08.04.2004

Mona Hatoum

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Mona Hatoum

„The Light at the End“ lautet der Titel einer Skulptur, die die aus dem Libanon stammende palästinensische Künstlerin Mona Hatoum 1989 in England installierte: Die sechs parallelen Heizstäbe, die sie auf ein Eisengestell in einer Ecke montiert hatte, leuchteten. Doch die Attraktion dieser minimalistischen Skulptur ist gelinde gesagt ambivalent: Das Licht am Ende des Tunnels erinnert an einen immensen Toaster und verheißt Schmerz und Folter.

Bereits während ihres Kunststudiums Ende der 1970er-Jahre hatte Mona Hatoum, die 1975, bei Ausbruch des Bürgerkrieges, in London war und nicht nach Hause zurückkehrte mit Strom gearbeitet, doch dies war gefährlich. So inszenierte sie ihr Grundmotiv – die Grausamkeit im Alltäglichen – seit Beginn der 80er-Jahre zunächst in Performances. Im Mittelpunkt vieler Arbeiten steht eine unmittelbare Verletzbarkeit des Körper – in den Performances war es der eigene Körper, nun ist es der Körper des Betrachters.

Anfang der 1990er-Jahre begann Mona Hatoum, das alltägliche Auf-der-Hut-Sein in einen Verdacht gegen das Alltägliche umzumünzen: Fußmatten mit der Aufschrift „Welcome“ laden zum Betreten eines Raumes (oder Landes?) ein, doch sie sind unbetretbar, weil ihre Borsten Nadeln sind; Rollstühle haben Messerklingen als Griffe, Schaukeln, die Kindheitsfreuden wachrufen und zunächst wie eine Einladung zu unschuldigem Glück aussehen, haben messerscharfe, schneidende Eisenkanten. All ihre Alltagsgegenstände könnten aus der Folterkammer eines modernen Martyrienmalers stammen, die, da sie nicht in einen bestimmten Kontext gestellt sind, im Betrachter erst recht eigene Fantasien wachrufen.

Hatoums Werk reflektiert das Dasein im Exil. Alle gewohnten Gegenstände – ästhetisiert, aus dem Kontext gerissen und pervertiert, inszenieren die Unheimlichkeit der Welt, in der der Einzelne nicht länger zu Hause ist. Die Weltkarte, die sie 1998 aus Murmeln auf dem Boden auslegte, gibt Zeugnis davon: Nicht einmal die Kontinente sind mehr ein fester Boden, sie sind unbegehbar und von Auflösung bedroht.

Viele ihrer Werke haben Titel, die den Assoziationsraum erweitern. Mona Hatoum, die seit Ausbruch des Bürgerkriegs 1975 in London lebt und derzeit als Stipendiatin in Berlin weilt, erhält in diesem Jahr den dänischen Sonning-Preis sowie den Preis der Schweizer Roswitha Haftmann Stiftung. M.L.K

Le Monde diplomatique vom 08.04.2004, von M.L.K