12.11.2004

Die Wurzeln der militärischen Marktwirtschaft

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Die Wurzeln der militärischen Marktwirtschaft

MILITÄRUNTERNEHMER, die das Kriegsgeschäft kommerziell betreiben, gibt es in Europa schon seit dem frühen Mittelalter. Die Nachfrage der Landesherrn nach ihren Dienstleistungen nahm über Jahrhunderte zu, denn das feudalherrschaftliche Militär war ausgesprochen ineffizient.

Von PETER WARREN SINGER *

„Um Handelsbeziehungen zu betreiben und aufrechtzuerhalten, bedarf es des Schutzes und der Gunst eigener Waffen. […] Handel ist nicht möglich ohne Krieg und Krieg nicht ohne Handel.“ Jan Coen (1587–1629), Mitbegründer der Vereinigten Ostindischen Kompanie und Generalgouverneur von Niederländisch-Indien (Indonesien)

Das Anheuern ausländischer Militärkräfte, um die eigenen Schlachten zu bestreiten, ist so alt wie der Krieg selbst. Fast jedes Imperium – vom ägyptischen Pharaonenreich bis zum britischen Empire der Viktorianischen Epoche – hat in der einen oder anderen Form ausländische Truppen angemietet. In der Unterhaltungsliteratur und im volkstümlichen Liedgut fast aller Zeitalter sind Geschichten über solche angeheuerten Truppen zuhauf anzutreffen.

In manchen Epochen handelte es sich vornehmlich um ausländische Schergen, die für die Seite kämpften, die ihnen am meisten zahlte. Diese Leute wurden gemeinhin Söldner genannt. In anderen Perioden traten sie auch als hoch organisierte militärische Einheiten auf. Für beide Söldnertypen war kennzeichnend, dass sie auf privaten Gewinn aus waren, den sie aus dem unmittelbaren Akt des Kämpfens bezogen.

Ohne einen Blick auf die Geschichte dieser privaten Kriegsakteure lässt sich nicht verstehen, wie sich das aktuelle Gewerbe der militärischen Privatunternehmen herausbilden konnte. Besonders interessant ist dabei, dass solche militärischen Söldnereinheiten in der Vergangenheit manche „zivilen“ Entwicklungen in Handel und Gewerbe widerspiegelten oder ihnen sogar erst zum Durchbruch verhalfen. Das zeigt sich im Kleinen, etwa in der Schriftlichkeit der Soldverträge, wie im Großen, bei den kommerziellen Fernhandelskompanien und deren militärischen Entsprechungen, die in Gestalt militärischer Einheiten nach den gleichen Kriterien wie die Projekte der nationalen Kaufmannschaft organisiert waren.

In der Militärgeschichte, unter dem Aspekt der Privatisierung neu studiert, sticht die erstaunliche Konstanz ins Auge, mit der solche privatmilitärischen Akteure über viele Epochen hinweg nachgefragt und eingesetzt wurden. In unserer Vorstellung von Krieg gehen wir im Allgemeinen davon aus, dass er von staatlichen Militärformationen geführt wird, die für eine gemeinsame Sache kämpfen. Doch dies ist ein idealisiertes Bild. In der Geschichte wurden Kriege häufig und immer wieder von Privateinheiten geführt, die auf Profit aus waren und die keineswegs einer einzigen Regierung zur Loyalität verpflichtet waren.

In der Weltgeschichte ist das staatliche Monopol der kriegerischen Gewaltanwendung tatsächlich eher die Ausnahme als die Regel, wie uns Jeffrey Herbst, Politikprofessor in Princeton, belehrt: „Vor dem 20. Jahrhundert waren private Gewaltleistungen im Rahmen der internationalen Beziehungen eine völlig übliche Sache.“ Das Ausüben von Gewalt durch nichtstaatliche Akteure – und ein ausgeprägter Markt für kriegerische Dienstleistungen – gehörte in der Vergangenheit zu den dominierenden Merkmalen des internationalen Systems.

