09.12.2021

Verbotene Pestizide für Afrika

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Verbotene Pestizide für Afrika

Auf dem Kontinent werden deutlich weniger Pestizide eingesetzt als in anderen Weltregionen. Dennoch geraten die 33 Millionen Kleinbauern immer stärker in den Fokus der Pestizidhersteller. Unter anderem wird ihnen verkauft, was in der EU verboten ist.

von Layla Liebetrau

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Der afrikanische Markt für Pestizide wurde im Jahr 2015 auf etwa 2,1 Milliarden US-Dollar geschätzt. Noch entfallen nur 2 bis 4 Prozent der weltweit ausgebrachten Pestizidmenge auf Afrika. Laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) wurden im Jahr 2018 auf dem Kontinent durchschnittlich 0,4 Kilogramm Pestizidwirkstoffe pro Hektar Anbaufläche eingesetzt, eine relativ geringe Menge im Vergleich zu 3,1 Kilogramm in den Nord- und Südamerika und 3,7 Kilogramm in Asien.

Dennoch nimmt das Ausmaß des Pestizideinsatzes in Afrika seit der Jahrtausendwende kontinuierlich zu, was nicht zuletzt auch mit dem ­Bevölkerungswachstum und notwendigen Produktivitätssteigerungen zu tun hat. Für die Jahre 2020 bis 2025 wird dem afrikanischen Markt für Pestizide ein jährliches Wachstum von 4,2 Prozent prognostiziert.

Allein in Westafrika ist die Pestizidnutzung zwischen 2005 und 2015 um 177 Prozent gestiegen. Weltweit hat sich die Nutzung im gleichen Zeitraum um 30 Prozent erhöht. Die drei Märkte der großen Agrarländer Elfenbeinküste, Ghana und Nigeria sind besonders schnell gewachsen.

Je nach Anbaukultur, Kapitalverfügbarkeit und geografischer Lage werden Pestizide von den Bäuerinnen und Bauern sehr unterschiedlich genutzt. Feldstudien aus Mosambik und Sambia zeigen jedoch die große Verbreitung von hochgefährlichen Pestiziden. Laut einer Studie der Michigan State University werden sie in Sambia von 76 Prozent und in Mosambik von 87 Prozent der Farmer verwendet.

Zu den wichtigsten Akteuren auf dem afrikanischen Markt für Pflanzenschutzmittel gehören Adama, Sumitomo Chemical, UPL Limited und Bayer CropScience AG. Diese Unternehmen wenden diverse Verkaufsstrategien an, um das Marktpotenzial in afrikanischen Ländern auszuschöpfen. In Kenia beispielsweise gehören soziale Medien und lokale Radiosendungen zu den meistgenutzten Medien für Produktwerbung. Pestizidunternehmen finanzieren aber auch landwirtschaftliche Fachmessen in ländlichen Re­gionen.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Pestizidmärkte in verschiedenen afrikanischen Ländern nicht ausreichend reguliert sind, um die Gesundheit der Bäuerinnen und Bauern und die Umwelt zu schützen. Organisationen der Zivilgesellschaft fordern daher strengere Regeln: Unter anderem sollten Regierungen Möglichkeiten prüfen, wie sie Risikodaten der Öffentlichkeit zugänglicher machen und stärker in Zulassungsverfahren berücksichtigen können.

Zudem muss der Verkauf von Pestiziden stärker reguliert und durch unabhängige Stellen überwacht werden – bislang fehlen dafür allgemeinverbindliche Kriterienkataloge. Ein weiteres Problem ist, dass Regeln, Gesetze, Zulassungen und Kontrollen nicht mit der steigenden Nachfrage nach Pestiziden Schritt halten können und sich dadurch ein lukrativer Markt für billige Generika und illegale Pestizide entwickelt hat.

Quellen aus Wirtschaft und Wissenschaft gehen für den afrikanischen Markt davon aus, dass bis zu 20 Prozent illegal produziert und gehandelt werden. In Westafrika sogar bis zu 34 Prozent.

Auch werden leere Verpackungen und Kanister mit gefälschten Produkten befüllt und als Original verkauft – mit gravierenden Risiken für Bäuerinnen und Bauern und die Umwelt. In Gambia ergab die Analyse von 128 Pestizidprodukten, dass sich nur 10 Prozent ordnungsgemäß in Originalbehältern befanden. Die anderen 90 Prozent waren umgefüllt und in nicht etikettierten Beuteln und Flaschen verkauft worden. Fast ein Drittel der nicht etikettierten Produkte enthielten verbotene Substanzen, vor allem hochgiftige Insektizide.

Pflanzenkrankheiten und Schädlinge stellen eine große Bedrohung für die afrikanische Landwirtschaft dar. Sie gefährden die Einkommen der Erzeuger und das Menschenrecht auf Nahrung. Um Pflanzenschutz, der zum Erhalt der Ernte nötig ist, mit der Gesundheit von Menschen und Umwelt in Einklang zu bringen, braucht es intelligente agrar-ökologische Lösungen.

In einigen Teilen der Welt werden sie bereits praktiziert, etwa durch den Einsatz von Biopestiziden. Diese bestehen aus natürlichen Inhaltsstoffen und enthalten keine Substanzen, die für die Landwirte oder Konsumenten, auf deren Teller die Ernte landet, schädlich sein könnten. Auch die ökologische Landwirtschaft breitet sich zunehmend aus. Auf dem afrikanischen Kontinent verzeichnete sie im Jahr 2016 noch 1,79 Millionen Hektar – inzwischen werden dort etwa 2 Millionen Hektar ökologisch bewirtschaftet.

Layla Liebetrau ist Projektleiterin der Route to Food Ini­tia­tive in Nairobi, die von der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt wird.

Dieser Beitrag ist ein Vorabdruck aus dem „Pestizid­atlas 2022“ (Hg. Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, PAN Germany und Le Monde diplomatique, Berlin), der im Januar 2022 erscheint. Text und Grafik stehen unter der freien Creative-Commons-Lizenz CC-BY-SA 4.0.

Le Monde diplomatique vom 09.12.2021, von Layla Liebetrau