15.08.2003

Wenn sie so weit sind, dass sie uns lieben, werden wir sie hassen

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Wenn sie so weit sind, dass sie uns lieben, werden wir sie hassen

ALS Simbabwe im April 1980 seine Unabhängigkeit erlangte, sagten Samora Machel und Julius Nyerere, die Präsidenten von Mosambik und Tansania, zu Präsident Mugabe: „Du hast das Juwel Afrikas in deinen Händen, gib gut darauf Acht.“ Heute liegt Simbabwe am Boden, seit Jahren hat sein Bruttosozialprodukt die höchste Schrumpfungsrate der Welt, die weißen Farmer, die die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sichergestellt haben, sind von ihren Farmen vertrieben worden, jetzt droht eine Hungersnot. Dreiundzwanzig Jahre nach der Unabhängigkeit sind die Träume der Schwarzen endgültig perdu. Von DORIS LESSING

Das alte Südrhodesien hatte anständige, funktionierende Eisenbahnen und gute Straßen. Die Städte waren sauber, es herrschte Ruhe und Ordnung. Auf dem Land konnte man alles anbauen: tropische Früchte wie Ananas, Mangopflaumen, Bananen, Paradiesfeigen und Passionsfrüchte, aber auch Äpfel, Pfirsiche und Pflaumen. Der Mais wuchs wie Unkraut und ernährte auch die umliegenden Länder. Erdnüsse, Sonnenblumen, Baumwolle, Hirse sowie kleinkörnige Getreidesorten, die vor Einführung der Maispflanze Hauptnahrungsmittel waren, gab es im Überfluss. An Bodenschätzen wurden Gold, Chrom, Asbest und Platin gewonnen, hinzu kamen reiche Kohlevorkommen. Der Sambesi wurde zum Karibasee aufgestaut, dessen Kraftwerke den Norden und den Süden mit Strom versorgten. Ein Paradies, und nicht nur für Weiße. Auch den Schwarzen ging es gut, zumindest materiell. Politisch allerdings nicht: Südrhodesien war ein Polizeistaat, und zwar ein harter. Als die Schwarzen aufbegehrten und 1979 ihren Krieg gewannen, lag eine Zukunft vor ihnen, wie sie sich angesichts der materiellen Fülle und ihrer eigenen Fähigkeiten in keinem anderen Land Afrikas auftat – auch nicht in Südafrika, das unter einem doppelten Fluch zu leiden hatte: unter der Feindschaft zwischen seinen vielen Stämmen und unter den unendlichen Slumsiedlungen am Rande der Großstädte. Aber auch ein Paradies braucht ein festes Gerüst, eine Infrastruktur, und die ist inzwischen in Auflösung begriffen, ja fast schon verschwunden.

Das Elend hat einen Namen: Robert Mugabe. Eine Zeit lang war ich mir nicht sicher, ob hier nicht das Wort Tragödie angebracht wäre, im Sinne von Größe und Niedergang. Aber Mugabe war trotz seiner anfänglichen Reputation nie ein Großer; er ist immer ein verängstigter kleiner Mann gewesen. Stimmt, es ist eine Tragödie, aber für Simbabwe.

Der Abscheu gegenüber Mugabe ist heute allgemein – zu Recht, aber es hat lange gedauert, bis kritische Stimmen laut wurden. Das eigentlich Erstaunliche ist das jahrelange Beschweigen Mugabes durch seine internationalen Gönner und durch viele progressive Leute, die sich für politisch korrekt halten. Was für Verbrechen sind nicht schon im Namen der Political Correctness begangen worden: Ein Mörder kann ungestraft davonkommen, wenn er ein Schwarzer ist, im Fall Mugabe über viele Jahre.

Schon in den ersten Jahren seines Regimes hätten wir sehen können, wer Mugabe ist: als die berüchtigte Fünfte Brigade zu seiner Leibgarde wurde. Die Schlägertruppe aus Nordkorea, bei Schwarzen und Weißen gleich verhasst, erledigte für ihn die Dreckarbeit, vor allem bei seinem Feldzug gegen Matabeleland, bei dem tausende von Angehörigen der Ndebele (des zweitgrößten Stammes) fast wie bei einem Genozid abgeschlachtet wurden. Im Rückblick sind Mugabes Aktionen eindeutig als Raubfeldzüge zu erkennen. Aber damals herrschten Lüge und allgemeine Verwirrung. Und dennoch: Wir alle kannten die Fünfte Brigade, wussten schon damals von ihren Mordtaten und Vergewaltigungen.

Die Verwirrung hatte auch damit zu tun, dass Mugabe offenbar einen guten Start hatte. Er war zwar ein Marxist, aber wie andere Politiker vor und nach ihm sagte er richtige Dinge, zum Beispiel, dass Schwarze und Weiße nur gemeinsam zu Glück und Wohlstand kommen könnten. Und er drückte ein Gesetz gegen die Korruption durch, das Spitzenfunktionären verbot, mehr als ein Grundstück zu besitzen. Als seine Funktionäre darüber lachten und reihenweise Farmen, Hotels und Geschäfte aufkauften, unternahm Mugabe nichts. Das wäre der Zeitpunkt gewesen, an dem alle hätten sagen müssen: „Das ist kein starker Mann, er ist ein Schwächling.“

Vom ersten Tag an hatte Mugabe Angst, sich auf der Straße zu zeigen ohne den Schutz durch berittene Polizei, Bodyguards oder einen Motorradkonvoi – der Panzer für seine Paranoia. Als Königin Elizabeth II. das Land besuchte und sich weigerte, mit ihm in ein gepanzertes Auto zu steigen und stattdessen auf einer offenen Limousine bestand, machten sich die Menschen über den verängstigten Mann lustig, der sich in eine Ecke des Wagens drückte, während die unbekümmerte Königin lächelnd in die Menge winkte.

