11.04.2003

Die Sache mit dem Öl

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Die Sache mit dem Öl

DER Bush-Administration geht es im Krieg gegen den Irak angeblich nur um hehre Ziele wie die Befreiung der Iraker vom Regime Saddam Husseins und die Einführung der Demokratie. Ihre Kritiker behaupten, in Wahrheit seien die USA nur auf das irakische Öl und auf niedrige Ölpreise aus. Doch die Sache ist komplizierter. In Washington weiß man, dass die Instandsetzung der irakischen Förderanlagen sehr teuer wird. Und dass der niedrige Ölpreis, von dem die Wirtschaftspolitiker träumen, die kleinen US-Ölfirmen ruinieren würde.

Von YAHYA SADOWSKI *

Die Bush-Administration hat eine Menge hehre Gründe parat, die den Krieg gegen den Irak rechtfertigen sollen. Sie will dem Regime die vermuteten Massenvernichtungswaffen abnehmen – warum aber kümmert sie sich dann nicht um Nordkorea? Sie will angeblich den Terrorismus bekämpfen – dabei wird der Irak noch nicht mal vom US-Außenministerium auf der Liste der Hauptübeltäter geführt. Sie will die Nachbarstaaten des Irak vor militärischer Bedrohung schützen und ist angeblich sogar an der Befreiung der irakischen Frauen interessiert. Tatsache ist jedoch, dass Washington Saddams letzten Einmarsch in den Iran lauthals bejubelt hat und dass im irakischen Parlament wie in der Armee Frauen stärker vertreten sind als in den Vereinigten Staaten. All diese Schutzbehauptungen der US-Regierung sind leicht zu durchschauen, weshalb man vermuten muss, dass sie sehr viel konkretere Interessen im Auge hat.

Der derzeit weit verbreitete Slogan „Kein Krieg für Öl“, kommt der Realität weit näher als die Propaganda, die Washington in Richtung Europa und Naher Osten sendet. Die Bush-Administration ist am Irak interessiert, weil dieses Land mitten in einer Region liegt, die über zwei Drittel der globalen Erdölreserven verfügt. (Das dürfte übrigens erklären, warum sich die Vereinigten Staaten nie in ähnlicher Weise um Pakistan gekümmert haben – eine instabile Diktatur, die Atomwaffen besitzt und in der es von Terroristen nur so wimmelt.) Bagdad ist durch seine geografische Lage also dazu prädestiniert, sowohl die Preise wie die angebotene Menge auf dem Ölmarkt zu diktieren. Und Erdöl ist bekanntlich der wichtigste strategische Rohstoff, der die Weltwirtschaft wie die Militärmaschinerie der Vereinigten Staaten in Gang hält. Dennoch verleitet der Slogan „Kein Krieg für Öl“ viele Menschen zu einem allzu simplen Bild der Realität. Sie glauben, die Regierung in Washington wolle den Interessen der großen US-amerikanischen Ölkonzerne dadurch dienen, dass sie sich einen Großteil der irakischen Ölreserven unter den Nagel reißt. Die Realität jedoch ist weitaus komplexer – wenn auch keineswegs von altruistischen Motiven geprägt.

Es ist allgemein bekannt, dass die Bush-Administration enge Verbindungen zur Ölindustrie pflegt. Weniger bekannt ist, dass sich die Beziehungen von Bush jun. und seinen Beratern lediglich auf ein ziemlich marginales Untersegment der Branche beschränken. Es ist also nicht vielen Leuten bewusst, dass der Präsident und sein Team sich mit dem Öl und der Ölwirtschaft insgesamt gar nicht besonders gut auskennen. Und dass die US-Administration gerade erst im Begriff ist, die elementarsten Fakten über Iraks potenzielle Rolle im internationalen Ölgeschäft zu erfassen, obwohl sie sich bereits seit Monaten mit militärischen und politischen Szenarien für den Irak beschäftigt.

