13.03.2009

Bedrohte Freiheiten

zurück

Bedrohte Freiheiten

Um die Aufstände gegen Präsident Ravalomanana zu rechtfertigen, sprach dessen Kontrahent Andry Rajoelina von „diktatorischen Verhältnissen“. Das ist übertrieben. Die Presse- und Meinungsfreiheit sind in Madagaskar nach wie vor nur wenig eingeschränkt. Dennoch gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Angriffe auf Grundrechte. Journalisten erklären bereits, dass sie Selbstzensur üben, seit einige von ihnen mehrfach „per Vorladung“ in die Ministerien zitiert wurden. In Radio und Fernsehen ist für andere als regierungstreue Standpunkte kein Platz. Nur zwei Sender strahlen ihre Programme landesweit aus: das staatliche Radio Télévision Malagasy und der dem Präsidenten gehörende Sender MBS (Madagascar Broadcasting System).

In den vergangenen sieben Jahren ist es Marc Ravalomanana gelungen, die politischen Debatten vollkommen einschlafen zu lassen. 2006 wurde er wiedergewählt, nachdem die Opposition wegen chaotischer Wählerlisten die Wahlen boykottiert hatte. 2007 setzte er eine seinen Vorstellungen entsprechende Verfassung durch. Unter dem Vorwand der Dezentralisierung ernennt er seither die Regierungschefs der autonomen Regionen eigenmächtig und versetzt sie auch nach Gutdünken. Seit Januar 2009 sind nur noch Parteien zu Wahlen zugelassen, die auf dem gesamten Staatsgebiet präsent sind. Derzeit erfüllen nur die Präsidentenpartei Tiako-i-Madagasikara (TIM, „Ich liebe Madagaskar“) und die marode Arena-Partei des Expräsidenten Didier Ratsiraka diese Bedingung.

„Es gibt praktisch keine Streiks mehr im Land, denn wer streikt, der wird einfach entlassen“, klagt Prosper Razanajatovo, Generalsekretär der 15 000 Mitglieder starken Gewerkschaft Syndicalisme et vie des societés (SVS). „Die Rechte der Arbeitnehmer und vor allem der Beamten werden immer weiter beschnitten.“ Die Freihandelszonen auf der Insel sind aus Sicht des Gewerkschafters Enklaven ohne gewerkschaftliche Rechte. „Auch in seinen eigenen Betrieben duldet der Präsident keine Arbeitnehmerorganisationen.“

Le Monde diplomatique vom 13.03.2009