausgerufen hat, beginnt ein Bürgerkrieg, in dem Saudi-Arabien die Royalisten, die ägyptische Armee dagegen die Republikaner unterstützt. 1970 wird der Konflikt durch ein Abkommen zwischen Kairo und Riad beigelegt. Bis 1990 bleibt das Land jedoch äußerst instabil. Der Norden durchlebt einen weiteren Bürgerkrieg (zwischen der Regierung und der von Aden unterstützten linken Opposition). 1979 kommt es zwischen Nord- und Südjemen erneut zu einem kurzen Krieg.

Schwarzer September (1970) Am 7. September 1970 zwingt die „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ drei westliche Verkehrsflugzeuge zur Landung auf dem jordanischen Flughafen Zarqa und sprengt sie nach Freilassung der Passagiere in die Luft. König Hussein nimmt dies zum Anlass, mit dem palästinensischen Widerstand abzurechnen: In den Kämpfen zwischen dem 16. und 27. September sterben zehntausende Menschen. Eine von al-Fatah gegründete Organisation „Schwarzer September“ unternimmt in der Folgezeit zahlreiche Vergeltungsschläge.

Guerillaerhebung in Dhofar (1963–1975) In Dhofar, dem westlichen Landesteil Omans, formiert sich 1963 eine marxistisch-leninistisch geprägte Widerstandsbewegung gegen das äußerst rückständige Regime von Sultan Taimur. 1970 wird der Herrscher von seinem Sohn Qabus entmachtet – mit Hilfe Großbritanniens, das auch in dem neu ausgerufenen unabhängigen Staat entscheidenden Einfluss behält. Die Erhebung in Dhofar wird erst 1975 mit Hilfe britischer und iranischer Truppen niedergeschlagen.

Irak gegen Iran (1980–1988) Der irakische Präsident Saddam Hussein befiehlt im September 1980 eine Großoffensive gegen das Chomeini-Regime im Iran. Selbst der Einsatz chemischer Waffen kann jedoch den Sieg über den Iran nicht erzwingen. Erst nach acht Jahren endet dieser Erschöpfungskrieg, der insgesamt eine Million Menschenleben fordert. Viele Nationen unterstützen in diesem Konflikt die eine oder die andere Seite – oder beide. Irak stützt sich v. a. auf die Hilfe der USA und Frankreichs.

Bürgerkrieg im Jemen (1994) Zwischen Nordjemen und der sozialistischen Volksrepublik Südjemen (1989) entstehen neue Spannungen. Die frühere Einheitspartei des Südens (PSY) fühlt sich ins Abseits gedrängt, einige ihrer Führer fallen Attentaten zum Opfer. Der Sezessionsbewegung im Süden tritt der Nordjemen mit einem Eroberungsfeldzug entgegen, der erstaunlicherweise von Saudi-Arabien unterstützt wird. Der Krieg dauert von April bis Juli 1994 und endet mit der Niederlage des Südens. Ein Teil der PSY-Führung geht ins Exil.

Golfkrieg (1990–1991) Am 2. August 1990 besetzen irakische Truppen Kuwait. Gestützt auf ein UN-Mandat, beginnt am 16. Januar 1991 eine Allianz von 27 Staaten unter Führung der USA einen Krieg gegen Irak, der bis Ende März dauert. Die US-Truppen hindern das besiegte Regime nicht, Aufstände der Kurden im Norden und der Schiiten im Süden niederzuschlagen, die Washington ausdrücklich ermutigt hatte.

Das Problem Kurdistan Im Vertrag von Sèvres (1920) wurde den Kurden staatliche Autonomie zugesichert, im Vertrag von Lausanne (1923) war davon nicht mehr die Rede. Das alte Kulturvolk lebt auf dem Territorium der Türkei, des Iran, des Irak und Syriens. Keines dieser Länder will einen Kurdenstaat. Die kurdischen Befreiungskämpfe wurden immer wieder niedergeschlagen, 1970 auch vom Regime in Bagdad. In Ankara fürchtet man heute, ein neuer Krieg der USA gegen den Irak könnte eine Flüchtlingswelle auslösen und den bewaffneten Konflikte im türkischen Kurdengebiet neu entzünden.

Der Golan – besetzt seit 36 Jahren Die von Israel 1967 eroberten und 1981 annektierten syrischen Golanhöhen sind ein Wasserreservoir für weite Teile des Nahen Ostens. Unter Jitzhak Rabin begann Israel über einen vollständigen Rückzug zu verhandeln, als Teil einer umfassenden Friedensregelung mit Syrien. Doch Ministerpräsident Ehud Barak vollzog 2000 einen radikalen Kurswechsel und brach die Gespräche ab.

Letzte Streitpunkte im Südlibanon Nach anhaltenden bewaffneten Aktionen der Hisbollah-Milizen zieht sich Israel im Mai 2000 aus der „Sicherheitszone“ zurück, die es seit dem Einmarsch in den Libanon (1978) okkupiert hatte. Das von Libanon beanspruchte Territorium der „Scheba-Farmen“ hat Israel bis heute noch nicht aufgegeben.

Innere Konflikte im Sudan Im Norden des Sudan leben überwiegend muslimische Araber, im Süden animistische Schwarzafrikaner und eine christliche Minderheit. Ein seit 1955 andauernder Bürgerkrieg zwischen Norden und Süden endete 1972 mit einem Friedensabkommen. Doch das Regime in Khartum hielt die Vereinbarungen nicht ein und begann 1983 eine neue Offensive. In den seit Ende 2002 laufenden Verhandlungen zwischen der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) und der Regierung geht es vor allem um die Teilung der Macht und der Erdölvorkommen und die Rolle des Islam im Staat. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Palästina – das zentrale Problem Die Resolution 181 der UN-Vollversammlung vom 29. November 1947 sah die Aufteilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor. Das Scheitern dieses Teilungsplans hatte mehrere Kriege zur Folge. Die Intervention der arabischen Staaten gegen die Staatsgründung Israels 1948 führte zur Vertreibung von ca. 800 000 Palästinensern. Nach der Suezkrise 1956 musste sich Israel wieder zurückziehen, doch im Sechstagekrieg von 1967 eroberte es den Rest Palästinas – Westjordanland und Gaza-Streifen – sowie den Sinai und die Golanhöhen. Die Teilerfolge Syriens und Ägyptens im Jom-Kippur-Krieg 1973 führten zu neuen diplomatischen Initiativen. Das Abkommen von Camp David (1978) brachte keinen Durchbruch in der Palästinafrage. Israels Versuch, den palästinensischen Widerstand durch die Invasion im Libanon (1982) zu zerschlagen, blieb ohne Erfolg. Nachdem die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) ihre Stützpunkte in den Nachbarstaaten verloren hatte, ging die Initiative im Kampf für die nationale Selbstbestimmung auf die Palästinenser in den besetzten Gebieten über. Die „Intifada“ (1987–1991) trug dazu bei, dass die Oslo-Verträge von 1993 geschlossen wurden. Die zweite Intifada (seit 2000) beantwortete Israel mit der Rücknahme fast aller Ergebnisse des Friedensprozesses und der erneuten Besetzung der so genannten Autonomiegebiete.

deutsch von Edgar Peinelt

Quelle: Alain Gresh und Dominique Vidal, „Les 100 clés du Proche-Orient“, Paris 2003; R. Seddiq, „Border Disputes on the Arabian Peninsula“, Policywatch Nr. 525, The Washington Institute for Near East Policy, Washington DC, März 2001.

Le Monde diplomatique vom 14.03.2003