Die Personen innerhalb der Bush-Administration, die die klarste Vorstellung von der Rolle des irakischen Öls haben, sind zugleich diejenigen, die den Krieg vorangetrieben haben: Paul Wolfowitz, Douglas Feith, Lewis Libby und ihr neokonservativer Klüngel. Zu ihrem groß angelegten Plan, einen „befreiten“ Irak als Basis für die Verbreitung von Demokratie und Kapitalismus im Nahen Osten zu nutzen, gehört, dass sie Bagdad dazu bringen wollen, neue Ölquellen zu erschließen, die Produktionskapazitäten rasch zu erhöhen und den internationalen Markt so schnell wie möglich mit irakischem Öl zu überschwemmen. Sie wissen, dass damit der Preis für ein Barrel auf 15 Dollar oder weniger absacken würde. Sie hoffen aber, dass ein solcher Preissturz das Wirtschaftswachstum in den USA und im Westen insgesamt ankurbeln sowie die Opec und die Wirtschaft der „Schurkenstaaten“ (Iran, Syrien, Libyen) zerstören würde, was darüber hinaus die Chance für einen „Regimewechsel“ und eine Demokratisierung in diesen Ländern eröffnen könnte.

Auf den ersten Blick nimmt sich dieser Plan ganz plausibel aus. Die nachgewiesenen Ölreserven des Irak belaufen sich auf immerhin 112 Milliarden Barrel. Und da viele Analysten davon ausgehen, dass die geschätzte Fördermenge durch neuartige Technologien noch zu verdoppeln wäre, könnten die irakischen Reserven tatsächlich bald an die von Saudi-Arabien heranreichen. Aber natürlich ist es nicht das Gesamtvolumen der saudischen Reserven, sondern die Produktionskapazität von mehr als 10 MBD (Millionen Barrel pro Tag), die das Land zum „Swing-Producer“ macht, der durch Anpassung seiner Förderleistung die Opec-Preise maßgeblich mitbestimmen kann. Demgegenüber liegt die gegenwärtige Kapazität des Irak gerade mal bei 2,5 MBD. Und auch vor dem Golfkrieg von 1991, der zusammen mit dem nachfolgenden Embargo die irakischen Ölförderanlagen zerstörte, produzierte das Land nie mehr als 3,8 MBD. Doch die Neokonservativen glauben, dass Bagdad seine Kapazitäten innerhalb von drei Jahren um weitere 2 MBD erhöhen könnte, um sie bis 2010 womöglich gar auf 6 MBD zu steigern. Das versprechen sie sich insbesondere für den Fall, dass der Irak seine Ölfelder privatisiert und den multinationalen Konzernen überlässt, die über die Technologien und das Kapital verfügen, das für eine rasche Erweiterung der Produktion vonnöten ist. Doch als die Neokonservativen ihren Plan im Herbst 2002 vorstellten, gab es aus einigen Ecken erheblichen Widerstand. Ihr Vorhaben stellte nicht nur eine Gefahr für die „Schurkenstaaten“ dar, sondern auch für viele befreundete Länder wie etwa Mexiko, Kanada, Norwegen, Indonesien, Russland, Kuwait und Saudi-Arabien. Saudische Repräsentanten stellten klar, dass sie die Opec verteidigen würden: zur Not durch die Erhöhung der eigenen Produktion bis zu einem Punkt, an dem nur noch wenige Firmen einen Anreiz sehen, ihr Kapital in die Erschließung weiterer irakischer Ölvorkommen zu stecken. Ironischerweise opponierten gegen die Privatisierung des Ölsektors selbst die irakischen Oppositionsgruppen im Exil, darunter auch viele Verbündete der Neokonservativen im irakischen Nationalkongress. Wie alle Iraker begreifen auch sie, ganz unabhängig von ihrer politischen Orientierung, dass das Öl ihre einzige stubstanzielle Ressource ist und deshalb unbedingt unter nationaler Kontrolle verbleiben sollte.

