07.10.2021

Backpfeife für Paris

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Backpfeife für Paris

von Serge Halimi

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Die Demut in Washington hält nie lange an. Einen Monat nach dem Debakel in Afghanistan ist die imperiale Ordnung für die USA wieder intakt – wie ihre Backpfeife für Paris zeigt.

Kaum hatten die Taliban den Flughafen von Kabul eingenommen, krochen die Neokonservativen wieder aus ihren Löchern. Der Westen hat „Afghanistan verloren“? Dann muss er seine Präsenz eben anderswo demonstrieren, um seinen strategischen Rivalen, also China und Russland, klarzumachen, dass er vor dem nächsten Kampf nicht zurückschrecken würde.

„Der Krieg ist nicht vorbei“, tönte Senator Mitt Romney, der 2012 für die Republikaner das Präsidentenamt anstrebte. „Wir sind stärker gefährdet als vorher.“ Man müsse deshalb wieder mehr in „unsere Sicherheit“ investieren. Nachdem sie Chaos im Nahen Osten angerichtet haben, wenden sich die USA nun dem Pazifik zu und positionieren ihre Marine gegen China.

Das ist der entscheidende Aspekt der diplomatischen Minikrise zwischen Washington und Paris – und nicht die französische Verstimmung über den Verlust eines saftigen Rüstungsgeschäfts. Tatsächlich lautet die eigentliche Frage, wie Europa auf die von den USA ausgerufene antichinesische Militärallianz mit Großbritannien und Australien reagieren soll. Das il­loya­le Verhalten der „Verbündeten“ und die fehlende Abstimmung bei einer wichtigen geopolitischen Entscheidung lässt da nicht viel erwarten.

Was die spektakuläre öffentliche Demütigung durch die USA betrifft, so ist das für Frankreich nichts Neues. Man denke an den Lausch­an­griff auf den französischen Präsidenten, den Wikileaks enthüllt hat, oder an die exorbitanten Strafzahlungen französischer Unternehmen und Banken wegen Verletzung der Sanktionen, die Washington völkerrechtswidrig gegen Kuba und Iran verhängt hatte.

Präsident Macron hätte, statt auf die australisch-amerikanische Ohrfeige mit einem hilflosen Rückruf der Botschafter aus Canberra und Washington zu reagieren, umgehend Julian Assange und Edward Snowden, die den Sumpf des US-Imperiums ausgeleuchtet haben, politisches Asyl gewähren sollen. Diese Demonstration der Würde hätte die ganze Welt zur Kenntnis genommen.

Während die französischen Präsidenten schwadronierten, hat sich das Land längst selbst degradiert: Es hat sich dem integrierten Kommando der von Washington gelenkten Nato unterstellt. Es hat seine außenpolitische Souveränität zunehmend an die von Vasallen der USA bevölkerte Europäische Union abgetreten. Es besteht auf einer Latte von Sanktionen gegen Russland, die jede gemeinsame Perspektive für die Region „zwischen Atlantik und Ural“ verhindern, also die einzige erkennbare Möglichkeit, den Alten Kontinent dem Einfluss der USA oder Chinas zu entziehen.

Um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, muss Paris in Washington, aber auch in Peking, Moskau, Tokio, Hanoi, Seoul, Neu-Delhi und Jakarta mit Nachdruck klarmachen, dass sich Frankreich mit dem Krieg im Pazifik, den die USA vorbereiten, niemals abfinden wird.⇥Serge Halimi

Le Monde diplomatique vom 07.10.2021, von Serge Halimi