Kniefall der Tech-Bosse
von Benoît Breville
Ihr Börsenwert übertrifft das Bruttoinlandsprodukt vieler Länder. Sie kontrollieren die Verbreitung von Informationen, gründen virtuelle Währungen, fliegen ins All. Die US-Digitalgiganten schienen lange Zeit mächtiger als Staaten, ihre Herrschaftsambitionen unbegrenzt zu sein.
Doch der spektakuläre Kniefall der Tech-Bosse vor Donald Trump zeigt, dass auch sie von der Politik abhängig sind. Amazon-Chef Jeff Bezos erwirtschaftet zig Milliarden Dollar mit Aufträgen der öffentlichen Hand. Und Meta-Gründer Mark Zuckerberg, dem Facebook, Instagram und Whatsapp gehören, muss auf Unterstützung aus dem Weißen Haus hoffen, um den hohen Strafen zu entgehen, die ihm aufgrund des Missbrauchs seiner Monopolstellung in Europa und im eigenen Land drohen.
Beide fürchten den Zorn des Donald Trump, der in seiner ersten Amtszeit mit einem einzigen Tweet den Aktienkurs des Motorradherstellers Harley-Davidson um 10 Prozent einbrechen ließ. Zuckerberg, der selbst wenig von Diversität und Inklusion hält, feiert neuerdings „die männliche Energie“ und kritisiert „die Zensur konservativer Meinungsäußerungen“ in den sozialen Medien.
Vor 1000 Jahren mussten die Fürsten den Papst auf Knien bitten, ihre Exkommunikation aufzuheben. Heute küssen die Digitalbarone den Ring des Präsidenten.
Diese Feststellung mag erstaunen, wo doch in den letzten 30 Jahren ständig die Ohnmacht der Politik beklagt wurde. Gewählte Mandatsträger, die sich nur auf eng gesteckten Pfaden der wirtschaftlicher „Vernunft“ bewegen durften, hatten zuallererst den Unternehmern ihres Landes zu dienen. Also neue Märkte zu eröffnen, für billiges Personal und Steuervergünstigungen zu sorgen, die Staatsverschuldung zu bekämpfen und die Inflation zu begrenzen, um die eigene Währung stabil zu halten.
Doch seit ein paar Jahren werden diese Grundsätze fröhlich über den Haufen geworfen. Während der Coronapandemie brachen die Regierungen mit der Haushaltsstabilität, ohne den Zorn der Ratingagenturen zu entfachen oder Panik an den Börsen auszulösen. Wenn sie einen nationalen Notstand beschwören, um die Eindämmung der Migration zu fordern, verhöhnen sie ungestraft die liberalen Wirtschaftslehren, auch wenn sie damit tausenden Unternehmen billige Arbeitskräfte vorenthalten.
Tatsächlich erscheint die Antimigrationspolitik des neuen Präsidenten angesichts der alternden US-Bevölkerung als wirtschaftspolitischer Irrweg. In Landwirtschaft, Hotellerie, Gastronomie und anderen personalintensiven Branchen werden schon bald Arbeitskräfte fehlen, und in der Folge werden die Preise steigen. Doch Trump ist das egal. Er besteht auf seinem Motto: Xenophobie first.
Die Lehren, die sich daraus ziehen lassen, könnten sich durchaus als nützlich erweisen. Denn künftig können demokratisch gewählte Regierungen auf diese Präzedenzfälle verweisen, wenn sie sich entschließen, die Beschwerden aus der Wirtschaft abzuweisen und Regeln aufzukündigen, die allein eines zum Ziel haben: die freiwillige Unterwerfung der Politik.
⇥Benoît Bréville