13.10.2022

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Drei Wochen nach dem Beginn der Proteste in Iran hat das Regime praktisch sämtliche Möglichkeiten freier Berichterstattung unterbunden. Seit dem Tod von Mahsa Amini am 16. September wurden mindestens 23 Journalistinnen und Reporter verhaftet; weitere 14 saßen bereits vor der Protestwelle im Gefängnis. Am 22. September wurde die Journalistin Nilofar Hamedi festgenommen, die Amini noch im Krankenhaus besucht und über deren Misshandlungen durch die „Sittenpolizei“ berichtet hatte. Hamidi befindet sich im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis in Einzelhaft. Ihr Twitter-Account, über den sie Fotos von Aminis trauernden Eltern verbreitet hatte, wurde gesperrt.

Da Journalistinnen in der iranischen Medienszene sehr präsent sind, hat das Regime sie besonders ins Visier genommen. Sie sind gezielten Hacking- oder Pishing-Angriffen ausgesetzt, häufig wird ihnen auch Mord oder Vergewaltigung angedroht. Eine besondere Zielgruppe sind außerdem kurdische Medien, die pauschal beschuldigt werden, den kurdischen Separatismus zu unterstützen. Seit dem 19. September ist das Internet in der Provinz Kurdistan, aus der Familie Amini stammt, vollständig blockiert. Auch in den übrigen Landesteilen werden zeitweilig das Internet und Telefonnetze großflächig gesperrt. In der Hauptstadt Teheran sind lokale Sperren etwa von 17 Uhr bis Mitternacht in Kraft, was einer digitalen Ausgangssperre gleichkommt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (ROG/RSF) rangiert Iran unter 180 Ländern auf dem drittletzten Platz.

Am 7. Oktober feierte Präsident Wladimir Putin in Moskau seinen 70. Geburtstag. Als der Ex-KGB-Offizier vor 22 Jahren an die Macht kam, hatte Russland noch eine einigermaßen pluralistische Medienlandschaft und ein fortschrittliches Mediengesetz. Heute ist es für Medienschaffende eines der gefährlichsten Länder der Welt. In Putins Amtszeit wurden 37 Frauen und Männer offensichtlich wegen ihrer journalistischen Arbeit ermordet, das bekannteste Opfer war Anna Politkowskaja, die am 7. Oktober 2016 vor ihrer Wohnung erschossen wurde. Im selben Zeitraum wurden hunderte Medienschaffende verhaftet, derzeit sitzen mindestens 19 im Gefängnis. Das jüngste Justizopfer ist der investigative Journalist Iwan Safronow, der am 5. September zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er an­geblich „Staatsgeheimnisse“ veröffentlicht hatte, die allerdings für jeden online zugänglich waren.

Mehr als 300 russische Journalistinnen und Journalisten sind ins Ausland geflohen. Unabhängige Medien müssen vom Ausland aus berichten, darunter ­Meduza (seit 2014) und Nowaja Gazeta (seit April 2022). 183 Einzelpersonen oder einzelne Medien wurden als „ausländische Agenten“ eingestuft, die sich bei jeder Pu­blikation als solche deklarieren müssen. Allein von 2012 bis 2021 wurden 46 Gesetze verabschiedet, die direkt oder indirekt die Medienfreiheit beschneiden. Seit der Ukraine-Invasion sind 7 weitere hinzugekommen. Zudem wurden seit dem 24. Februar weitere 7000 interna­tio­nale und russische Webseiten blockiert. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der blockierten Onlinemedien auf 517 000.

Le Monde diplomatique vom 13.10.2022