Erstaunlicherweise kamen Vorbehalte gegen den Plan der Neokonservativen auch von der Familie Bush. Deren Erfahrungen mit der Ölindustrie waren nicht immer glücklich (die Ölfirma von Bush jun., Arbusto Oil, ging Pleite), hinterließen dem Präsidenten aber ein ganzes Netz persönlicher Kontakte zu den unabhängigen Ölfirmen. Zu ihnen gehörten auch dutzende kleiner Unternehmen, während zu den Multis keine nennenswerten Verbindungen bestanden. Viele dieser kleineren Firmen sind in Texas beheimatet und verdienen ihr Geld mit dem Öl, das sie auf amerikanischem Boden oder in der vorgelagerten Schelfzone fördern. Gemeinsam ist allen diesen Firmen, dass ihr Überleben von stabil hohen Ölpreisen abhängt. Die Kosten für die Förderung eines Barrels in Saudi-Arabien mögen bei 1,50 Dollar liegen, die Gestehungskosten eines Barrels im Golf von Mexiko liegen dagegen bei 13 Dollar oder mehr. Das Letzte, was die unabhängigen Firmen wollen, ist ein globaler Sturz der Ölpreise. Und das Verschwinden der kleinen Firmen, so das Argument der superpatriotischen Lobbyisten aus Washington, würde die Vereinigten Staaten zu sehr vom Import ausländischen Öls abhängig machen.

Die multinationalen Ölfirmen – Giganten wie Exxon Mobil, British Petroleum, Shell, TotalFinaElf und Chevron-Texaco – haben verschiedene Bezugsquellen, müssen sich also vor einem Sturz der Ölpreise nicht übermäßig fürchten. Doch die Bush-Administration nimmt die Argumente dieser Unternehmen nicht wirklich ernst (von denen die meisten ja nicht einmal US-amerikanisch sind). Als George W. Bush gewählt wurde, drängten die Multis mit Macht auf eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran und Libyen und einiger anderer Embargo-Beschlüsse, die einer expansiven Unternehmensstrategie in Richtung Nahostregion im Wege standen. Die Bush-Regierung wies diese Forderungen zurück. Stattdessen legte Vizepräsident Cheney am 17. Mai 2001 seinen Bericht zur US-Energiepolitik vor („National Energy Policy“ erarbeitet von der National Energy Policy Development Group), der die zentrale Forderung enthält, neue Gebiete in den USA für die Exploration neuer Energiequellen freizugeben. Diese Politik läuft vor allem auf die Lizenz für Ölbohrungen in einem Nationalpark in Alaska hinaus. Entsprechend begeistert reagierten die unabhängigen Ölfirmen, während sich die multinationalen Konzerne schlecht bedient fühlten. Denn sie befürchteten durch die Zerstörung der Nationalparkgeländes einen Imageschaden, der die Gewinne aus den bescheidenen Ölvorkommen deutlich übersteigen würde. In den meisten großen Ölfeldern der Nahostregion wie dem von Madschun im Irak lagern mindestens 10 Milliarden Barrel, wohingegen die erschließbare Fördermenge im gesamten Naturschutzgebiet des Arctic National Wildlife Refuge (ANWR) nach Schätzungen des Oil & Gas Journal nur bei 2,6 Milliarden Barrel liegt.

Der Todesstoß für den Plan der Neokonservativen kam allerdings nicht von einer konkurrierenden Gruppe, sondern war das Resultat knallharter wirtschaftlicher Fakten. Im Januar 2003 gründete das Pentagon unter der Leitung des Neokonservativen Douglas Feith eine eigene „Planungsgruppe“, die unter anderem der Frage nachging, was nach der „Befreiung“ des Irak mit den Ölreserven geschehen solle. Diese Gruppe hat innerhalb eines Monats so viel über die Geheimnisse der Ölbranche herausgefunden, dass sie die ursprünglichen Pläne der Neokonservativen erschrocken fallen ließ.

Rechnungen ohne den Wirt

ANFANGS hatte man im Pentagon (und im Weißen Haus) noch angenommen, dass die Kriegskosten durch die Einnahmen aus den irakischen Ölquellen zu decken wären: Sollte irgendwann das Geld ausgehen, brauchte man nur die Hähne der Pipelines aufzudrehen. Doch als sie die Sache genauer durchrechneten, machten sie einige höchst unangenehme Entdeckungen.