Der Staat ist in dieser erweiterten historischen Perspektive eine ziemlich neue Größe und hat sich erst in den letzten 400 Jahren als Träger von Regierungsgewalt herausgebildet. Und dieser Staat musste beim Aufbau seiner öffentlichen Macht auf das Angebot auf dem privaten Gewaltmarkt zurückgreifen. In Zeiten eines Systemwandels waren private Militärorganisationen sogar besonders gefragt: Die Regierungen waren geschwächt, und auf dem Markt boten sich mächtige militärische Potenziale an, die den lokal mobilisierbaren Kräften häufig überlegen waren. Auf diesem Markt waren transnationale Unternehmen oft die am effizientesten organisierten Akteure. Kurz: Die Geschichte privater militärischer Dienstleistungen erinnert in vielem an die jüngste Epoche seit dem Ende des Kalten Krieges.

In der ersten Phase gingen sie allerdings ohne Zahlungsmittel vonstatten. Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches versank Europa in einem „dunklen Zeitalter“, in dem alle Spuren einer auf Geld basierenden Wirtschaft ausgelöscht wurden. In einer Welt, die kaum zentrale politische Strukturen und Herrschaftspotenziale kannte, entstanden die Armeen als Funktion des Feudalismus, also in einem System vielschichtiger Verpflichtungen, die auch die militärischen Dienstleistungen einschlossen.

Doch schon in dieser Grundstruktur des Feudalsystems waren angeheuerte Soldaten ein integraler Bestandteil jeder mittelalterlichen Armee. In der Regel waren sie für die eher technischen Dienstleistungen zuständig, die von den nur kurzzeitig verfügbaren örtlichen Kräften nicht ausgeübt werden konnten. Die ersten privaten Militärorganisationen, die in dieser Periode in Erscheinung traten, waren Gruppen gut ausgebildeter Spezialisten, die sich vom meistbietenden Auftraggeber anheuern ließen. Häufig waren sie auf eine bestimmte Waffengattung spezialisiert, etwa auf die Armbrust, die bei den feudalen Rittern als minderwertig galt, die jedoch eine Geschicklichkeit und Übung erforderte, die man von bäuerlichen Untertanen nicht erwarten konnte. Mit der Einführung der ersten Feuerwaffen und Kanonen entstanden professionelle, international organisierte Gilden, die sogar ihre eigenen Heiligen im Schild führten und eifersüchtig auf die Hütung ihrer Berufsgeheimnisse bedacht waren.

Das feudale Militärsystem hatte einen neuralgischen Punkt: Es war ineffizient. Die Territorialherren verfügten lediglich über zahlenmäßig begrenzte und nicht spezialisierte Kräfte, die sie jedes Jahr für nur eine kurze Zeitspanne zu den Waffen rufen konnten. Wichtiger noch: Damit waren sie militärisch auf die Truppen ihrer eigenen Vasallen angewiesen, die aber häufig genau die Widersacher waren, die sie niederhalten mussten. Im Feudalismus hatten die immanenten gesellschaftlichen Beschränkungen des Militärdienstes demnach die Wirkung, den Herrschern ständig aufs Neue die Vorteile von verlässlichen Söldnertruppen vor Augen zu führen.

Im Laufe des 13. Jahrhunderts belebten sich Gewerbe und Handel in den Städten wieder. Damit erhöhte sich auch der Geldumlauf. Eine besondere Rolle spielte dabei die Ausbreitung des Bankwesens. Mehrere italienische Städte übertrugen ihre Regierungsgeschäfte privaten Investoren. Im Rahmen dieser gesellschaftlichen Veränderungen erlebte das System der condotta, des Soldes, seine erste Blüte. Dieses Vertragssystem, das private Kampfverbände mit militärischen Dienstleistungen betraute, entstand zunächst auf Betreiben von unternehmerischen Gilden. Aus deren Sicht war es nur vernünftig und ökonomisch sinnvoll, eine Mobilisierung der gesamten Gesellschaft zu vermeiden und die tüchtigsten Bürger, also sich selbst, von den unprofitablen Belastungen des Kriegsdienstes freizuhalten. Auch der Adel unterstützte aus Furcht vor der Macht eines bewaffneten Volkes den Rückgriff auf ein Söldnerheer.

