11.04.2024

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Die juristische Causa Julian Assange geht in die allerletzte Runde. Der Wiki­leaks-Gründer hat nach der Entscheidung des Londoner High Court vom 26. März eine letzte Chance, der Auslieferung in die USA zu entgehen. Zwar lehnte das britische Gericht den Berufungsantrag von Assange in sechs von neun Punkten ab, stellte aber zugleich fest, dass dessen Beschwerde in drei Punkten „reelle Aussicht auf Erfolg“ habe.

Der erste Punkt ist, dass Assange in den USA womöglich die Todesstrafe droht. Der zweite betrifft die Frage, ob er sich auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen kann; der dritte, ob er als Australier den in der US-Verfassung festgeschriebenen Schutz von Grundrechten genießt. Das britische Gericht fordert die US-Regierung auf, zu diesen drei Punkten bis zum 16. April „zufriedenstellende Zusicherungen“ abzugeben. Falls es die Auskünfte aus Washington für „zufriedenstellend“ hält, wird es die Berufung von Assange ablehnen; falls nicht, darf Julian Assange nicht ausgeliefert werden. Seine Auslieferung würde nach Einschätzung von RSF bedeuten, dass die US-Regierung künftig allen Medienschaffenden, die über Geheimnisse des Staates berichten, den Prozess machen könnte.

In Tunesien hat die Polizei am 22. März den Journalisten Mohamed ­Boughalleb festgenommen, nachdem Ibrahim Chaïbi, Minister für religiöse Angelegenheiten, gegen den prominenten Radiokommentator eine Verleumdungsklage angestrengt hatte. Boughalleb hatte über Chaïbi berichtet, dieser habe sich ein vom Zoll beschlagnahmtes Auto privat angeeignet. Der für den privaten Sender Cap FM Radio arbeitende Journalist sitzt seit dem 26. März in Untersuchungshaft. Er ist einer der wenigen Medienarbeiter, die noch offen das autoritäre Regime Präsident Kais Saieds kritisieren. Sollte Boughalleb verurteilt werden, droht ihm – nach einem 2022 erlassenen Dekret über Internetkriminalität – eine Gefängnisstrafe von zwei bis vier Jahren.

Am 28. März wurden in Russland sechs Medienschaffende festgenommen, die über den Tod des oppositionellen Politikers Alexei Nawalny recherchiert und berichtet hatten. Die Journalistin Antonina Faworskaja, die sieben Jahre lang die Prozesse gegen Nawalny verfolgt hat, steht inzwischen unter Anklage wegen „extremistischer Aktivitäten“. Sie arbeitete für die unabhängige Medienplattform Sotavision. Zwei ihrer Kolleginnen, Alexandra Astakowa und Anastasia Musatowa, wurden ebenfalls festgenommen, nach einem Verhör aber wieder freigelassen. Auch die Sotavision-Reporterin Ekaterina Ani­kie­witsch, die bei der Polizeirazzia in Faworskajas Wohnung anwesend gewesen war, wurde nach ihrer Festnahme wieder freigelassen. Der ebenfalls anwesende Journalist Konstantin Scharow, der für die unabhängigen RusNews arbeitet, wurde nach seiner Festnahme verprügelt und musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Er soll wegen „Missachtung polizeilicher Anweisungen“ angeklagt werden. Schon am 27. März wurde in Ufa die Rusnews-Journalistin Olga Komlewa verhaftet und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Wegen ihrer Kontakte mit Nawalny sieht sie ebenfalls einer Anklage wegen „Extremismus“ entgegen.

Le Monde diplomatique vom 11.04.2024