Das ist der Kern der Tragödie. Nie zuvor ist ein Herrscher an die Macht gekommen, dem sein Volk einen solchen Vertrauensvorschuss gewährt hat. Fast die ganze Bevölkerung – seine Wähler wie auch die anderen, die ihn nicht gewählt hatten – vergaß ihre Zwistigkeiten und erwartete von ihm die Erfüllung ihrer Träume – und seiner Versprechungen. In diesen ersten Jahren hätte er praktisch machen können, was er wollte. Wer Anfang der 1980er-Jahre in den Dörfern herumreiste, hörte überall: „Mugabe wird dies tun, und Genosse Mugabe wird das tun.“ Er wird die Bedeutung dieses oder jenes Plans erkennen, er wird diesen Laden, diese Klinik oder diese Straße bauen, wird unserer Schule weiterhelfen, wird diesem engstirnigen Funktionär Bescheid stoßen. Wäre Mugabe damals so klug gewesen, was er hörte auch ernst zu nehmen, hätte er das Land von Grund auf umgestalten können. Aber er wusste nicht, wie sehr ihm die Leute vertrauten, denn er war viel zu ängstlich, um sein selbst errichtetes Gefängnis zu verlassen. Er umgab sich nur mit Speichelleckern und alten Kumpanen. Und er regierte nach den starren Regeln der marxistischen Lehrbücher.

Wer für Mugabes Ruf, ein belesener Mann zu sein, Indizien in seiner persönlichen Umgebung auftreiben wollte, würde nur ein paar marxistische Traktate finden. Er war erst spät auf den Marxismus gestoßen, bekehrt durch den Führer der Unabhängigkeitsbewegung von Mosambik, Samora Machel, der ein sensibler, aufgeschlossener Mann war – ganz anders als Mugabe, der zu engstirnig doktrinärem Denken neigte. (Machel wurde 1986 vom südafrikanischen Geheimdienst ermordet.) Manche Leute machen auch Mugabes Frau Sally, die aus Ghana stammt, für seinen augenscheinlichen Persönlichkeitswandel verantwortlich. Die Mutter der Nation war korrupt, unverfroren korrupt. Einmal wurde sie bei der Ausreise in ihre Heimat Ghana vom Zoll angehalten, weil sie Simbabwe-Währung im Wert von einer Million britische Pfund bei sich trug. Das sei ihr Geld, behauptete sie und lachte nur, als man es ihr wegnahm und sie ohne das Geld weiterreisen musste. Das war zu der Zeit, als den Gesetzen noch Geltung verschafft wurde.

Dem brutalen äthiopischen Diktator Mengistu Haile Mariam gewährte Mugabe Zuflucht. Mengistu lebt noch heute in Simbabwe, geschützt vor seinem Volk, das ihn als Kriegsverbrecher vor Gericht stellen würde. Wie in derartigen Fällen üblich, fand man alle möglichen Entschuldigungen für Mugabe: Hatte er doch unter dem repressiven Regime des Ministerpräsidenten Ian Smith selbst im Gefängnis gesessen und hatte nicht einmal am Begräbnis seines Sohnes teilnehmen dürfen. Nie hatten ihn die Weißen freundlich oder nur milde behandelt – warum sollte er jetzt freundlich zu ihnen sein? Und was Mengistu betrifft: Es gehört doch wohl zu den Regeln ritterlicher Gastfreundschaft, einen Flüchtling vor juristischer Verfolgung zu schützen.

Mugabe war auch eng mit Mahathir bin Mohammed befreundet, dem berüchtigten Ministerpräsidenten von Malaysia, und versuchte, ihm die Aktienmehrheit an den Elektrizitätswerken von Simbabwe zu verkaufen. Allerdings reichten ihm die Gegenleistungen nicht, die ihm der Freund anbot, und so kam das Geschäft doch nicht zustande.

Die Geduld der Shona

ANFANG der 1990er-Jahre gab es in Simbabwe eine katastrophale Dürre. Damals verkauften Mitglieder der Mugabe-Regierung das Getreide aus den staatlichen Silos und steckten das Geld in die eigenen Taschen. Vor lauter Verachtung für diese Minister betrachtete die Öffentlichkeit dieses Verbrechen nur als eines von vielen Bagatelldelikten in einer viel umfassenderen kriminellen Gesamtbilanz. Schon Mitte der 1980er-Jahre meinten UN-Vertreter, die Regierung Mugabe sei die habgierigste Diebesbande in ganz Afrika. Mag sein, halten seine Fürsprecher entgegen – viele von ihnen sind aus seinem eigenen Beamtenapparat –, aber Korruption sei schließlich auch in Europa nicht ganz unbekannt. Und Mugabes willkürliche und brutal durchgreifende Geheimpolizei? „Aber bitte“, lautet die Antwort, „wer wird denn in Afrika eine Demokratie europäischen Stils erwarten?“

Wenn man Simbabwe zu Beginn der Ära Mugabe besuchte und sich nur mit Weißen und Schwarzen unterhielt, die in Harare oder Bulawayo lebten und fast nie über den Stadtrand hinausgekommen waren, hörte man nichts als Klagen über die Korruption, die Unfähigkeit, den vollständigen Zusammenbruch der öffentlichen Dienste. Machte man sich jedoch die Mühe, in die Dörfer hinauszufahren, wurde man von der Begeisterung der Menschen unweigerlich angesteckt. Die Shona sind ein gescheites, humorvolles, unternehmungslustiges Volk, aber sie haben einen Fehler: sie sind ein geduldiges Volk. Ein bekannter Schriftsteller hat mir einmal vorgejammert: Was ist bloß mit uns los? Erst haben wir die Weißen viel zu lange erduldet, und jetzt dulden wir diese Gaunerbande.

