08.06.2023

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In der Türkei wurde die Wiederwahl von Staatspräsident Erdoğan durch die eingeschränkte Medienvielfalt erheblich begünstigt. Wie ungleich die Chancen für die Hauptkontrahenten verteilt waren, zeigen die Sendezeiten beim staatlichen Nachrichtenkanal TRT Haber. Im gesamten April, dem Vormonat der beiden Wahlrunden vom 14. und 28. Mai, kam der Amtsinhaber 32 Stunden zu Wort, sein Herausforderer Kılıçdaroğlu dagegen nur 32 Minuten. Auch die privaten Fernsehsender, die zu 85 Prozent vom Präsidenten und seiner Partei kontrolliert werden, wirkten wie ein propagandistisches Medium des Regimes. Zwei Tage vor der ersten Wahl vom 14. Mai organisierten 14 Sender eine gemeinsame Show, in der Erdoğan seinen Rivalen 90 Minuten lang attackieren durfte, ohne selbst mit kritischen Fragen – etwa über die ­Wirtschaftskrise oder die Kor­rup­tions­fälle in der Regierung – konfrontiert zu werden.

Am 26. Mai hat das Parlament in Kuba in offener Abstimmung ein Gesetz verabschiedet, das den minimalen Spielraum für unabhängige soziale Medien beseitigt, indem es ihnen die rechtliche Basis entzieht. Nach Artikel 28 in diesem „Gesetz zur sozialen Kommunikation“ sind Medien prinzipiell „sozialistisches Eigentum des ganzen Volkes oder politischer, gesellschaftlicher und Massenorganisationen“, was „jegliche andere Art von Besitz“ ausschließt. Bereits seit Dezember 2022 ist eine neue strafrechtliche Bestimmung in Kraft, die unabhängige Medien kriminalisiert, wenn sie Geld aus dem Ausland erhalten. Damit soll nach den Worten von Präsident Miguel Díaz-Canel Kubas „Subversion“ durch Medien, die „im Sold fremder Mächte“ agierten, Einhalt geboten werden. Seitdem werden die rund 60 Nachrichtenseiten, die seit 2018 in Kuba entstanden sind, immer wieder von der Polizei belästigt.

Auf den Philippinen wurde am 31. Mai der Moderator einer populären Rundfunksendung ermordet. Cresenciano „Cris“ Bunduquin wurde im Morgengrauen von zwei Auftragskillern vor seinem Haus in Calaban City exekutiert. Der Journalist hatte zuvor telefonisch Morddrohungen erhalten. In seiner letzten Sendung berichtete er über lokale Korruptionsfälle, das Treiben der Wettmafia und die Ölpest, die ein Tanker im Februar verursacht hatte. Im Oktober 2022 war in Manila der Radiomoderator Percy Lapid ebenfalls von Killern erschossen worden.

Der Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Polen werden durch eine neue Institution bedroht, die an die McCarthy-Ära in den USA zu Beginn des Kalten Kriegs erinnert. Seit dem 29. Mai ist ein Gesetz in Kraft, mit dem ein Komitee installiert wird, das Fälle von „russischer Einflussnahme“ aufspüren soll. Das neunköpfige Gremium darf auch die polnischen Medien durchleuchten. Damit kann es oppositionelle Medienschaffende vorladen, die auch über ihre Informationsquellen Auskunft geben müssen; im Verdachtsfall kann es strafrechtliche Ermittlungsverfahren oder disziplinarische Maßnahmen anordnen. Der stellvertretende Verteidigungsminister, Wojciech Skurkiewicz, hat bereits gefordert, der Ausschuss müsse die „vielen Journalisten vorladen, die einem gewissen russischen Einfluss unterliegen“.

Le Monde diplomatique vom 08.06.2023