Künstler dieser Ausgabe: Zwelethu Mthethwa
Immerzu wird versucht, Identitäten geografisch zu definieren“, sagt der südafrikanische Künstler Zwelethu Mthethwa. „Aber Afrika ist für die meisten von uns heute ein ‚state of mind‘. Dafür muss man nicht in Kapstadt wohnen.“ Zwelethu Mthethwa, geboren 1960 in Durban, lebt nach einem Studium in den USA allerdings in Kapstadt. Bekannt wurde er Ende der 90er-Jahre mit farbintensiven Porträts von Bewohnern einer Township.
In „Ticket to the other side“, Mthethwas jüngster Fotoarbeit, die wir in dieser Ausgabe abbilden, hat er ein Performanceprojekt dokumentiert, das er zusammen mit dem Künstler Beezy Bailey durchführte: Bailey, ein weißer, dicklicher Mann, schminkte sich schwarz und schlüpfte in verschiedene typische schwarze Frauenrollen, mal als Hausmädchen mit Staubtuch, mal als Neureiche, mal als Pornoqueen.
Die Sehnsucht nach dem Anderen besitzt bei Mthethwa eine bezaubernde Schwerelosigkeit gegenüber der Wirklichkeit. Die übertypisierten Kulissen erhöhen die Spannung und illustrieren zugleich, wie eng der Handlungsraum für schwarze Frauen nach wie vor ist. Die Travestie, die zwiefache Grenzüberschreitung, bleibt Artefakt.
Kaum eine zeitgenössische Kunst hat sich in den letzten zehn Jahren so intensiv und radikal mit der Frage der Verwandlung am eigenen Leibe beschäftigt, wie die südafrikanische. Davon zeugen die Hybriden der weißen Künstlerin Jane Alexander und die Arbeiten von Bernie Seal, die sich in einem Video weißes Mehl über die Haut schaufelte, mit dem demonstrativen Wissen, so niemals zur anderen, „weißen“ Seite zu gelangen. Der afrikanische „state of mind“, von dem Mthethwa spricht, hat sich eine künstlerische Sprache geschaffen. Eine neue Videoarbeit von ihm wird dieses Jahr auf der Biennale in Venedig zu sehen sein.MLK
Katalog: „New Identities, Zeitgenössische Kunst aus Südafrika“, Ostfildern (Hatje/Cantz) 2004.
© Alle Abbildungen: Zwelethu Mthethwa und Marco Noire Contemporary Art, Italy