Die Leute in den Dörfern rissen Witze über ihre Unterdrücker, träumten weiter von besseren Zeiten und hätten nichts lieber getan, als diese Zeiten aus eigener Kraft herbeizuführen. In den ersten Jahren, als man ihnen kostenlose Grund- und Oberschulbildung und ein Hochschulstudium versprochen hatte, halfen sie freiwillig und unbezahlt beim Bau von Schulhäusern mit, obwohl dann die freie Schulbildung bald wieder abgeschafft wurde, an einigen Orten sogar Schulbildung überhaupt. In Sachen Bildung hatten sie es unter den Weißen viel besser gehabt.

Da man ihnen eine anständige Bildung oder überhaupt jede Bildung vorenthielt, waren sie umso hungriger auf Bücher. Aus Umfragen ging hervor, was sie lesen wollten: Romane, vor allem die Klassiker, Sciencefiction, Gedichte, historische Romane, Märchen. Anfangs waren solche Bücher noch zu haben, doch bald sorgte die galoppierende Inflation dafür, dass die Leute nur noch billige, im Lande publizierte Handbücher kaufen konnten, etwa „Wie betreibe ich einen Laden“, „Wie halte ich Geflügel“ oder „Autoreparaturen“ und ähnliche Titel. Eine Kiste voller Bücher, und seien sie noch so einfach, kann für ein Dorf eine ungeheure Veränderung bedeuten. Wenn eine Bücherspende von einer humanitären Organisation eintrifft, können oft Freudentränen fließen. Einmal hörte ich einen Mann klagen: „Sie haben uns das Lesen beigebracht, und jetzt gibt es keine Bücher.“ Vor drei Jahren kostete ein Klassiker aus der Penguin-Taschenbuchreihe mehr als einen Monatslohn.

Aber selbst mit den paar Büchern, viel weniger als anfänglich erträumt, kamen im Handumdrehen Studienkurse in Gang, für Literatur, für Mathematik, für Bürgerkunde. Sobald irgendwo eine Kiste mit Büchern auftauchte, wurden erstaunliche Energien freigesetzt. Ein in Apathie versunkenes Dorf erwachte über Nacht zu neuem Leben. Dieses Volk wartet nicht auf Almosen. Ein kleiner Anstoß, ein bisschen Hilfe, und sie nehmen alle möglichen Projekte in Angriff. Vor ein paar Monaten erzählte mir jemand aus einem Bücherteam, mit dem ich zu tun habe, von seinem Besuch in einem Dorf: „Da habe ich mich mit Menschen, die seit drei Tagen nichts gegessen hatten, über Bücher unterhalten.“

Die Tragödie, hier ist sie greifbar. Eine Tragödie, zu der es nie gekommen wäre, hätte Mugabe auch nur zur Hälfte dem entsprochen, was die Menschen in ihm sahen. Heute sagen die Leute: „Mugabe muss weg, dann wird alles wieder gut.“ Doch hat er inzwischen eine ganze Kaste von raffgierigen Leuten hervorgebracht, die so sind wie er selbst. Wenn Mugabe weg ist, wird es andere, genauso schlimme Leute geben. Vielleicht bin ich ja zu pessimistisch, vielleicht kann man die Gauner wirklich loswerden, aber der angerichtete Schaden wäre damit noch nicht beseitigt.

Manchmal wird ein längst verblichenes Sprichwort auf bestürzende Weise wieder lebendig. „Man muss die Gunst der Stunde nutzen“, hieß es früher. Hätte Mugabe die Gunst der Stunde genutzt, die mit der Unabhängigkeit gekommen war, hätte Simbabwe zum Vorbild für ganz Afrika werden können. Aber er hat es nicht getan, und das Elend des Landes und seiner Menschen bezeugen sein Versäumnis. Nichts kann eine solche Chance wiederbringen. Wir, die wir alt genug sind, können über die verpassten Gelegenheiten nur noch trauern. Die vertrauten Worte enthalten eine historische Lektion, die schmerzhafter ist als die bitterste Erfahrung. Es gibt sie tatsächlich, die Gunst der Stunde, die nie wiederkehrt.

Der Rassenhass, den Mugabe geschürt hat, wird nicht aussterben. In der ganzen Zeit seit der Unabhängigkeit war die antiweiße Rhetorik von marxistischen Slogans begleitet, die so primitiv waren, als hätte man den Marxismus in Simbabwe erfunden. Und doch konnte jeder Besucher feststellen, welch freundschaftliche Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen herrschten, zumal im Vergleich mit Südafrika, das die bittere Hinterlassenschaft der Apartheid zu bewältigen hat. Die aufputschenden Artikel in der Regierungspresse nahm man im Übrigen so beiläufig zur Kenntnis wie öffentliche Verlautbarungen der früheren sowjetischen oder jeder anderen kommunistischen Regierung. Die offizielle Rhetorik war in Simbabwe schlimmer als in jedem anderen afrikanischen Land, hieß es in einem Bericht der Vereinten Nationen, der zugleich feststellte: „Nie hatte die Rhetorik so wenig mit dem zu tun, was tatsächlich vor sich ging.“

Die Rhetorik richtete sich gegen die Weißen im Allgemeinen, aber besonders gegen die weißen Farmer, die über große Ländereien verfügten, den Großteil der Nahrungsmittel produzierten und Deviseneinnahmen für das Land erwirtschafteten. Den Farmern war durchaus klar, dass sie eine Sonderstellung innehatten. Und die „Commercial Farmers Union“, die weiße wie auch ein paar schwarze Farmer vertritt, machte Vorschläge für eine Umverteilung, die ohne negative Folgen für die Wirtschaft gewesen wäre. Mugabe hat keinen dieser Vorschläge auch nur zur Kenntnis genommen. Derweil wurde das Farmland, das die Regierung bereits erworben hatte, nicht etwa an arme Schwarze weitergegeben (das geschah nur in der Anfangsphase). Es landete vielmehr in den Händen der habgierigen Clique von Robert Mugabe.

