11.04.2024

Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

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Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

Der Genozid in Ruanda

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Vor 30 Jahren, am 7. April 1994, begann der Völkermord an den Tutsi. Innerhalb von nur 100 Tagen ermordeten Angehörige der Hutu-Mehrheit 800 000 bis 1 Million Menschen. Der Genozid in Ruan­da gehört zu den am besten dokumentierten Menschheitsverbrechen der Neuzeit. Dennoch gibt es nach wie vor Kontroversen vor allem über die Mitverantwortung internationaler Akteure. Das betrifft etwa die Fehleinschätzungen der deutschen Botschaft in Kigali im Vorfeld des Völkermords, als es bereits zu Übergriffen kam. Auch die französische Ruanda-Politik in den frühen 1990er Jahren steht in der Kritik. In der Ausgabe vom Mai 2021 berichtete François Graner in „Frankreichs Schuld“, dass die Informationen über die Vorbereitung eines Völkermords auch von französischer Seite „hartnäckig ignoriert“ worden waren.

Ausufernde Gewalt in Haiti

Kriminelle Banden haben seit Mitte Januar in vielen Orten Haitis faktisch die Macht übernommen. Der Hafen von Port-au-Prince wurde blockiert, es gab mehr als 1500 Tote, der Hunger breitet sich aus. Am 11. März trat der nicht legitimierte Präsident Ariel Henry zurück. Derzeit geriert sich der Bandenchef Jimmy Chérizier als Staatschef. In „Hilfe, Geschäfte, Kontrolle“ rekapitulierte Jake Johnston im Dezember 2021 Haitis gewaltvolle Geschichte – auch mit Blick auf die Folgen der wiederkehrenden Interventionen aus dem Ausland. Seit dem großen Erdbeben von 2010 hatte sich die Situation für die Bevölkerung stetig verschlechtert. In „Haiti – Freihandel statt Hilfe“ ging Frédéric Thomas im November 2016 dem Verbleib der Hilfsgelder nach, die nur zu 3 Prozent haitianische Organisa­tio­nen erreichten. In „Kindersklaverei in Haiti“ schilderte Fiona de Hoog Cius im Juli 2021 die Folgen dieser Armut.

Ungarn gegen Orbán

Am 6. März erlebte Budapest die größte Demonstration gegen die Regierung Orbán seit Jahren. Das Regime fühlt sich offenbar erstmals gefährdet, denn es hat eine Kampagne gegen den Organisator der Demonstration gestartet. Der 41-jährige Péter Magyar ist ein Abtrünniger von Orbáns Fidesz-Partei. Jetzt will sich Mag­yar als Saubermann profilieren und zu einem ungarischen Macron werden, der das System Orbán aus den Angeln hebt. Dieses System beruht auf einer ethno-nationalistischen Strategie, die Corentin Léotard und Thomas Laffitte im Juni 2021 als „Orbáns Kulturkampf“ analysierten. In „Putins Freund“ beschrieb Léotard im Dezember 2022 in LMd den Weg des ungarischen Autokraten an die Macht.

Le Monde diplomatique vom 11.04.2024