11.06.2004

Nedko Solakow

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Nedko Solakow

Erst jüngst wurde bekannt, dass es zu Lebzeiten von El Greco einen anderen namhaften Künstler gab: El Bulgaro. Der bulgarische Künstler Nedko Solakov präsentierte im Jahr 2000 die erfundenen Werke dieses erfundenen Künstlers als „sensationelle Entdeckung“: große Ölschinken, auf denen breitschultrige gedrungene Männer El Grecos Porträts konterkarieren. Ob El Bulgaro ein Alter Ego von El Greco ist, ob El Greco vielleicht eine von der Geschichte unterschlagene bulgarische Großmutter habe, bleibt Spekulation in der Fiktion.

Die Geschichte steht in mehrfacher Hinsicht stellvertretend für die Kunst des 1957 in Sofia geborenen Malers Nedko Solakov: Mit den „El Bulgaro“ unterschobenen Gemälden und Skizzen parodiert Solakov neben seinem eigenen Wunsch nach Weltruhm zuallererst die internationale Erwartung, der er in den Neunzigerjahren immer und überall begegnet sein dürfte: Die Kunst eines Bulgaren muss bulgarische Züge haben. Darüber hinaus thematisiert das Projekt die Sucht des Kunstbetriebs nach Sensation und Originalität in einer Welt, in der Wirklichkeit und Erleben als vom Staat (Sozialismus) oder der Werbung (Kapitalismus) gemachte erscheinen.

Solakovs erste bekanntere Arbeiten fielen in die Zeit der Perestroika. Um die sozialistische Auftragskunst zu unterlaufen, malte er etwa 1986 für eine Akt-Ausstellung in Sofia eine Nacktschnecke, dunkelgrau und schlüpfrig auf fleischfarbenem Grund.

Die sozialistische Lebenserfahrung misstraute jedem Bild. Eine ganze Generation von Schriftstellern und Künstlern hatte sich bereits vor 1989 die gängigen Bilder und Vorstellungen ironisch zu Eigen gemacht. Während die Vertreter der SOZart Räume künstlicher Idyllen produzierten, beschäftigten sich die Jüngeren nach dem Ende der Staatskunst mit der Unmöglichkeit, sich nunmehr mit der Aura einer künstlerischen Authentizität zu umgeben. Seine Werke arbeiten mit Ingredienzien der Kunstgeschichte, sie hinterfragen parodistisch den Prozess der Reprivatisierung.

Wenn in „Romantische Landschaften mit fehlenden Teilen“ just zentrale Chiffren der Romantik (Boot, Mond, Burg, Spiegelung usw.) fehlen, wird der Betrachter in seiner Erwartung gefoppt. Solakovs „eigener“ Beitrag versteckt sich in handschriftlichen Zeilen, die schräg und quer auf den Wänden stehen. „Warum tue ich das?“, fragt er sich und gibt selbst die Antwort: „ … also ich hatte diese kleine Hoffnung, dass all die fehlenden Teile ein besseres und interessanteres Leben außerhalb der Gemälde haben würden.“

M.L.K.

Le Monde diplomatique vom 11.06.2004, von M.L.K.