Es gab somit überhaupt keinen Grund, auf Konfrontation zu setzen. Warum hat sich Mugabe dennoch zu einem Überraschungsangriff auf die weißen Farmer entschlossen, der den eindeutigen Versuch darstellte, sie aus Simbabwe zu vertreiben? Mugabe hatte Gefallen daran gefunden, sich als dienstältester schwarzer Führer im südlichen Afrika zu sehen – während er schon zunehmend als peinliche Figur empfunden wurde. Als dann Nelson Mandela die Szene betrat und ihm die Herzen der ganzen Welt zuflogen, reagierte Mugabe wütend (worüber es viele Berichte gibt). Es kam zu lächerlichen Szenen, in denen Mugabe seine Führungsrolle zu behaupten versuchte. Auf einer Konferenz der afrikanischen Staatsoberhäupter hatte sich Mandela beim Mittagessen wie alle anderen Teilnehmer in die Schlange vor dem Buffet eingereiht, während Mugabe deutlich sichtbar an einem Tisch im Saal saß und sich von seinem Gefolge bedienen ließ. Das Ergebnis war, dass alle über ihn lachten. Da er aber von lauter Schmeichlern umgeben war, verstand er nie, warum die Leute lachten.

Sein Ehrgeiz, als der Große Führer dazustehen, nahm verzweifelte Formen an. Die Frage der Landverteilung war dabei stets virulent, nicht zuletzt weil er in den 1970er-Jahren während des Befreiungskriegs „jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind“ Land versprochen hatte. Warum hatte er derart törichte und unerfüllbare Versprechungen gemacht? Nun, damals war ja keineswegs ausgemacht, dass er den Wettlauf um die politische Führungsrolle gewinnen würde. Jetzt aber würde er, Mugabe, der große Staatsmann und der Vater seines Volkes, die weißen Farmer hinauswerfen, und schon wäre Mandela, diese unbedeutende Figur, vergessen. In einigen rückständigen Regionen Afrikas – und anderswo – wurde er tatsächlich berühmt. Der Preis dafür war der Ruin des Landes, das er mit seinem Regime bereits an den Rand des Abgrunds geführt hatte.

Bleibt aber die Frage: Warum handelte er so destruktiv? Mugabe ist nicht dumm. Sein geschicktes Kalkül, mit dem er seine Position festigte, lässt einen listigen, systematisch planenden Mann erkennen. Und am Krieg im Kongo zum Beispiel, der Simbabwe vollends arm machte, als seine Wirtschaft bereits daniederlag, bereicherte er sich persönlich und sicherte sich – als Gegenleistung für die Entsendung von Truppen – einen Anteil an den Bodenschätzen des Kongo. Mit diesem Geld konnte er sich von der Bedrohung durch die Armeeoffiziere freikaufen, der größten, die es für ihn gibt, denn nur die Offiziere könnten ihn aus seinem Amt vertreiben.

Viele Leute meinten, Mugabe sei verrückt, auch ich habe zu ihnen gehört. Vielleicht hat uns ja gerade der sentimentale, linksliberale Fortschrittsglaube den Blick verstellt, statt Zweifel an einer solchen Führungsfigur aufkommen zu lassen. Wie hätten wir glauben sollen, dass ein Mann, der sich so beharrlich und in den höchsten Tönen auf den Fortschritt berief, tatsächlich Pläne verfolgte, die den Ruin seines eigenen Volk bedeuteten? Hat Mugabe wirklich nicht vorausgesehen, mit welcher Gewalt seine Kampagne zur Übernahme von Farmland durchgeführt würde?

Einer meiner Freunde erzählte mir folgende Geschichte: Als er einen früheren Freund auf der Straße traf, einen Schwarzen aus dem Mugabe-Klüngel, sagte dieser zu ihm: „Wir haben nie gedacht, dass uns die Dinge so außer Kontrolle geraten würden.“ Er sagte diesen Satz ganz beiläufig, als gehe es um irgendeine unbedeutende Panne, und meinte weiter: „Das Problem ist, dass Robert immer nur Tony Blair im Kopf hat. Er ist überzeugt, dass Blair ihn fertig machen oder sogar umbringen will.“ Nun ist Blair tatsächlich ein scharfer Kritiker von Mugabe. „Ich bezweifle aber“, wandte mein Freund ein, „dass Tony Blair auch nur eine halbe Minute in der Woche an Mugabe denkt.“ Die Antwort lautete: „Mag sein, aber das würde Robert nicht glauben wollen.“

Heute ist es leicht, sich rückblickend an Situationen und Ereignisse zu erinnern, die von bevorstehenden Gefahren kündeten – zuerst und vor allem an die Massen von arbeitslosen jungen Schwarzen. Überall in Simbabwe, an den Straßen, in entlegenen Dörfern, vor Schulen, Colleges und Missionsstationen sah man sehr junge schwarze Männer, die einfach herumstanden oder, häufiger noch, versuchten, armselige, aus Holz geschnitzte Tiere – Elefanten, Giraffen und dergleichen – oder auch ein paar Steinskulpturen zu verkaufen. In Simbabwe gibt es einige gute schwarze Bildhauer. Aber dann gibt es Leute, die sich sagen (getreu dem magischen Denken, das diesem Land schon immer Unglück gebracht hat): „Wenn der mit seinen Steinfiguren so viel Geld machen kann, dann schaffe ich das auch.“ Es gibt Stellen in Simbabwe, wo derartige Skulpturen massenhaft herumstehen. Die meisten sind Schund.

