Bongos Erben
Wie geht es weiter nach Omar Bongos Tod? Gemäß Verfassung übernimmt im Falle einer Vakanz an der Staatsspitze der Parlamentspräsident übergangsweise das Amt des Staatschefs und muss innerhalb von 45 Tagen Wahlen ausrufen. Nachdem am 8. Juni der Tod des Langzeitherrschers offiziell bestätigt worden war, wurde somit am 10. Juni Senatspräsidentin Rose Francine Rogombé die Übergangspräsidentin von Gabun. Aber an Neuwahlen innerhalb von 45 Tagen glaubte schon damals kein Mensch. Zunächst waren 30 Tage Staatstrauer zu bewältigen, samt der pompösen Beisetzung des Autokraten, die sich über drei Tage hinzog, vom 16. bis 18. Juni. Die komplett auf Bongos Person zugeschnittene Staatspartei PDG (Parti Démocratique Gabonais) muss sich nun erst mal sortieren, und der an fast allen Schaltstellen in Politik und Wirtschaft sitzende Bongo-Clan – Söhne, Töchter, Cousinen und Schwager – die Geschäfte ordnen. Die Opposition wünscht sich eine unabhängige Wahlkommission und dass vor den Wahlen ein wahrheitsgemäßes Wahlregister erstellt wird. Und sie fordern eine Garantie gegen Manipulationen zugunsten der PDG, die seit Einführung des Mehrparteiensystems Anfang der 1990er-Jahre in schöner Regelmäßigkeit auftraten.
Am 1. Juli legte Innenminister Jean-François Ndongou einen Zeitplan vor, wonach die Wählerlisten in lediglich zehn Tagen überholt werden sollen. Die meisten Parteien lehnten das ab. Die Regierungspartei schlug eine Wahlverschiebung um zwei Monate vor, die Opposition wollte ein halbes Jahr. Ersteres würde reichen, damit sich Omar Bongos ältester Sohn Ali, als Verteidigungsminister und davor Außenminister eine Säule des Regimes, in Stellung bringen kann. Regierungstreue Jugendorganisationen haben ihn bereits gebeten, sich als Kandidat aufstellen zu lassen.
Manch anderes Kind von Bongo ist damit überhaupt nicht einverstanden. Übergangspräsidentin Rogombé hat bereits verkündet, es gebe keinen „natürlichen“ Kandidaten, „weil der Präsident von uns gegangen ist, ohne einen Namen zu hinterlassen“. Zu Omar Bongos Lebzeiten war eine offene Diskussion über seine Nachfolge unmöglich, aber nach seinem Tod ist es schon etwas spät, zumal die PDG keine Regeln zur Bestimmung eines Spitzenkandidaten hat. Bis zum 5. Juli hatten bereits acht PDG-Größen ihren Anspruch auf eine Spitzenkandidatur öffentlich verkündet, und noch weitere wurden erwartet. Einige davon dürften ihre eigene Partei gründen, falls sie es innerhalb der PDG nicht schaffen.
Oppositionelle verweisen darauf, dass historisch nicht nur die Familie Bongo Macht in Gabun hat. Mehrere Nachkommen des ersten Präsidenten Léon M’ba, der auf dem Krankenbett in Paris 1967 die Macht an Bongo überschrieb, sitzen in der Regierung. M’ba hatte kurz nach der Unabhängigkeit seinen Parlamentspräsidenten Indjendet Gondjout verhaften lassen und damit ein Präsidialregime eingerichtet; Gondjouts Familie mischt ebenfalls noch in Gabuns Politik mit. Bongos politische Langlebigkeit, so Analysten heute, war seinem Talent geschuldet, diese rivalisierenden Familien an der Spitze seines Regimes einzubinden. Aber ohne ihn gibt es niemanden, der diese Cliquen zusammenhalten kann.
Das alles sind nicht nur Palastintrigen, denn im kleinen Gabun mit kaum mehr als einer Million Einwohnern, von denen die Hälfte unter 15 Jahre alt ist, gibt es eine kleine Schicht von Gebildeten, in der jeder jeden kennt. Gabun ist ein Dorf. Alles läuft über persönliche Beziehungen und nicht über Institutionen. Wahlkämpfe ohne Ansehen der Person sind undenkbar. Dominic Johnson