13.06.2024

Meldungen des Monats

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Am 20. Mai 2024 entschied der Londoner High Court, dass Julian Assange in Berufung gehen darf. Damit hat der inhaftierte Wikileaks-Gründer eine letzte Chance, einer Auslieferung an die USA zu entgehen, wo ihm eine Anklage wegen „Spionage“ und eine lange Haftstrafe drohen. In dem Berufungsverfahren kann Assange auf zwei unklare Punkte verweisen: Zum einen, ob er sich in den USA auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen könnte, zum anderen, ob er als Australier den in der US-Verfassung festgeschriebenen Schutz von Grundrechten genießen würde. Einen dritten möglichen Berufungsgrund, dass ihm die Todesstrafe drohen könnte, ließ das britische Gericht nicht zu, weil es von der US-Regierung die Zusicherung erhalten hat, dass es kein Todesurteil geben wird.

Seit Beginn der Massenproteste in Geor­gien gegen das sogenannte Agenten-Gesetz, das am 14. Mai im Parlament verabschiedet wurde, haben Sicherheitskräfte min­destens 15 Jour­na­lis­t:in­nen an der Ausübung ihres Berufs gehindert, wobei einige sogar verletzt wurden. Andere werden mit Psycho­terror unter Druck gesetzt, wie eine Journalistin des In­ves­tiga­tiv­mediums Monitori, die auf „Wanted“-Plakaten als ausländische Agentin denunziert wird.

Ein ähnliches Gesetz wie in Georgien wird in der Türkei vorbereitet. In der Nationalversammlung wollen Abgeordnete der Regierungspartei AKP eine Gesetzes­novelle einbringen, die „Einflussagenten“ in den Medien ins Visier nimmt. Demnach können Recherchen, „die sich gegen die Sicherheit des Staats oder dessen innen- oder außenpolitische Interessen richten … und den strategischen Interessen oder Instruktionen von ausländischen Staaten oder Organisationen entsprechen“, mit drei bis sieben Jahren Gefängnis bestraft werden. Damit könnte jede regierungskritische Berichterstattung kriminalisiert werden.

Am 5. Mai wurde in der Mongolei die ­Chefredakteurin der Nachrichtenwebsite Tac.mn, Bayarmaa Ayurzana, vorübergehend festgenommen. Sie steht unter der Anklage, Nachrichten zu verbreiten, die dem mongolischen Vizeministerpräsidenten Amarsaikhan Sainbuyan „ernsthaften Schaden“ zufügen könnten. Ayurzana berichtet seit Jahren über die Geschäfte des Politikers, der als der korruptester des Landes gilt. Ihre journalistischen Aufzeichnungen waren bereits im ­Januar bei einer polizeilichen Durchsuchung beschlagnahmt worden. Ihr Mitarbeiter und Rechtsberater, der Anwalt G. Batbayar, wurde am 25. April erschossen aufgefunden.

In Israel nehmen Drohungen gegen die Tageszeitung Haaretz zunehmend gewalttätige Formen an. Das international hoch geachtete Blatt wird wegen seiner kritischen Berichterstattung über den Gazakrieg von der Regierung Netanjahu als „Hamas-Zeitung“ denunziert. Nachdem sich die Drohanrufe und -schreiben seit dem 7. Oktober gehäuft hatten, zertrümmerten Unbekannte am 5. Juni die Eingangstür des Redaktionsgebäudes. Am selben Tag wurde der palästinensische Haaretz-Mitarbeiter Saif Kwasmi, der über die Demonstrationen zum israelischen „Flaggentag“ in Ostjerusalem berichtete, von jugendlichen Nationalisten verprügelt.

Le Monde diplomatique vom 13.06.2024