Wie bei fast allen wichtigen Entwicklungen im Mittelalter spielten die italienischen Städte auch bei der Wiedereinführung besoldeter Streitkräfte eine Vorreiterrolle. Schon im Zeitalter der Kreuzzüge (1095–1270) hatte Venedig begonnen, bezahlte Ruderersoldaten für seine Kriegsflotte anzuheuern. Danach war die Aufstellung von Söldnertruppen zu Lande nur eine Frage der Zeit. Und diese Entwicklung blieb nicht auf Italien beschränkt. Für die Kriegführung in dieser Epoche war die nackte Zahl der Soldaten weniger entscheidend als deren Qualität und professionelle Fähigkeiten. In ganz Europa begannen die Herrscher, von ihren Untertanen ein scutagium, ein Schildgeld, zu erheben, das die verbindlichen alljährlichen feudalen Gefolgschaftsleistungen ersetzte. Mit diesen Geldsummen wurden dann Söldner angeheuert.

Der verstärkte Einsatz von Privatsoldaten fiel in eine Zeit zunehmender politischer Instabilität. Dabei wurde nicht nur die politische Ordnung radikal umgewälzt, sondern in vielen Fällen auch die ständig bereite, „stehende“ Armee weitgehend abgebaut. Letzteres gilt vor allem für die Epoche des Hundertjährigen Kriegs (1337–1453) zwischen England und Frankreich, als im Zuge der immer wieder abflauenden und aufflammenden Feindseligkeiten von einer klar definierten Ordnung kaum noch die Rede sein konnte.

Ohne zentrale Herrschaftsinstanz ergab sich damit für die Privatsoldaten eine geradezu optimale Konstellation. Viele von ihnen hatten sich ursprünglich selbst verdingt, waren also freelancer – von diesem Wort stammt der moderne Ausdruck für „freie Mitarbeiter“. Doch die Söldner unterlagen dem Risiko, dass ihren Auftraggebern irgendwann das Geld ausging oder dass sie nach Beendigung einer bestimmten Kriegsphase nicht mehr gebraucht wurden. In beiden Fällen standen diese Privatsoldaten ohne Beschäftigung da.

Da sie weder ein Zuhause noch einen anderen Beruf hatten, bildeten viele von ihnen so genannte Kompanien, die ihren Namen von cum pane erhielten, dem Brot für ihre Mitglieder. Diese Organisationen hatten die Funktion, einer ganzen Gruppe von Soldaten zu Beschäftigung zu verhelfen oder zumindest gegenseitigen Schutz und ein gemeinschaftliches Auskommen zu gewährleisten. Die Mitglieder einer Kompanie zogen gemeinsam auf der Suche nach neuen Aufträgen und Kriegsunternehmungen durch die Lande, wobei sie sich in der Regel auf Kosten der Stadt- und Dorfbevölkerung proviantierten.

Die Bildung des Namens „freie Kompanie“ bedeutete eine bewusste Herausforderung. Im Feudalismus waren alle Mitglieder der Gesellschaft an einen festen Platz in einer streng hierarchischen Ordnung gebannt. Jetzt aber bildete sich eine militärische Klasse, die zu groß war, als dass sie von der bäuerlichen Basis oder von den gerade laufenden lokalen Kriegen hätte leben können. Die verarmten Soldaten lösten also, wenn ihre eigenen Territorialherren nicht gerade Krieg führten, ihre feudalen Bindungen und taten sich nach neuen Aufträgen um. Dabei waren sie jederzeit bereit, sich und ihre Waffen an den Anbieter mit der höchsten Offerte zu verdingen.

Damit verstärkten die freien Kompanien wiederum die Defizite des Feudalsystems und trugen vollends zum Zusammenbruch der alten Ordnung bei. Denn die Tatsache, dass die dominanten militärischen Akteure in dieser Epoche private Kompanien freiberuflicher Soldaten waren, brachte die zentralen Säulen des Systems ins Wanken: das feudale Ideal des Geburtsadels, den Grundbesitz als Basis von Autorität, die Unangreifbarkeit der Kirche und auch die Ideale von Loyalität und persönlicher Ehre, die bis dahin als einzige Motive des Kampfes gegolten hatten.

Nach und nach entwickelten sich die freien Kompanien von zeitlich begrenzten Söldnergruppen, die vor allem ihren eigenen Mitgliedern Schutz boten und die örtliche Bevölkerung ausbeuteten, zu permanenten militärischen und wirtschaftlichen Organisationen, die dauerhaft im Sold von einer oder mehreren Territorialherrschaften standen. Die Verträge, die sie mit ihren Auftraggebern unterzeichneten, wurden mit der Zeit zu höchst detaillierten Dokumenten, die u. a. die genaue Dauer und die Bedingungen der Dienstleistungen, die Anzahl der Soldaten und die Höhe des Soldes festlegten. Diese condotta waren häufig so kompliziert, dass sie von Spezialisten aufgesetzt wurden, die unseren heutigen Rechtsanwälten entsprechen.

