Frankreichs Medienmilliardäre
von Benoît Breville
Während des Sommerlochs wurden die französischen Medien von der Schauergeschichte des Journal du dimanche (JDD) in Atem gehalten. Das Wochenblatt ist die Bibel des liberalen Bürgertums, bekannt für seine unkritischen Ministerinterviews, die Reportagen von Bernard-Henri Lévy (BHL) und eine tiefe Abneigung gegenüber sozialen Bewegungen.
Die Zeitung wurde im Juni vom Medienkonzern des Milliardärs Vincent Bolloré übernommen, der den rechtsextremen Journalisten Geoffroy Lejeune an die Spitze des Blatts setzte. Daraufhin trat die Redaktion in einen 40-tägigen Streik und erlebte so aus erster Hand die Härten des sozialen Kampfs, den sie sonst als „Gemurre“ abtun. Der Streik verhinderte allerdings nicht, dass am 6. August eine Ausgabe erschien – ganz auf der politischen Linie des neuen Eigentümers. Das gleiche Rezept setzte Bolloré bereits beim Sender i-Télé um, den er in CNews umbenannte.
In der Zwischenzeit hagelte es Petitionen und Meinungsartikel, die die grenzenlose Verbundenheit „mit dieser Zeitung“ zum Ausdruck brachten; „mit ihrer Unabhängigkeit, ihren republikanischen Werten, die denen der extremen Rechten diametral entgegenstehen“ – so ein Kommentar in Libération. In Le Monde schlossen sich nicht weniger als 400 „Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Sport“ zusammen, um einen „Angriff auf die demokratischen Freiheiten“ anzuprangern.
Nach einem Bonmot des Theologen Jacques-Bénigne Bossuet (1627–1704) lacht Gott über Menschen, die die Folgen beklagen, deren Ursachen sie lieben. Dieser Sommer war also nicht arm an göttlichem Amüsement. Denn lange Zeit haben die französischen Eliten die Kontrolle der großen Informationsmedien durch Superreiche gefördert und jede Kritik daran als „populistisch“ bezeichnet.
Doch in den letzten zehn Jahren ist etwas ins Rutschen geraten: Die traditionelle Presse, geschwächt durch die digitale Konkurrenz und verunsichert angesichts der Spaltung des dominanten Diskurses zwischen liberalem Zentrismus und konservativem Rechtsextremismus, gilt heute als schützenswerte Spezies. Angesichts von Brandstiftern wie Vincent Bolloré oder Elon Musk verurteilt man die Kontrolle der Medien durch einzelne Milliardäre, doch zugleich lehnt man jede Lösung ab, die dem entgegenwirken könnte. Entweder aber sind Informationen eine Dienstleistung von kollektivem Nutzen und ihre Produktion muss dem Markt entzogen werden, oder sie sind eine Ware und niemand kann verhindern, dass sie wie ein Sack Kartoffeln gekauft und verkauft werden; oder dass ihre Besitzer redaktionell Einfluss nehmen.
Auch die Kulturministerin Rima Abdul-Malak kritisierte den Umbau bei JDD, merkte aber an: „Wir können weder die Pressefreiheit noch die unternehmerische Freiheit einschränken.“ Im Grunde empört sich die herrschende Klasse nämlich nicht darüber, dass die Pressefreiheit auf ein Eigentum reduziert wird; sie ist besorgt, dass „ihre“ Zeitung ihrer Kontrolle entgleitet. Wäre ein konservativer Milliardär wie Bernard Arnault der Käufer, hätten sie wohl kaum mit der Wimper gezuckt. ⇥Benoît Bréville