Künstler dieser Ausgabe: E. M. Celaya
SCHNEEBETT“ heißt eine Installation, die derzeit in der Berliner Philharmonie zu sehen ist. Der aus Kuba stammende, in den USA aufgewachsene Enrique Martinez Celaya erfindet darin das Sterbezimmer Ludwig van Beethovens (siehe Seite 5) und verbindet es mit dem gleichnamigen Gedicht von Paul Celan zu einer Art Andachtsraum. Ein Kompressor brummt – der fast taube Beethoven hatte am Ende seines Lebens immer einen Ton im Ohr – und erzeugt die für das Schneebett notwendige Kälte, die den Raum des Todes erfüllt. Dahinter der in Öl gemalte, an Anselm Kiefer erinnernde Birkenwald, dessen Stämme wipfellos in den Himmel ragen. Celaya, der Physik, dann Kunst studierte und selbst Gedichte schreibt, hat den Raum mit Symbolen befrachtet und haarscharf am Gefühligen vorbeiinszeniert. Der mit Teer und Federn grundierte Birkenwald wirkt, obwohl er auf Erfahrungen der Gewalt und Erniedrigung anspielt, sehr licht.
Meist verwendet Celaya in seinen Arbeiten elementare Objekte: Bäume, Vögel, Köpfe, Arme, Spiegel, Wasser. Es sind Fragmente unseres allgemeinen „Zeichenwaldes“ und zugleich Grundbausteine menschlicher Erfahrung. „Ich bin auf der Suche nach dem Zustand, der die Mauer zwischen Intellekt und Gefühl einstürzen lässt.“ Celayas persönliche Bildersprache speist sich aus der katholischen kubanischen Kindheit, die durch das Exil von seinem jetzigen Lebenszusammenhang abgeschottet ist. Deshalb hat Celaya bewusst alles, was allzu eingängig ist, was sich zu einfach selbst vermittelt – das Erzählerische oder, wie er sagt: die Elemente der Selbstliebe – aus seinen Bildern verbannt. Durch das scheinbar unverbundene Nebeneinander entsteht etwas Neues, das nicht sichtbar geworden wäre, wenn die Elemente in ihrem „normalen“ Kontext verblieben wären. Das eigene Schreiben, sagt er, sorge dafür, dass das Erzählerische keinen Eingang in seine Kunst finden muss.
Es ist unverständlich, warum der Cross-over-Künstler Celaya mit seiner Kombination aus Lyrik, Physik, Malerei und Skulptur und mit seinen minimalistischen Bildern hierzulande bis heute kaum bekannt ist. Er wirkt fast anachronistisch – hoch reflektiert und dabei äußerst sinnlich. In der Reduktion seiner bildnerischen Elemente sucht Celaya den Kunstobjekten etwas von der ursprünglichen Magie der Kunst zurückzuerfinden. Seine äußerst private, fast archaisch anmutende Bildersprache reflektiert das Kräftefeld der Gegenwart. Die Farben wirken bleich, matt – als liefen die Bilder Gefahr, sich aufzulösen. So macht er einen Grundzustand der (postmodernen) Gegenwart sinnlich spürbar: die Zerrissenheit zwischen (rückwärtsgewandter) Melancholie und (zukunftsgewandter) Sehnsucht, die das Hier und Jetzt aufzulösen drohen. Den Tieren macht das nichts aus. M.L.K.