Die Militärunternehmen entwickelten auch Marketingstrategien, indem sie gezielt Geschichten über ihre eigene Härte und Grausamkeit in Umlauf brachten. Dahinter stand das Kalkül, einen „Markennamen“ zu etablieren, der potenzielle Auftraggeber beeindrucken und zudem die beruflichen Konkurrenten und Gegner abschrecken sollte. Der Anführer einer dieser Kompanien trug auf seinem Brustharnisch die Inschrift: „Herr der großen Kompanie, Feind Gottes, des Mitleids und der Gnade“. Ein anderer brüstete sich damit, wie er den Streit zwischen zweien seiner Männer um eine junge Nonne geschlichtet habe. Sein salomonisches Urteil lautete, jedem eine Hälfte zuzusprechen – und die Nonne mit dem Schwert zu teilen.

Die Mitglieder der Kompanien waren im allgemeinen loyal, wenn auch nur gegenüber ihrer Einheit und nicht gegenüber ihrem Heimatland oder ihrem Auftraggeber. Entgegen verbreiteten Vorstellungen waren die angeheuerten Kompanien keineswegs unbedingt auf das Töten versessen. Vielmehr hielten sie sich beim Zusammentreffen mit anderen militärischen Einheiten meist an die üblichen Regeln des Krieges. Da sie es vor allem auf Geld abgesehen hatten, waren sie hauptsächlich daran interessiert, Gefangene zu machen, aus denen sich stattliche Lösegelder herausschlagen ließen.

Deshalb verliefen die Kämpfe häufig eher lahm und zäh. Auf ihrer höchsten Stufe wurden dies Schlachten zwischen freien Kompanien zu einer Art Kunstform: subtile Aktionen mit blitzartigen Vorstößen und Ausweichmanövern, die auf Finten und Überraschungseffekte setzten, wobei die Hauptstreitmacht meist bis zum entscheidenden Moment in Reserve gehalten wurde. Die Anführer der Kompanien agierten umsichtig wie regelrechte Profis, denn oft hatten sie ein beträchtliches persönliches Vermögen in ihre Arbeitstruppe investiert.

Obwohl die freien Kompanien vor allem wirtschaftliche Motive hatten, wird der erzürnte Vorwurf Machiavellis, dass Söldnertruppen nur „unblutige Schlachten“ schlagen, durch die Fakten nicht bestätigt. Die meisten der durchaus blutigen Kämpfe während des Hundertjährigen Krieges wurden durch die Kompanien entschieden. Immer wenn es zu einer Kampfpause kam und sie keine Aufträge mehr hatten, zogen sie auf eigene Faust durch Frankreich und plünderten und brandschatzten die Städte.

In Frankreich unternahm der König ein einziges Mal den Versuch, die freien Kompanien zu vernichten. Aber das bewirkte nur, dass sich die verschiedenen Truppen zu einer Armee formierten, die 1362 die königliche Feudalarmee in der Schlacht bei Brignais besiegte. Diese Niederlage war für die Regierung ein furchtbarer Schock, und im ganzen Land fragte man sich in panischer Angst, was das Söldnerheer als Nächstes vorhaben könnte.

Aber die Kompanien waren über ihre Erfolge selbst überrascht. Und da sie kein wirkliches politisches Programm hatten, fiel ihr Zweckbündnis binnen kürzester Zeit auseinander. Jede freie Kompanie suchte sich auf neue ihre individuellen Aufträge; damit löste sich die vereinigte Söldnerarmee rasch wieder auf. Am Ende beschlossen die französischen Könige neue Feldzüge gegen Spanien und Ungarn, um die privaten Einheiten zu beschäftigen und zugleich aus dem Land zu schaffen.