Die jungen Leute hatten keine Zukunft, weil die Versprechungen Mugabes nicht in Erfüllung gegangen waren. Sie hungerten und hatten keine Arbeit. Und genau diese jungen Leute heuerte Mugabe dafür an, dass sie die weißen Farmer (und auch die reicheren schwarzen) unter Druck setzten und im Namen der Kriegsveteranen deren Besitz beschlagnahmten. Heute hängen diese Leute immer noch herum, sie haben sich an die Gewalt gewöhnt, sind betrunken und ohne Zukunft, denn selbst wer ein kleines Stück Land abbekommen hat, dem fehlen Geräte, Saatgut und vor allem die notwendigen Kenntnisse. Viele hat es schon wieder in die Stadt zurückgezogen. Und man hört sie klagen: „Jetzt haben wir für den Genossen Mugabe all diese üblen Dinge getan – und er vergisst uns einfach.“

Eine weitere Szene: Sie spielt 1982, das Land ist erst zwei Jahre unabhängig, es herrscht gedrückte, verbitterte Nachkriegsstimmung. In einem Gasthaus in den Bergen oberhalb der Stadt Mutare, vormals eine Kneipe für Weiße, sitzt eine Gruppe junger Schwarzer; sie haben sich herausgeputzt: die Männer im Smoking, die jungen Frauen im Ballkleid, wie aus einer Anzeige in einem Frauenmagazin der Dreißigerjahre. Ein seltsamer Anblick in dieser einfachen, ländlichen Umgebung, wo die Menschen wahrscheinlich noch nie zuvor einen Smoking zu Gesicht bekommen haben. Aber die jungen Leute glauben, dass es in dem langen Krieg genau um solche Dinge gegangen sei. Deshalb sitzen sie jetzt in einem Hotel, das einmal eine weiße Enklave war, in herrschaftlichen Kleidern – ganz wie die Weißen – und gönnen sich luxuriöse Drinks. Und vor allem lassen sie sich, wie die Weißen, von schwarzem Personal bedienen.

Während der neunzig Jahre langen weißen Besatzung hatten die Schwarzen, die zumeist brutal aus ihrem Dorfleben herausgerissen wurden, aus weiter Ferne auf die da oben gestarrt – auf die reichen Weißen mit ihren Automobilen und ihren schwarzen Dienern. Unter den Weißen, die sie für reich hielten, waren zwar auch viele Arme, aber die meisten Schwarzen befanden sich so weit unterhalb der scheinbar geschlossenen Schicht von Weißen, dass in ihren Augen jeder Weiße reich war. Einfach reich, ohne Mühen.

Nehmen wir das Beispiel eines jungen Weißen, der in der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre seine britische Heimat wegen der Arbeitslosigkeit verlassen hatte und sich als Hilfskraft bei einem wohlhabenden Farmer im damaligen Rhodesien verdingte. Bevor er sich um ein Darlehen bemühte, um selbst Farmer zu werden, besaß dieser Mann nicht viel mehr als die Kleider auf seinem Leib. Wahrscheinlich war seine Familie in England heilfroh gewesen, ihn loszuwerden. Doch der schwarze Ober, der dem jungen Briten beim örtlichen Sportfest das Bier brachte, sah in ihm den reichen Mann, dem alle Möglichkeiten offen standen. Die Weißen waren alle reich. Und der verlockendste aller Träume, all der unerreichbaren Träume, war das Leben des weißen Farmers, das Leben auf der Veranda. Wenn sie daran dachten, was ihnen Mugabe in der Zeit des Befreiungskrieges versprochen hatte, dass nämlich jeder sein eigenes Land haben würde, dann hatten sie dieses Wunschbild vor Augen: ein Haus wie das des weißen Farmers, ausgedehnte Ländereien und schwarze Diener – ein Leben in Wohlstand, ohne Mühen.

Improvisation und Starrsinn

DIE meisten weißen Farmer waren übrigens sehr gute Farmer: erfinderisch, fleißig und sehr wohl in der Lage, auch unter schwierigen Bedingungen zurechtzukommen, selbst wenn wegen Mugabes Importverboten wichtige Versorgungsgüter und Ersatzteile fehlten oder das Benzin nicht reichte. Wo immer man eine weiße Farm besuchte, traf man Leute, die stolz auf ihre Improvisationskunst verwiesen. „Das habe ich mir einfallen lassen“, sagte etwa der Farmer, der eine Methode zum Tabaktrocknen ersonnen oder ein spezielles Gerät erfunden hatte. Seine Frau hingegen mochte auf die köstlichen, selbst gemachten Süßigkeiten verweisen, die sie aus eigentlich fürs Vieh vorgesehenen Kürbissen zubereitete. Viele hatten ihre Farmen mitten im Busch aus dem Nichts aufgebaut.

Seit den 1990er-Jahren begann sich die Einstellung der Weißen zu ihren schwarzen Bediensteten zu verändern. Ich selbst bin mit den starrsinnigen weißen Farmern der frühen Siedlungsphase groß geworden. Sie brachten den Schwarzen im besten Fall eine mütterliche oder väterliche Bevormundung entgegen, richteten eine Krankenstation oder eine Schule ein. Im schlimmsten Fall waren sie brutal. Angesichts ihres erzwungenen Exodus sind manche weißen Farmer derzeit bemüht, ihre Geschichte schönzureden. Das wird nicht gelingen, ihre Willkürherrschaft über die Schwarzen ist durch Dokumente und Selbstzeugnisse sattsam belegt. Aber bei meinen Besuchen gegen Ende der 1980er- und in den 1990er-Jahren hatte ich den Eindruck, dass die meisten weißen Farmer dabei waren, ihre Einstellung zu ändern.

