11.07.2024

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In Frankreich sieht sich Reporters sans Frontières (RSF) mit einer Desinformationskampagne konfrontiert. Anlass ist eine Entscheidung des Conseil d’État (Staatsrat) vom 13. Februar 2024, die für die Pressefreiheit und die Medienvielfalt in Frankreich wegweisend ist. Darin hat das oberste Verwaltungsgericht des Landes die Aufsichtsbehörde für audiovisuelle und digitale Kommunikation (Arcom) angewiesen, die Prinzipien einer wahrheitsgetreuen und ausgewogenen Berichterstattung auch gegenüber dem privaten TV-Sender CNews durchzusetzen. Zuvor hatte RSF gegen die Arcom geklagt, nachdem diese sich geweigert hatte, ihre Regulierungskompetenz gegenüber CNews wahrzunehmen.

CNews gehört zum Medienkonzern Vivendi. Dessen politische Linie wird von seinem Hauptaktionär, dem Großindustriellen Vincent Bolloré, bestimmt, der seit 2021 auch die einflussreiche Sonntagszeitung Le Journal du Di­manche besitzt. Bolloré unterstützt unverblümt den Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. Im Vorfeld der Parlamentswahlen hatte er den von ihm kontrollierten Medien untersagt, den RN als rechtsradikal zu bezeichnen.

Sofort nach dem Urteil des Conseil d’État haben die Vivendi-Medien eine Kampagne gegen RSF gestartet. Das Journal du Dimanche bezeichnete die NGO auf seiner Titelseite als Feind der Pressefreiheit. Seit dem 20. Februar gibt es eine Website namens „Sectaires Sans Frontières“ (Sektierer ohne Grenzen), die zum „Kampf gegen RSF“ aufruft – mit der Behauptung, „eine Handvoll Politkommissare“ wolle CNews „zensieren“ und „die französische Medienlandschaft nach ihrer eigenen Vorstellung von Pluralismus ummodeln“.

Inzwischen haben Recherchen ergeben, dass die Kampagne gegen RSF von einer Firma namens Progressif Media gesteuert wird, die sich als „Kommunikations-Agentur“ ausgibt. Sie liefert die Inhalte, managt die Domains und hat dafür gesorgt, dass „Sectaires Sans Frontières“ bei der Google-Suche unter dem Stichwort RSF an vorderster Stelle auftaucht. Die Firma wurde dadurch bekannt, dass sie rechtsradikale Websites betreut hat, zum Beispiel für die gewaltbereite Gruppe „Génération Identitaire“, die 2021 aufgelöst wurde.

Wie RSF inzwischen herausgefunden hat, ist Vivendi nicht nur als Minderheitsaktionär an Progressif Media beteiligt. Die PR-Firma ist auch in der Zentrale des Medienkonzerns im 8. Pariser Arrondissement untergebracht. Und sie hat in einem internen Bericht an Vivendi ein detailliertes Konzept ihrer Kampagne gegen RSF vorgelegt. Dazu gehören der Kauf von fünf Domain-Adressen, „um das Google-Ranking zu dominieren“, die Verbreitung eines Fake-Manifests „gegen die RSF-Sektierer“ und eine Cyber-Attacke mittels „Typosquatting“.

Jüngst verschärften sich die Angriffe im Auftrag von Vivendi, nachdem Arcom Ende Mai CNews wegen der Verbreitung von „Hatespeech“ zu einer Strafe von 50 000 Euro verurteilt hatte. Seitdem simuliert Progressif Media auf X eine „Bürgerkampagne“ zur Unterstützung des Vivendi-Senders, den die Trolle als die einzige Bastion zur „Verteidigung der Meinungsfreiheit“ feiern.

Le Monde diplomatique vom 11.07.2024