Ende des 14. Jahrhunderts waren viele freie Kompanien bereits über die Alpen nach Italien marschiert, um dort eine dauerhaftere Beschäftigung zu suchen. Dass sich Italien damals rasch zum wichtigsten Markt für die Kompanien entwickelte, lang vor allem an den zahlreichen Krieg führenden Kleinstaaten und dem außerordentlichen Reichtum, der sich in der frühen Renaissance angesammelt hatte. Trotz ihrer begrenzten Größe waren die vielen italienischen Staaten die eigentlichen Großmächte ihrer Zeit. Wichtiger noch: Ihr gewaltiger Reichtum bestand nicht aus Grundbesitz, sondern aus marktfähigem Kapital. Das lag vor allem daran, dass ihre gesellschaftlichen Strukturen von den Städten dominiert wurden mit der Folge, dass die städtische Bevölkerung als die eigentlich produktive Klasse galt, die man nicht auf dem Schlachtfeld hinopfern wollte.

Die Kompanien beherrschten bald die Schlachtfelder in ganz Italien. Sie boten ihre militärischen Dienstleistungen jedem an, der sie bezahlen konnte – und wer das nicht konnte, dem machten sie das Leben zur Hölle. Die berühmteste Söldnertruppe war die Große Kompanie, die fast 10 000 Mann umfasste. Sie betrieb zwischen 1338 und 1354 ein regelrechtes Imperium der Schutzgelderpressung, das sich über ganz Italien erstreckte. Weitere bekannte Kompanien waren die vorwiegend englische Weiße Kompanie und die Große Katalanische Kompanie, die später nach Griechenland weiterzog und über sechzig Jahre lang die Herrschaft über Athen und Teile Griechenlands ausübte.

„Freelancer“ verliehen sich und ihre Lanze

GEGEN Ende des 14. Jahrhunderts brachten die militärischen Erfolge der ausländischen Kompanien die italienische Aristokratie auf die Idee, deren Operationsweise zu imitieren. Nach und nach verloren die ausländischen Söldner ihre beherrschende Marktposition an örtliche Unternehmen, die in heimischer Umgebung ohnehin im Vorteil waren. Dieser neue Söldnertyp wurde in Italien nach dem Begriff für ihre Verträge als condottiere bezeichnet. Condottiere-Unternehmen gab es in allen Größen, von kleinen gedungenen Banden bis zu den großen Privatarmeen bedeutender Familien wie der Gonzagas oder der Colonnas. Einige Condottieri-Führer wie die Visconti und die Sforza gewannen in den Städten, von denen sie beschäftigt wurden, allmählich so großen politischen Einfluss, dass sie am Ende ihren Auftraggebern die Macht entreißen konnten.

In Frankreich, wo viele der freien Kompanien ihren Ursprung hatten, mischten einige von ihnen noch weiterhin in den Grenzkriegen mit, die sich noch die ganze Epoche über hinzogen. Ihre Vormachtstellung wurde erst gebrochen, als König Karl VII. sich die Verzweiflung zunutze machte, die sie unter den französischen Kaufleuten auslösten. 1445 brachte der König die stetig anwachsende bürgerliche Klasse dazu, einer Sonderabgabe zuzustimmen. Aus diesem Fonds finanzierte er einige Kompanien, während die übrigen in Frankreich operierenden Truppen zerschlagen wurden. Anschließend gewährte er seinen eigenen Kompanien einen dauerhaften Sold in fester Höhe, statt sie nur für die Dauer eines Feldzugs zu entlohnen. Damit war in Europa die erste stehende Armee seit dem Ende des „dunklen Zeitalters“ geboren.

Die französische Armee ist mithin aus den deutschen, schottischen und italienischen Söldnern der freien Kompanien hervorgegangen. Der Hauptrivale des französischen Königs, Karl der Kühne, Herzog von Burgund, hatte vor dieser stehenden Armee so großen Respekt, dass er das Modell alsbald nachahmte. Damit war eine Entwicklung in Gang gesetzt, die sich in ganz Europa durchsetzte und heute so selbstverständlich ist, dass die privatwirtschaftlichen Wurzeln des Kriegsgeschäfts nicht mehr zu erkennen sind.

deutsch von Niels Kadritzke

* Politologe, war Mitarbeiter des US-Außenministeriums in Bosnien; zuletzt: „Corporate Warriors. The Rise of the Privatized Military Industry“, New York (Cornell University Press) 2003.

Le Monde diplomatique vom 12.11.2004, von PETER WARREN SINGER