08.12.2022

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Am 23. November wurde der Investigativjournalist Bolot Temirow aus Kirgistan nach Russland abgeschoben. Temirow besitzt die russische und kirgisische Staatsbürgerschaft. Seine Ausweisung wurde von einem Gericht in der Hauptstadt Bischkek verfügt, weil er angeblich seinen kirgisischen Pass mittels gefälschter Dokumente erlangt habe. Temirow wurde noch im Verhandlungssaal festgenommen und in ein Auto gezerrt. Später brachten ihn sechs Sicherheitsbeamte zum Flughafen Manas und setzten ihn in ein Flugzeug nach Moskau. Der Journalist berichtete seit 2020 auf seinem Youtube-Kanal Temirov Live über Korruption und Vetternwirtschaft in Regierungskreisen. Aufsehen erregte er zuletzt durch eine Videoreportage über illegale Geschäfte der Familie des Chefs des Inlandsgeheimdienstes (GKNB) mit staatlichen Ölkonzernen. GKNB-Chef Kamtschybek Taschijew ist ein Vertrauter des Präsidenten Sadyr Dschaparow. Kirgistan galt wegen seiner relativ vielfältigen Medien­landschaft lange Zeit als Ausnahme unter den Staaten Zentral­asiens. Doch spätestens seit der Rückkehr zu einem Präsidialsystem im April 2021 entwickelt sich das Land zu einer Autokratie zurück. Am 28. September legte die Regierung den Entwurf für ein neues Mediengesetz vor, das die Schließung von Medienhäusern und die Abschaltung von Internetseiten erleichtern soll.

In Pakistan ist die Website Fact Focus seit dem 21. November nicht mehr zugänglich. Tags zuvor hatte das investigative Medium berichtet, dass das Vermögen der Familie von General Qamar Javed Baj­wa um 55 Millionen Euro angewachsen ist, seit Bajwa 2016 zum Oberkommandierenden der Armee ernannt wurde. Die Blockade durch die Telekommunikationsbehörde erfolgte auf Anweisung von Premierminister Shehbaz Sharif. In Pakistan kann sich keine Regierung mit der Armee anlegen, die eine Art Staat im Staate darstellt und keine Kritik seitens der Medien duldet.

In Polen wurde der renommierte Journalist Tomasz Piątek zu 160 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. So entschied ein Warschauer Bezirksgericht bereits am 27. Oktober. Allerdings war der Verhandlungstermin dem Journalisten nicht bekannt, weil die Vorladung an eine veraltete Postanschrift gegangen war, nicht aber an seinen Anwalt. Deshalb konnte er sich nicht zu den Vorwürfen äußern, wie es Artikel 212 des Strafgesetzbuchs vorschreibt. Daher hätte der Prozess verschoben werden müssen. Piątek erfuhr von seiner Verurteilung erst durch Berichte regierungsnaher Medien – und erst, nachdem die Frist für eine Revision schon abgelaufen war. Den Prozess hatte ein mit Ministerpräsident Mo­ra­wiec­ki befreundeter Unternehmer angestrengt, der an dem polnischen Abhörskandal von 2014 beteiligt gewesen sein soll. Gegen den investigativen Journalisten läuft noch ein zweiter Verleumdungs­prozess. Dabei geht es um den ehemaligen PiS-Verteidigungsminister Macierewicz, über den Piątek 2017 herausgefunden hatte, dass er in illegale Geld- und Waffengeschäfte mit Russland verwickelt war. Für seine investigative Arbeit wurde er damals von RSF/ROG als „Journalist des Jahres“ ausgezeichnet.

Le Monde diplomatique vom 08.12.2022