Heute jedoch, da das Land immer tiefer in der Krise versackt, können sich nur wenige weiße Farmer verkneifen zu sagen: „Wir haben es gleich gesagt. Wir haben immer gewusst, dass sie nicht mal einen Fahrradladen führen können, geschweige denn ein ganzes Land.“ Aber die Leute, die das heute sagen, haben dafür gesorgt, dass die Schwarzen weder eine schulische noch eine praktische Ausbildung bekamen, und dass der Deckel, der ihren sozialen Aufstieg verhindert hat, nicht aus Glas, sondern aus Stahl gemacht war. Als nämlich im alten Südrhodesien die Zahl der schwarzen Wahlberechtigten aus Sicht der Weißen zu stark angestiegen war, hat man die Bildungsstandards für die Wahlberechtigung angehoben und die Schwarzen so von der Wahl ausgeschlossen.

Als Sambia, das alte Nordrhodesien, seine Unabhängigkeit feierte, traf ich einen britischen Exkolonialbeamten, der schadenfroh strahlte, als die schwarzen Neulinge bei den Feierlichkeiten ein belangloses Detail nicht richtig hinbekamen. Manche weißen Siedler und Beamten waren eben keine sonderlich sympathischen Zeitgenossen. Aber immerhin offen für Veränderung. Doch wie schon Alan Paton schrieb: „Wenn sie so weit sind, dass sie uns lieben, werden wir sie hassen.“ („Cry the Beloved Country“, 1948, deutsch: „Denn sie sollen getröstet werden“).

Die Berichterstattung über die Enteignung und Übertragung von Farmland war und ist verzerrt. Alle Aufmerksamkeit gilt den weißen Farmern, die ihr Land verlieren. Viel zu selten ist die Rede von den hunderttausenden schwarzen Farmarbeitern, die ihre Jobs und ihre Wohnungen verloren haben und deren Frauen und Töchter geschlagen und vergewaltigt wurden (und immer noch werden). Auch schwarzen Farmer, die es teilweise mit Unterstützung von weißen Nachbarn zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben, wurde Land weggenommen. Eine entscheidende Tatsache wird kaum je erwähnt: Seit der Unabhängigkeit haben 80 Prozent aller Farmen ihren Besitzer gewechselt. Laut Gesetz mussten sie zuerst der Regierung angeboten werden, die aber kein Interesse zeigte. Diese Tatsache widerlegt Mugabes Sprüche, nach denen sich die weißen Farmer angeblich das Land der Schwarzen unter den Nagel reißen.

Seine Desinformationskampagne hat freilich dazu geführt, dass manche Leute heute behaupten: „Die Weißen haben meine Großeltern von ihrer Farm vertrieben und ihr Haus weggenommen.“ Als die Weißen dort eintrafen, wo heute Simbabwe ist, lebten etwa 250 000 Schwarze in Dörfern mit Hütten aus Lehmwänden und Grasdächern. Die Frauen bauten Kürbisse an und den ursprünglich aus Südamerika importierten Mais, dazu sammelten sie Pflanzen und Früchte im umliegenden Buschland. Die Männer gingen auf die Jagd.

Als ich ein kleines Mädchen war, gab es noch Männer, die mit Tierfellen bekleidet und mit Wurfspießen bewaffnet durch den Busch zogen – Menschen, die die Zeit der Jäger und Sammler kaum hinter sich gelassen hatten. In einer BBC-Sendung beteuert eine junge Frau, dass unter der Herrschaft der Weißen das Mbiraspielen verboten gewesen sei – die Mbira ist ein Instrument, bei dem Metallsaiten über einem Brett gespannt werden, das die Weißen auch Daumenklavier nennen. In meiner Jugend war das Klimpern des Daumenklaviers aber überall zu hören, auch in den Dörfern der Schwarzen. Es wird lange dauern, bis Mugabes Version der Geschichte wieder zurechtgerückt sein wird – falls es überhaupt so weit kommt.

Vor kurzem ließ er im ganzen Land obligatorische Indoktrinationskurse einführen, in denen vor allem Lehrer beigebracht bekommen, dass sie Mugabe zu verehren und der herrschenden Partei Zanu absoluten Gehorsam entgegenzubringen haben. Außerdem sollen die Leute glauben, dass alle Übel Simbabwes auf die finsteren Machenschaften von Tony Blair zurückgehen und auf die Oppositionsparteien, die sich mit ihm gemein machen. Die Teilnehmer lernen auch andere nützliche Dinge, etwa wie man Widersacher mit einem Schlag gegen die empfindlichen Körperteile außer Gefecht setzen oder sie mit Schnürsenkeln erdrosseln kann. Mit den Traditionen und der Geschichte Simbabwes, auf die sich das Regime so gern beruft, haben derart sadistische Grausamkeiten nichts zu tun.

Viele Schwarze, mit denen ich gesprochen habe oder deren Einstellung ich über Dritte kenne, reden zwar gern über „unsere Traditionen“, haben aber nicht viel für ihre eigene Geschichte übrig. Viele Menschen, die ich kenne oder beobachtet habe, wollen nichts lieber, als sich in Abendgarderobe werfen, wie Weiße auftreten, einen weißen Lebensstil pflegen, den Busch möglichst weit hinter sich lassen. Wenn gebildete schwarze Städter zusammensitzen, machen sie ein paar sentimentale Bemerkungen über die Fotos an der Wand, auf denen einheimische Dörfer abgebildet sind – ihr eigenes Dorf haben sie jedoch seit Jahren nicht betreten.