Zum einen wird die Ausweitung der irakischen Ölförderung nicht nur ein zeitaufwendiges, sondern auch ein sehr kostspieliges Unterfangen werden. So würde es allein über eine Milliarde Dollar kosten, die bestehenden Förderanlagen zu erhalten, also die vom Ausfall bedrohten Ölpumpen und Pipelines instand zu setzen. Denn die sind gegenwärtig in einem Zustand, der den Ressourcen des Landes langfristig erheblichen Schaden zufügt. Das wird, auch wenn Hussein diese Anlagen nicht schon zuvor im Rahmen einer „Verbrannte Erde“-Strategie zerstören sollte, eine teure Angelegenheit. Zum anderen wird eine Erhöhung der Ölproduktion auf ihr früheres Niveau von 3,5 MBD mindestens drei Jahre dauern und Investionen von 8 Milliarden Dollar erfordern; weitere 20 Milliarden Dollar sind für die Reparatur der bereits beschädigten Stromnetze des Landes aufzuwenden (sie liefern den Strom für Pumpen und Raffinerien). Zusätzliche 30 Milliarden Dollar würde es kosten, die Produktion auf 6 MBD zu erhöhen.

Dies sind keine kleinen Summen für ein Land, das mit seinen Ölexporten gerade einmal 15 Milliarden Dollar pro Jahr einnimmt. Und doch erfassen die Zahlen nur einen Bruchteil der Kosten, die man in Washington durch den Export irakischen Öls abzudecken hofft. Niemand weiß, was die Invasion im Irak das Pentagon am Ende kosten wird. Erste Schätzungen der Bush-Administration selbst liegen bereits bei 100 Milliarden Dollar, und dabei wird es vermutlich nicht bleiben. Das Congressional Budget Office, ein Beratergremium des Kongresses, schätzt die Kosten für eine permanente Stationierung US-amerikanischer Truppen im Irak auf 12 bis 45 Milliarden Dollar pro Jahr. Iraks offene Auslandsschulden, die sich auf insgesamt 110 Milliarden Dollar belaufen, müssten mit 5 bis 12 Milliarden Dollar jährlich bedient werden. Als US-Beamte diese Zahlen herausfanden, forderten sie unverzüglich, dass man dem Irak nach Kriegsende seine Schulden erlassen müsse, die er hauptsächlich bei anderen arabischen Staaten sowie bei Russland und Frankreich hat. Die Entschädigungssummen, die der Irak für die Invasion in Kuwait bezahlen soll, belaufen sich auf insgesamt 300 Milliarden Dollar, wobei die zuständige UN-Behörde davon ausgeht, dass Bagdad im Endeffekt nicht mehr als 40 Milliarden Dollar zahlen muss (auch diese Schätzung beruht zum Teil auf der Tatsache, dass die USA bemüht sind, Kuwait von seinem Entschädigungsanspruch abzubringen). Letztlich weiß niemand, wie viele Iraker zu Flüchtlingen werden und wie viel humanitäre Hilfe nach dem Krieg vonnöten sein wird. Doch schon vor Beginn des Krieges importierte der Irak Nahrung und Medikamente im Wert von 14,5 Milliarden Dollar pro Jahr.

Selbst im günstigsten Szenario übersteigen die Gesamtkosten also die irakische Zahlungsfähigkeit. Washington wird die Rechnung für den Krieg zum Großteil allein übernehmen müssen. Hinzu kommen noch die Zahlungen an die Länder, die für ihre Kooperation eine Entschädigung fordern werden. Die USA werden natürlich versuchen, die verbleibenden Kosten ihren Verbündetenaufzubürden. Würden sie den Ölpreis drücken, würde dieses Vorhaben allerdings noch viel schwieriger werden.

Deshalb haben die Neokonservativen und die irakische Opposition den Beschluss gefasst, von einer Zerschlagung der Opec abzusehen. Unterstützt wird diese Entscheidung durch einen ganzen Chor von Ölpreisfalken aus dem Lager der „unabhängigen“ Kleinproduzenten und von Pentagon-Planern, die konsterniert auf die steigenden Kostenberechnungen starren. In Washington hat man also begonnen, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um die künftigen Öleinnahmen des Irak zu maximieren.

Der erste Schritt bestand in der stillschweigenden Vereinbarung, die Technokraten des heutigen irakischen Ölministeriums im Amt zu lassen – statt das Ministerium zu „ent-baathisieren“ – und ihnen möglichst viele Entscheidungen zu überlassen. Sowohl die Ingenieure, die für die laufende Ölproduktion zuständig sind, als auch die Verhandlungsführer, die mit den Ölmultis über neue Lieferverträge feilschen, werden also die Iraker sein, die über die größten Erfahrungen und die meisten Informationen verfügen – und nicht irgendwelche Pentagon-Beamten, die ohnehin nicht gerade für ihr Verhandlungsgeschick berühmt sind. Damit steht aber auch fest, dass das irakische Öl nicht privatisiert wird. Stattdessen werden irakische Technokraten sich bemühen, die Einnahmen des Landes mit ähnlichen Mitteln zu maximieren, wie es ihre Amtskollegen in Saudi-Arabien und Kuwait tun: indem sie ausländischen Firmen nur strikt begrenzte Förderanteile zubilligen, die gerade so viel Gewinn abwerfen, dass ihre Investitionsbereitschaft nicht versiegt.

