Gestern in LMd, heute in den Nachrichten
AKW unter Beschuss
Das von russischen Streitkräften besetzte größte AKW Europas ist durch Beschuss schwer beschädigt. Nur noch einer der sechs Reaktoren liefert Strom, der auch für die Anlage selbst vonnöten ist. Seit dem 1. September halten sich Beobachter der Internationalen Atomenergiebehörde dort auf. Der Brand- und Strahlenschutz sei nicht mehr gewährleistet, heißt es. Trotzdem geht der Beschuss weiter. Im März 2015 besuchten Sébastien Gobert und Laurent Geslin für LMd die Anlage und untersuchten die energiepolitischen Verflechtungen Russlands und der Ukraine („Atomstrom aus Saporischschja“). Auch damals war die Lage vor Ort angespannt.
UN verurteilt China
Am 31. August, wenige Minuten vor Ende ihrer Amtszeit, veröffentlichte Michelle Bachelet, die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, einen Lagebericht zur chinesischen Region Xinjiang. Die späte Veröffentlichung erklärte Bachelet damit, dass sie unter „ungeheurem Druck“ von allen Seiten gestanden hätte. Der Bericht spricht von möglichen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und von glaubhaften Vorwürfen, dass in den sogenannten Umerziehungslagern die muslimische Minderheit der Uiguren „Folter oder Misshandlung“ ausgesetzt ist. Über die Existenz und Funktion der Lager und die systematische Unterdrückung der Uiguren informierte Rémi Castets schon im März 2019 in seinem LMd-Beitrag „Bleierne Zeit in Xinjiang“.
Erdoğan droht
Der türkische Staatspräsident hat seine kriegerische Rhetorik gegenüber Griechenland verschärft. Seine Rede in der Schwarzmeerstadt Samsun gipfelte am 3. September in dem „Ratschlag“ an die Athener Regierung: „Vergesst nicht Izmir!“ Er erinnerte damit an die Einnahme Smyrnas, wie die Stadt damals noch hieß, durch die türkische Armee 1922. Den türkischen Anspruch auf griechische Inseln in der Ostägäis unterstrich er mit der handfesten Drohung: „Wenn die Zeit kommt, werden wir tun, was nötig ist.“ Solche Parolen zielen vor allem darauf ab, die schwindende Popularität von Erdoğans AKP-Regierung wettzumachen. Diese innenpolitische Funktion der in Ankara gehegten geopolitischen Ambitionen hat Günter Seufert in seinem Text „Profiteur der Stunde“ in LMd vom Juli 2022 herausgearbeitet. In derselben Ausgabe analysiert Niels Kadritzke in „Pserimos ist nicht Keçi“ den völkerrechtlichen Hintergrund des aktuellen Ägäiskonflikts.