10.03.2022

Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

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Gestern in LMd, heute in den Nachrichten

Russische Interventionen

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Im Mai 2017 lieferte Tony Wood in LMd eine umfassende Analyse der sicherheitspolitischen Lage und möglichen Strategien Russlands angesichts einer zunehmend unipolaren Welt: „Russlands gefährliche Schwäche. Asymmetrische Machtverhältnisse, die Fehler des Westens und der Frust im Kreml“. Am Ende schrieb Wood in erstaunlicher Voraussicht: „Der Übergang von der alten zu der neuen Welt könnte lang und furchtbar sein. Und auch die multipolare Welt könnte auf ganz eigene Weise eine destruktive sein. Die Hoffnung, die Zukunft möge nicht wie Falludscha und Mossul aussehen, garantiert keineswegs, dass sie nicht irgendwann wie Donezk oder Aleppo aussieht.“

Der Einmarsch in der Ukraine steht in Zusammenhang mit weiteren politischen und militärischen Interventionen Russlands in angrenzenden Gebieten. Zuletzt griff die Eingreiftruppe der Organisation ehemaliger Sowjetrepubliken unter russischer Führung (OVKS) im Januar 2022 in Kasachstan militärisch ein. Bereits 2008 hatte Russland im Krieg gegen Georgien für die Abspaltung Süd­osse­tiens gesorgt. Unser Autor Pierre Daum schildert in seiner Reportage „Die Kühe weiden auf der anderen Seite“ vom Oktober 2021 die Situation im georgisch-ossetischen Grenzgebiet und wie dieser Krieg sich bis heute auf das politische Klima im Land auswirkt.

Und Loïc Ramirez war in dem mol­daui­schen Sezessionsgebiet Transnistrien unterwegs, das Russland als Schutzwall gegen einen möglichen Nato-Beitritt Moldaus dienen soll – obwohl sich Moldau bis zum Einmarsch in der Ukraine zum Neutralitätsprinzip bekannte. Unser Autor schreibt über eine junge Generation, die vom Wahlsieg des prorussischen Präsidentschaftskandidaten im Dezember 2021 wenig begeistert war. Ihr Lebensgefühl gibt der Titel wieder: „Lost in Transnistrien“.

Im Mai 2014, kurz nach der Annexion der Krim, erschien in LMd Keith Gessens sehr besonderes Stimmungsbild aus Odessa, wo „die prorussischen und die proukrainischen Gefühle (wenn wir es so nennen wollen) in etwa gleich stark vertreten“ waren. Einer seiner Gesprächspartner hielt schon damals eine russische Invasion für wahrscheinlich: „Die Ukrainer mögen keine Armee haben, die der Rede wert wäre, aber sie verstehen sich auf den Guerillakrieg; darin haben sie es im Zweiten Weltkrieg zur Perfektion gebracht.“

Le Monde diplomatique vom 10.03.2022