13.04.2023

Das helvetische Monster

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Das helvetische Monster

von Yves Wegelin

Dann ging plötzlich alles schnell: Nachdem die Financial Times die Welt übers Wochenende mit Berichten über ständig neue Winkelzüge zur Rettung der Credit Suisse (CS) in Atem gehalten hatte, kündigte die Schweizer Regierung am Sonntagnachmittag, 19. März, für den Abend eine „wichtige Medienkonferenz“ an. Es war bereits Nacht vor dem Schweizer Bundeshaus in Bern, als die Finanzministerin Karin Keller-Sutter mit ihren Be­am­t:in­nen eintraf.

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„This ist not a bail-out“, verkündete sie. Was man präsentiere, um die Großbank – und damit das globale Finanzsystem – vor dem Kollaps zu retten, sei keine Staatsrettung. Ein grotesker Satz. Ja, es ist nicht der Staat, sondern die UBS, die die CS übernimmt. Doch während die UBS die CS für ein Schnäppchen von 3 Milliarden Franken erhält, stellt die Schweiz den Banken Hilfskredite in Höhe von 250 Milliarden Franken bereit, für die die Steu­er­zah­le­r gerade­stehen. Und falls der UBS mit der Übernahme Verluste entstehen, werden diese ab einer Schwelle von 5 Milliarden vom Staat übernommen. Die Gewinne privat, die Risiken dem Staat.

Das CS-Debakel ist ein Alarm­signal für die gesamte Welt. Zwar ist die CS letztlich am Missmanagement ihrer Führung gescheitert. Offensichtlich wurde aber auch: Die nach der Finanzkrise 2008 global beschlossenen Bankenregeln genügen bei Weitem nicht. Die 5,4 Prozent Eigen­kapital der CS waren viel zu wenig, um einen Vertrauensverlust abzuwenden. Am Ende kollabierte sie, weil die Kun­d:in­nen aus Angst vor einer Insolvenz ihr Geld abzogen.

Hintergrund des CS-Crashs ist aber auch eine aus den Fugen geratene globale Wirtschaft. Als das Finanzsystem 2008 unter enormen Schulden zusammenzubrechen drohte, senkten die Zentralbanken die Zinsen, damit sich Haushalte, Staaten und Firmen weiter verschulden konnten. Inzwischen ist der Schuldenberg von knapp 200 Prozent auf über 250 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung gewachsen. Und weil die Zentralbanken nun die Inflation mit radikalen Zinserhöhungen zu bekämpfen versuchen, droht das System erneut zu crashen.

Da neue Anleihen höhere Zinsen abwerfen, verlieren die alten an Wert, was bei Banken weltweit zu Billionen an Buchverlusten führt – an denen die Silicon Valley Bank kollabiert ist. Mit den hohen Zinsen und zunehmender Arbeitslosigkeit steigt zudem täglich das Risiko, dass ein Großteil der Kreditschulden ausfällt. Das ist die Drohkulisse, vor der die CS-Kun­d:innen zum bank run ansetzten und die In­ves­o­r:in­nen ihre Aktien verkauften. Gleiches könnte weltweit auch anderen Banken in den kommenden Monaten blühen.

Mit der UBS-Übernahme der CS hat die Schweizer Regierung geholfen, eine Monsterbank zu schaffen, deren Bilanz mehr als doppelt so groß ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes. Darauf angesprochen, versuchte Zentralbankchef Thomas Jordan an jenem Sonntagabend zu beschwichtigen. Es komme weniger auf die Größe als auf die Risiken der Bank an. Angesichts der krisenhaften Weltwirtschaft sind diese jedoch womöglich noch größer als die neue Bank.

Le Monde diplomatique vom 13.04.2023, von Yves Wegelin