08.10.2004

Diagramme der Macht

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Diagramme der Macht

WER mehr Waren exportiert als importiert und dabei auch noch seine Währung über einen behördlich festgelegten Wechselkurs verbilligt, um seine Ausfuhren auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu machen, nimmt eine Menge Geld ein – mit dem sich wiederum Investitionen finanzieren lassen, die noch mehr Exporte ermöglichen. Wie schnell China durch seine positive Handelsbilanz mit den anderen Wirtschaftsblöcken und auch den asiatischen Nachbarn seine Devisenkasse füllen kann, geht aus dem Schaubild oben hervor.

Für Dritte-Welt-Länder ist typisch, dass sie meist Rohstoffe exportieren. China hingegen verbraucht den größten Teil seiner Agrar- und Bergbauprodukte im eigenen Land, und bei den Ausfuhren dominieren die viel profitabler verkäuflichen Industriegüter. Wie die Karte unten zeigt, hat der Fernhandel mit hoch veredelten Fertigwaren in Asien eine lange Geschichte – während zur gleichen Zeit im Transatlantikgeschäft vergleichsweise anspruchslose Produkte mit geringer Wertschöpfung dominieren.

Grafik 1 im Diagramm rechts zeigt, wie sich – auch schon vor der Bevölkerungsexplosion nach dem Zweiten Weltkrieg – die europäischen Kolonialmächte immer mehr Menschen unterwarfen. Und immer mehr Ökonomien; die britische Kolonie Indien wurde durch die zwangsweise Öffnung des Landes für britische Produkte und damit durch eine extrem negative Handelsbilanz in Armut und Verschuldung getrieben (Grafik 3, rechte Spalte). Bis heute ist die Region, die historisch auch die jetzigen bevölkerungsreichen Staaten Pakistan und Bangladesch umfasst, wenig reformfreudig – zum Nachteil der Menschen. Das Schaubild links beleuchtet das historische Ausmaß des Niedergangs: Chinas und ganz Asiens einstige Bedeutung in der Weltwirtschaft und ihren Verlust erst zugunsten Europas, dann vor allem Nordamerikas. Aber innerhalb weniger Jahrzehnte hat Asien zumindest im Handel Nordamerika wieder überflügelt (Grafik 5, rechte Spalte).

Die weltwirtschaftliche Hauptmacht USA erwirbt ihren Wohlstand allerdings nicht im Außenhandel mit Waren, sondern aufgrund ihres gewaltigen Binnenmarktes und auf dem internationalen Kapitalmarkt. Über ihn werden auch die Auslandsinvestitionen der alten und neuen Industrieländer abgewickelt, die ihrerseits wieder das Wachstum in Asien stimulieren. Die Bedeutung der Auslandsinvestitionen für China ist durchaus vorhanden, wird aber oft überschätzt. Darin den USA durchaus ähnlich, wird ein großer Teil des chinesischen Wirtschaftswachstums durch die Binnennachfrage erzeugt.

Schon in wenigen Jahren wird das Reich der Mitte die Wirtschaftsleistung ganz Europas erreicht haben (Grafik 2, rechte Spalte), wenn auch mit viel mehr Menschen und deswegen mit niedrigerem Pro-Kopf-Einkommen (Grafik 4, rechte Spalte). China wird sich allerdings schwer tun, den Weltdurchschnitt zu erreichen. Kein Wunder: In die Berechnung dieses Weltdurchschnitts fließt auch das chinesische Einkommen ein.

DIETMAR BARTZ

Grafikhinweise:Kartografie: Philippe Rekacewicz

Quellen: Paul Kennedy, „The Rise and Fall of the Great Powers: Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000“, HarperCollins, 1989; Paul Bairoch, „Victoires et déboires, histoire économique et sociale du monde du XVIe siècle à nos jours“, volume II, Paris (Gallimard) 1997; Angus Maddison, „L‘Economie mondiale: une perspective millénaire“ (2001) et „Statistiques historiques“ (2003), Etudes du centre de Développement, OCDE, Paris; Daten von Weltbank (www.worldbank.org), Welthandelsorganisation (www.wto.org) und Klimakonferenz der UNO (www.unfccc.int) sowie „Atlas of the World History“, Rand Mac Nally, 1992.

Le Monde diplomatique vom 08.10.2004, von DIETMAR BARTZ