Der Krieg und die Medien
Zu den zahlreichen zivilen Todesopfern, die seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gezählt werden, gehören zwei Medienschaffende. Am 25. Februar wurde in Cherson der Bürgerjournalist Dilerbek Schakirow erschossen. Am 1. März kam bei der Bombardierung des TV- und Radiosendeturms von Kiew, der für Kiev Live TV arbeitende Kameramann Ewgeni Sakun ums Leben. Dieser Angriff stellt ein Kriegsverbrechen dar. In der Ukraine haben russische Truppen insgesamt vier Sendemasten zerstört und damit Dutzende TV- und Rundfunksender getroffen. In den von den Invasoren eroberten Gebieten laufen über die Sendeanlagen nur noch Programme des staatlichen Propagandasenders Russia 24.
Der Krieg gegen die Ukraine hat auch eine innere Front. Seit Beginn der Invasion zensiert der Kreml die Berichterstattung russischer Medien noch rigoroser. Schon seit Oktober 2021 drohte Journalistinnen und Journalisten, die über militärische Verluste, die Truppenmoral oder andere „militärische Geheimnisse“ berichten, strafrechtliche Verfolgung oder die Denunzierung als „ausländische Agenten“. Ein am 4. März verabschiedetes Gesetz sieht für die Publikation von „falschen“ oder „erlogenen“ Informationen über Operationen des russischen Militärs eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren vor. Als strafbar gelten bereits einzelne Worte wie „Krieg“, „Angriff“ oder „Invasion“. Erlaubt sind nur Informationen aus „offiziellen russischen Quellen“. In Reaktion auf dieses Gesetz haben ausländische Medien (darunter BBC, CNN, ARD und ZDF) ihre Berichterstattung eingestellt, um ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht zu gefährden.
Seit dem 28. Februar hat die Medienregulierungsbehörde Roskomnadsor den Zugang zu mehreren ausländischen Onlinemedien gesperrt. Zugleich wurden Verfahren gegen mindestens zehn russische Medien eingeleitet, die „falsche Informationen“ verbreitet oder die verbotenen Wörter benutzt haben. Das trifft unter anderem den populären Radiosender Echo Moskwy, die Nachrichtenseite Mediazona und die Tageszeitung Nowaja Gaseta, die am 26. Februar demonstrativ auf Russisch und Ukrainisch erschienen war.
Auch die sozialen Medien geraten ins Visier von Roskomnadsor. Die Provider wurden angewiesen, den Zugang zu Twitter und Meta einzuschränken. Ganz blockiert ist seit Anfang März ein wichtiges Exilmedium, die in Riga ansässige russisch-englische Website Meduza.
Mehrere russische Medienschaffende wurden wegen ihrer Berichterstattung über lokale Antikriegsdemonstrationen vorübergehend festgenommen. So erging es Mitarbeiterinnen lokaler Websites in Krasnodar, drei Reportern des russischen Dienstes von RFE/RL in Moskau und vier Journalisten in Belgorod nahe der ukrainischen Grenze. Kurzzeitig verhaftet wurden auch mehrere Medienschaffende, die auf Plakaten die neuen Zensurmaßnahmen kritisierten. Jelena Tschernenko, die Leiterin der Auslandsredaktion der Wirtschaftszeitung Kommersant verlor ihre Akkreditierung als Kreml-Berichterstatterin wegen ihres offenen Briefs gegen den Krieg, der von mehr als 300 Medienschaffenden unterzeichnet wurde.