Gestern in LMd, heute in den Nachrichten
Aufruhr in Iran
Die seit Wochen anhaltenden Demonstrationen gegen das Mullah-Regime werden vor allem von Frauen getragen. Die Protestwelle wurde durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ausgelöst, die zuvor von der iranischen Sittenpolizei festgenommen und misshandelt worden war. Die staatlichen Sicherheitskräfte reagieren mit äußerster Härte, was darauf hindeutet, dass sich die herrschende Klasse ernsthaft bedroht fühlt. Die Proteste iranischer Frauen gegen die strengen Kopftuchregeln haben eine lange Vorgeschichte, die nicht immer der westlichen Sichtweise entspricht, wie Charlotte Wiedemann in LMd vom September 2019 darlegt. Ihr Text „Das Tuch und die Nation“ ist zugleich eine kleine Geschichte der iranischen Frauenbewegung seit Beginn des 20. Jahrhunderts.
Zitterpartie in Brasilien
Bei der ersten Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahl am 2. Oktober unterlag Amtsinhaber Jair Bolsonaro seinem Herausforderer Lula da Silva. Allerdings war der Vorsprung des linken Kandidaten Lula, der Brasilien bereits von 2003 bis 2010 regierte, kleiner als erwartet. Der Wahlkampf vor der Stichwahl am 30. Oktober dürfte das ohnehin gespaltene Land weiter polarisieren. Und ob Bolsonaro eine mögliche Niederlage im zweiten Wahlgang akzeptieren wird, bleibt offen. Über den Machtmissbrauch der Präsidentenfamilie und die zunehmenden Einfluss des Militärs seit Bolsonaros Amtsantritt 2019 berichtete Anne Vigna in der LMd-Juniausgabe 2021 in ihrem Text „Brasiliens Militärdemokratie“.
Mussolinis Erbin
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia neue italienische Regierungschefin. Das Rechtsbündnis aus Fratelli, Lega und Forza Italia holte – bei einer historisch niedrigen Wahlbeiteilung von 64 Prozent – die absolute Mehrheit der Sitze in beiden Kammern des Parlaments. Dass eine Politikerin, die sich nie vom italienischen Faschismus distanziert hat, 26 Prozent der Stimmen erhielt, liegt auch an der fehlenden historischen Aufarbeitung im Land. In seinem Beitrag „Der Körper des Duce“ vom März 2006 beschreibt Amos Elon, wie jedes Jahr zehntausende Menschen zum Grab Mussolinis pilgern und es „bei den Brüdern Italiens von hartgesottenen Duce-Nostalgikern wimmelt“. Auch Giorgia Meloni wollte im Wahllogo ihrer Partei nicht auf die lodernde rot-weiß-grüne Flamme verzichten, die den Geist Benito Mussolinis symbolisiert.