Die Iraker und ihre US-amerikanischen Statthalter werden die Konkurrenz zwischen den ausländischen Ölfirmen bewusst anheizen, um möglichst günstige Konditionen zu erzielen. Washington hat bereits angedeutet, dass es sich an Staaten, die den Krieg gegen den Irak nicht unterstützt haben, rächen könnte, indem ihnen nach Kriegsende der Zugang zu irakischem Öl verwehrt würde. Vor allem Russland und Frankreich sollen das zu spüren bekommen. Dies ist jedoch eine zunehmend leere Drohung. Die Russen haben bereits die größte Einzelinvestition in der irakischen Ölbranche getätigt, gerade weil sie risikobereiter sind als westliche Firmen. Ihr Kapital und ihr Engagement könnten entscheidend dazu beitragen, die Rentabilität des irakischen Öls zu erhöhen. TotalFina hat insgesamt mehr investiert als die Russen und ist zudem außerordentlich gut positioniert, um seine irakische Fördermenge zu erhöhen. Auch Shell ist ernsthaft im Irak engagiert, und British Petroleum, das bis zur Revolution von 1958 das ganze Land dominiert hat, zeigt sich ebenfalls interessiert. Angesichts all dessen wird Washington wohl zu dem Schluss kommen, dass die Entscheidung, die Aufträge für die irakische Goldader möglichst offen auszuschreiben, nicht nur die Einnahmen maximiert, sondern auch den Vorwurf entschärft, die USA seien im Alleingang auf territoriale Eroberungen aus.

Dies bedeutet nicht, dass die US-Ölfirmen überhaupt keine Rolle im Irak spielen werden. Sollte die politische Situation sich schnell stabilisieren (was äußerst fraglich ist), werden sich auch Exxon-Mobile und Chevron-Texaco um Förderlizenzen bemühen, und selbst kleinere Firmen wie Conoco könnten die Möglichkeit sehen, sich im Rahmen eines internationalen Konsortiums zu engagieren und auf diesem Weg das Risiko gering zu halten. Der einzige Bereich, den die Vereinigten Staaten dann noch dominieren, wird der Markt für Ölserviceleistungen sein. Hier haben sich US-amerikanische Konzerne wie Halliburton (dem einst Dick Cheney vorstand) und Schlumberger bereits die globale Vorherrschaft gesichert – und zwar aus rein wirtschaftlichen Gründen. Doch US-amerikanische Firmen werden das irakische Öl bestimmt nicht monopolisieren. Es wäre sogar schon eine Überraschung, wenn sie am Ende mehr als die Hälfte der irakischen Produktion kontrollieren sollten.

Es gibt eine Menge Dinge, die man den Ölmultis – ob US-amerikanischen oder anderen – zu Recht vorwerfen kann. Ihre Verfehlungen reichen von der Zerstörung des Nigerdeltas bis zur Unterstützung des staatlichen Terrorismus in Indonesien. Doch im Fall des Irakkriegs waren sie nicht die treibende Kraft. Die Bush-Administration hat ihren Feldzug gegen Bagdad ohne Mitwirkung der Ölindustrie geplant – und ohne die geringsten Grundkenntnisse der Ölwirtschaft. In den Irakplänen Washingtons spielte das Öl vor allem als strategischer und weniger als ökonomischer Faktor eine Rolle. Beim Krieg gegen Saddam Hussein geht es darum, die US-amerikanische Hegemonie zu wahren – und nicht etwa darum, Exxon noch höhere Profite zu verschaffen.

deutsch von Elisabeth Wellershaus

* Gastprofessor an der Amerikanischen Universität in Beirut.

Le Monde diplomatique vom 11.04.2003, von YAHYA SADOWSKI