16.05.2003

Francis Alýs

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Francis Alýs

„Führe das Gemälde spazieren“, lautet das erste der „Zehn Dilemmata“ des belgischen Künstlers Francis Alýs (geb. 1959), der seit seinem Studium, als er die Rolle der Tiere in den Städten der Vor-Renaissance untersuchte, die Straße zum bevorzugten Ort seiner Kunst erwählte. 1987 ging er nach Mexiko, wo er seither lebt und arbeitet. Seine Videoarbeiten und Performances, mit denen er in den 90er-Jahren zunehmend bekannt wurde, spielen buchstäblich auf der Straße: 1996 läuft ein Mann mit einer Beretta in der Hand durch die Stadt – bis er verhaftet wird. In „Paradox of Praxis“ (1997) schob und stieß Alýs einen Quader aus Eis durch Mexico City, bis der letzte Wassertropfen verdunstet war. Und in „Zócalo“ (1999) dokumentiert er den Wandel des bekanntesten Platzes von Mexiko City im Laufe eines Tages.

Die Personen auf seinen Gemälden scheinen kaum von dieser Welt zu sein. Dafür sorgt nicht zuletzt das Wachs, das Alýs der Ölfarbe beimischt und das den Bildern die Anmutung von Fresken verleiht. Die Figuren sind keine Individuen mit Geschichten, sondern wirken wie Erscheinungen aus Träumen, Fabeln, Comics oder einer anderen, uns bekannt erscheinenden Welt. Sie leben, der Arte povera verwandt, von der Ruhe des Wiedererkennens und – wie auch die Videos – von einer komisch-melancholischen Grundstimmung. M.L.K.

Le Monde diplomatique vom 16.05.2003, von M.L.K.