Wer wissen will, wie viel „unsere Traditionen“ tatsächlich noch zählen, muss in Harare an einem Samstag oder Sonntag in den Park gehen, wo sich dutzende von Hochzeitsgesellschaften einfinden, die Bräute in Weiß mit Schleier, samt Brautjungfern und Brautknaben. Häufig sind die Frauen hochschwanger oder sie haben schon mehrere kleine Kinder. Aber ein solcher Übergangsritus der Moderne, die Hochzeit des weißen Mannes, muss einfach sein, und die Fotografen sind da, um das wunderbare Bild für die Nachwelt festzuhalten (dabei ließe sich fragen, warum eigentlich ein Ritual der viktorianischen Mittelklasse die ganze Welt erobert).

Besonders hoch gehalten werden „unsere Traditionen“, wann immer sie zur Unterdrückung der Frauen beitragen. In der frühen marxistischen Phase wurde in Simbabwe, wie in anderen kommunistischen Ländern, auf vielen Gebieten das Gleichheitsprinzip durchgesetzt. Dennoch stellen „unsere Traditionen“ nach wie vor sicher, dass Frauen kein Recht auf ihr selbst verdientes Geld und die eigenen Kinder haben. Sie sind Leibeigene ihrer Ehemänner. Mugabe lässt sich nach jeder Auslandsreise auf dem Flughafen von jungen Mädchen in Empfang nehmen, die in die Hände klatschen und den Boden vor seinen Füssen küssen. Als diese Sitte in den ersten Jahren als rückständig kritisiert wurde, hieß es: „Das ist eben unsere Tradition.“

Auch ein Mann, der bei seinem Regierungsjob einen Dreiteiler trägt, verprügelt zu Hause möglicherweise immer noch seine Frau oder versucht es jedenfalls, denn die Frauen schlagen manchmal zurück. Und wahrscheinlich hört er auf den Rat von Wahrsagern und Schamanen. Noch immer regiert der Aberglaube. Es ist eben „unsere Tradition“, dem bösen Blick die Schuld zu geben, wenn jemand in der Familie krank wird oder eine Kuh lahmt, und anschließend den witch doctor dafür zu bezahlen, dass er die richtige Rache ersinnt.

Zu „unserer Tradition“ gehört es mittlerweile auch, für einen HIV-positiven Mann eine jungfräuliche Partnerin zu finden, denn Sex mit Jungfrauen heilt den Mann von seiner Aidserkrankung. Noch heute kommen in der Medizin Knochen und andere Teile des Menschen zum Einsatz – auch das ist eben Tradition.

Genosse Mugabe wird für uns sorgen

INZWISCHEN sind fast alle weißen Farmer vertrieben worden. Und jedem aufmerksamen Beobachter sollte klar sein, dass es dabei nicht in erster Linie um eine „Rassenfrage“ geht, sondern schlicht um die Besitzaneignung. Viele der Armen, die sich auf dem Land der Weißen angesiedelt haben, sind von mächtigen Schwarzen wieder fortgejagt worden. Wer sich auf einem Stück Land behaupten konnte, baut darauf Mais und Kürbisse an und vielleicht Raps, vorausgesetzt, es regnet. Dieses Jahr herrscht wieder eine schlimme Dürre. Die armen Siedler müssen ohne Maschinen auskommen, manche haben nicht einmal eine Schaufel. Die Bewässerungssysteme sind zusammengebrochen. Ich erinnere mich an eine Situation in den 1980er-Jahren, als in einer Schule der Wassertank nicht funktionierte. Ein Ventil war kaputt gegangen. Niemand ersetzte es. Die Frauen mussten das Wasser wieder wie früher vom Fluss holen, der mit Bilharziose-Erregern verseucht war. Zwei Jahre später war der Tank immer noch nicht repariert.

Die neuen (schwarzen) Siedler, die sich auf Mugabe verlassen hatten – „Genosse Mugabe wird für uns sorgen“, „Genosse Mugabe wird dies und jenes …“ –, werden ihre Kinder nicht zur Schule schicken können, weil der Schulbesuch heute (anders als unter den Weißen) eine Menge Geld kostet. Und wo soll das Geld für Kleider herkommen, sofern die Kinder diese schreckliche Zeit überhaupt überleben, denn schließlich gibt es nichts zu essen und manche Menschen verhungern? Wer sich auf seinem Stück Land halten kann, wird so arm sein wie die meisten Subsistenzbauern überall auf der Welt.

Aus jedem Telefongespräch mit Menschen in Simbabwe, von jedem Besucher des Landes erfährt man bizarre Begebenheiten, wie man sie aus keinem anderen afrikanischen Land je gehört hat. Mitglieder der schwarzen Elite fahren von einer weißen Farm zur andern und sagen: „Ich nehme die da.“ – „Nein, ich will lieber die andere dort.“

Mugabes Frau ließ sich höchstpersönlich durchs Land fahren, um sich Farmen auszusuchen, ganz so wie man sich am Obststand die besten Früchte herauspickt. Sie hat sich dann eine wirklich schöne ausgesucht. Die Frau eines weißen Farmers sah eine Schwarze im schicken Wagen vorfahren. Sie wurde beiseite geschubst, während die Eindringlinge an den Fenstern Maß nahmen für die Gardinen. „Werden Sie hier wohnen?“, wollte die enteignete Farmersfrau wissen. „Ich? In so einem Schuppen würde ich nie wohnen“, entgegnete die schwarze Frau verächtlich. „Ich werde es vermieten. Ich habe schon drei Häuser in Borrowdale“ (das ist der feinste Vorort von Harare).

Die Farmen im Umland von Harare und Bulawayo, die von Schwarzen übernommen wurden, sind an den Wochenenden von Städtern bevölkert; sie kommen mit ihren Autos angefahren, um ein Wochenende auf dem Land zu verbringen. Sie stellen ihren Grill auf, lassen ihre Musik über die Felder dröhnen, sie singen und tanzen und essen, zum Nachtlager verteilen sie sich über die leeren Zimmer und am nächsten Morgen fahren sie nach Harare zurück.

In Matabeleland erlebte ein Weißer – Farmer in der dritten Generation, dessen Tiefbrunnen nicht nur seine Arbeiter mit Wasser versorgten, sondern auch die Arbeiter der umliegenden, inzwischen von Schwarzen übernommenen Farmen – folgende Szene: Ein Auto fährt vor, ein paar betrunkene schwarze Männer steigen aus. „Wir übernehmen deine Farm“, sagen sie. „Ich werde Sie vor Gericht bringen“, droht der Farmer. „Aber wir sind jetzt das Gesetz“, ist die Antwort. Der Farmer bittet sie, ihr vor dem Tor geparktes Auto wegzufahren: „Hier müssen meine Rinder durch, wenn sie zum Stausee ziehen“, erklärte er. – „Wir wissen, warum du uns nicht hier haben willst. Es passt dir nicht, Schwarze anschauen zu müssen.“ – „Aber ich sehe jeden Tag Schwarze, von morgens bis abends.“ Sie fuhren davon, kamen betrunken zurück und übernahmen einen Flügel des Farmhauses, wo sie Tag und Nacht laute Zechgelage veranstalteten. Nach einigen Monaten gab der Farmer auf. Er hatte die Wasserversorgung instandgehalten, aber nachdem er vergebens versucht hatte, den Eindringlingen die Wartung der Anlage zu erklären, ging er davon. „Warum nimmst du die Leitern mit?“, fragten sie ihn. „Es sind meine Leitern“, sagte er. „Nein, das sind sie nicht. Es sind unsere Leitern. Du willst uns sabotieren.“

Ein anderer Farmer sah, wie schwarze Gangs seine weißen Nachbarn daran hinderten, ihre Felder zu bestellen, und beschloss, sich in sein Schicksal zu fügen und aufzugeben. Da forderte ihn einer der Anführer auf, seine Felder weiter zu bestellen (mit Tabak, dem wichtigsten Devisenbringer). „Wieso sollte ich das tun, du wirst mir doch nur alles wegnehmen“, meinte der Farmer. „Nein. Pflanz den Tabak, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“ Er pflanzte den Tabak, es war eine gute Ernte, und als sie eingebracht, zu Ballen gepackt und abholbereit war, sagte ihm der Anführer der Truppe, er solle verschwinden: „Ich übernehme deine Farm und deinen Tabak.“

Von den weißen Farmern sind einige in Mosambik gelandet. Sie mussten noch einmal von vorn anfangen, ohne Kapital, Geräte, Maschinen. Da sie sehr fähige und hart arbeitende Farmer sind, werden sie durchkommen. Viele sind in Sambia, auf Einladung der schwarzen Regierung. Hier produzieren weiße Farmer fast alle Grundnahrungsmittel. Andere sind nach Neuseeland, Australien und Kanada gegangen – während in Simbabwe die Menschen hungern.

Auf einer von Weißen aufgegebenen Viehfarm trieben die schwarzen Besetzer eine Rinderherde in einen Stausee, die Tiere ertranken. Die Afrikaner in Simbabwe haben ihre Rinder – ihre „Mombies“, wie sie sie nennen – immer mit Ehrfurcht und Zuneigung behandelt. Rinder sind für sie zugleich Zahlungsmittel und Zeichen für Wohlstand, Bindeglied zur Vergangenheit und Versprechen auf die Zukunft. Dass ein Afrikaner diesen Tieren etwas zu Leide tut, ist nur schwer vorstellbar.

Eine andere Geschichte stimmt hoffnungsvoller. Auf einer Schweinefarm gingen die Tiere ein, weil sie weder Futter noch Wasser bekamen, seit die weißen Farmer verjagt worden waren. Betrunkene Schwarze hatten sich aus den Schweinen Fleischstücke herausgehackt und die Tiere verenden lassen. Eine weiße Tierärztin stand weinend dabei, man hatte ihr verboten, den Schweinen zu helfen. Da trat einer der neuen schwarzen Siedler zu ihr, ohne dass die anderen es merkten, und sagte: „Wir sind Leute aus der Stadt, jetzt haben wir diese Tiere und wissen nicht, wie man sie hält. Helfen Sie uns bitte.“ Er hatte ein paar von den sterbenden Schweinen beiseite geschafft und in einen Schuppen untergebracht. Die Tierärztin ging mit und zeigte ihm und seiner Frau, wie man die Tiere versorgt.

Und noch eine Nachricht: Mugabe hat im Februar dieses Jahres mit dem chinesischen Staatsbetrieb China International Water and Electric Corporation einen Vertrag über 100 000 Hektar in Südsimbabwe abgeschlossen. Jetzt, da die gewaltsam angeeigneten Farmen nichts mehr produzieren, soll das Unternehmen chinesische Bauern nach Simbabwe holen, damit sie die Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherstellen. Das liegt laut Mugabe daran, dass es auf den Farmen keine Maschinen gibt. Nun haben jedoch alle vertriebenen weißen Farmer ihre Maschinen zurücklassen müssen. Und wenn fehlende Maschinen das Problem sein sollen, könnte man sie doch importieren.

Aber wer weiß, was aus der Geschichte mit dem chinesischen Unternehmen noch wird? Zu Mugabe jedenfalls passt es, derart grotesk, brutal und übereilt zu improvisieren. Und die Chinesen, die sich seiner gnadenlosen Willkür wohl kaum werden erwehren können, müssen einem Leid tun. Die armen Schwarzen werden dann ein weiteres Mal zusehen müssen, wie ihnen jemand ihr Land wegnimmt.

deutsch von Niels Kadritzke

Le Monde diplomatique vom 15.08.2003, von DORIS LESSING